Grundstück zwei Tage zu früh veräußert: „Spekulationsgewinn“ nicht erklärt, Ermittlungsverfahren aber eingestellt

Kurioser Fall: Ein Mandant kaufte 2006 ein Grundstück. Dem Grundstückskauf lag ein notarielles Kaufangebot vom 15.03.2006 zugrunde, das am 23.03.2006 angenommen wurde. Im Jahr 2016 wollte der Mandant das Grundstück wieder verkaufen. Die 10jährige Haltefrist („Spekulationsfrist“) war ihm bekannt. Daher wollte er auf „Nummer Sicher“ gehen und fragte seinen Steuerberater, wann er denn das Grundstück frühestens verkaufen dürfe, damit der Verkauf steuerfrei sei. Der Steuerberater teilte meinem Mandanten mit, der 15.03.2006 sei maßgeblich für den Beginn der Haltefrist (Ablauf der Haltefrist also am 15.03.2016). Der Mandant veräußerte das Grundstück daraufhin am 22.03.2016.

Die Beratungsaussage des Steuerberaters war jedoch falsch. Nach der Rechtsprechung war das Kaufangebot vom 15.03.2006 noch keine „Anschaffung“ i. S. v. § 23 EStG. Die „Anschaffung“ kann vielmehr erst in der Annahme des Kaufangebots am 23.03.2006 gesehen werden. Also war der 23.03.2006 (und nicht der 15.03.2006) maßgeblich für den Beginn der Haltefrist. Die Haltefrist lief daher – entgegen der Aussage des Steuerberaters – erst am 23.03.2016 ab.

Durch den Grundstücksverkauf am 22.03.2016 wurde also die 10jährige Haltedauer nicht eingehalten. Das Grundstück wurde zwei (!) Tage zu früh veräußert. Das Grundstück hätte frühestens am 24.03.2016 verkauft werden dürfen, um die Haltefrist einzuhalten und das Grundstück steuerfrei veräußern zu können.

Das war das steuerrechtliche Vorspiel. Im Jahr 2019 leitete die Bußgeld- und Strafsachenstelle ein steuerstrafrechtliches Ermittlungsverfahren gegen meinen Mandanten ein. Vorwurf: Da das Grundstück innerhalb der 10jährigen Haltefrist verkauft wurde, sei dies ein steuerpflichtiges privates Veräußerungsgeschäft i. S. v. § 23 EStG. Der Veräußerungsgewinn (ca. 50.000 €) hätte in der Einkommensteuererklärung für 2016 angegeben werden müssen, was nicht geschehen sei.

Im Ermittlungsverfahren gelang es dann, darzulegen, dass mein Mandant auf die (falsche) Beratungsaussage seines Steuerberaters vertraut habe und vertrauen durfte. Das Ermittlungsverfahren wurde daraufhin gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt, da sich der Tatverdacht nicht bestätigt habe.

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