Gewerbesteuerschulden einer GbR: Vollstreckung beim Gesellschafter rechtswidrig

Wenn Finanzämter oder – wie im Streitfall: Städte und Gemeinden – Steuern eintreiben, brauchen Sie dazu keine Erlaubnis eines Gerichts. Der Normalbürger, der bei seinem Schuldner vollstrecken will, benötigt einen gerichtlichen Vollstreckungstitel, z. B. ein Urteil. Dem gegenüber haben die Finanzämter, Städte und Gemeinden das Privileg, sich selbst einen Vollstreckungstitel – einen Steuerbescheid – zu erstellen und diesen auch gleich selbst zu vollstrecken. Dabei kann einiges schief gehen, wie der folgende Fall zeigt.

 

Kontenpfändung durch Gemeinde

 

Eine neue Mandantin kam zu mir und teilte mit, die Gemeindeverwaltung habe ihre Konten (Privatkonto und Geschäftskonto) gepfändet. Warum genau, wusste sie nicht. Meine Sachverhaltsermittlung ergab, dass wegen Gewerbesteuerschulden für 2007 und 2008 einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) vollstreckt wird. An der GbR war meine Mandantin zu 50 % beteiligt. Die GbR besteht seit 2009 nicht mehr, vielmehr wird sie als Einzelunternehmen fortgeführt.

 

Kontaktaufnahme mit der Gemeindeverwaltung

 

Ich fragte bei der Gemeindeverwaltung nach. Dort erhielt ich die Auskunft, dass auf Grundlage des Gewerbesteuermessbetragsbescheides des Finanzamtes und des Gewerbesteuerbescheides, beide gerichtet an die GbR, vollstreckt wird. Meine Mandantin hafte doch als Gesellschafterin für diese Steuerschulden.

 

Ich entgegnete, dass meine Mandantin aber nicht die GbR, sondern eine natürliche Person sei. Steuerschuldner der Gewerbesteuer sie die GbR und nicht meine Mandantin. Haftung für Steuerschulden sei etwas anderes, als Steuern zu schulden. Daher könne die Gemeinde aus einem Bescheid, der an eine GbR als Steuerschuldner gerichtet ist, nicht gegen den Gesellschafter vollstrecken.

Außergerichtlich ließ sich die Gemeinde nicht von der Rechtswidrigkeit ihres Vorgehens überzeugen. Daher war es erforderlich, ein Verfahren im vorläufigen Rechtsschutz vor dem Verwaltungsgericht zu führen.

 

Entscheidung des Verwaltungsgerichts Leipzig

 

Das Verwaltungsgericht Leipzig bestätigte mit Beschluss vom 02.06.2015, Az. 6 L 182/15, meine Auffassung, dass die Kontenpfändung rechtswidrig war. Es fehle „am zugrundeliegenden vollstreckbaren Verwaltungsakt gegen die Antragstellerin“ (= meine Mandantin). Schuldnerin der Gewerbesteuer sei die GbR. Gesellschafter der GbR hafteten zwar für die Steuerschulden der GbR. Sie könnten dafür aber nur durch Haftungsbescheid in Anspruch genommen werden. Eine unmittelbare Vollstreckung aus dem Gewerbesteuerbescheid gegenüber der GbR sei unzulässig. Dieser Mangel sei „nicht heilbar und getroffene Vollstreckungsmaßnahmen sind aufzuheben“.

 

Zwar habe die Gemeinde im laufenden Gerichtsverfahren einen solchen Haftungsbescheid erlassen (offensichtlich hat man dort dazugelernt, Anm. durch mich). „Die Nachholung der Vollstreckungsvoraussetzung … heilt den Fehler [jedoch] nicht und macht die Vollstreckungsmaßnahme auch nicht nachträglich rechtmäßig“, so das Verwaltungsgericht.

 

Das Verwaltungsgericht gab meinem Antrag statt und bürdete der Gemeinde die Kosten des Verfahrens auf. Zwischenzeitlich kam die Gemeinde dem Gerichtsbeschluss nach und hob die Kontenpfändung auf.

Rico Deutschendorf | Rechtsanwalt und Fachanwalt für Steuerrecht

www.steueranwalt-leipzig.de

Kommentieren

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.