Rico Deutschendorf ▪ Rechtsanwalt | Fachanwalt für Steuerrecht | Steuerstrafverteidiger | Dozent ▪ Leipzig | Sachsen | bundesweit

Author: Rico Deutschendorf

  • Keine Akteneinsicht beim Finanzgericht aufgrund „Corona“?

    Ging dem Steuerstreit eine Betriebsprüfung oder – wie im Fall meines Mandanten, eine Umsatzsteuer-Sonderprüfung – voraus, dann gehören zu den Akten, die das Finanzamt dem Gericht vorlegen muss, auch die Prüferhandakten.

    Prüferhandakten fehlen

    In einem aktuellen Finanzgerichtsverfahren hatte ich Anfang März 2020  – also noch vor den „Corona“-Beschränkungen – Akteneinsicht beim Finanzgericht und dabei festgestellt, dass die Prüferhandakten fehlten, obwohl deren Vorlage beantragt war. Daher rügte ich die Unvollständigkeit der Akten und beantragte, das Finanzamt im Rahmen der Sachaufklärungspflicht aufzufordern, auch die vollständigen Handakten der Umsatzsteuer-Sonderprüfung (Prüferhandakten) vorzulegen bzw. diese beizuziehen, da diese zur sachgerechten Klagebegründung und Prozessführung benötigt würden.

    Keine Akteneinsicht aufgrund „Corona“

    Dem kam das Finanzgericht auch nach: Kürzlich erhielt ich die Mitteilung, dass die Prüferhandakte nunmehr bei Gericht vorliegen würde. Allerdings war die Mitteilung mit dem Hinweis des Berichterstatters verbunden, „mit Blick auf die Gefahrenlage aufgrund der Corona-Pandemie“ seien „nach derzeitigem Stand bis voraussichtlich 17.04.2020 Akteneinsichten beim Finanzgericht nicht möglich.“

    Da es aus heutiger Sicht eher wahrscheinlich ist, dass die Beschränkungen aufgrund der Corona-Pandemie über den 17.04.2020 hinaus verlängert werden und ich bis Anfang Mai 2020 die Klage begründen muss, beantragte ich, mir die Prüferhandakte (ausnahmsweise) in meine Kanzlei zu übersenden.

    „Sonderrecht“ bei der Akteneinsicht im Finanzgerichtsverfahren

    Mancher Leser wird sich jetzt fragen, wo dabei das Problem ist. Jedes andere Gericht (Straf-, Verwaltungsgericht) würde die Akten ohne weiteres in die Kanzlei des Bevollmächtigten übersenden.

    In der Finanzgerichtsbarkeit gilt aber ein „Sonderrecht“: Akteneinsicht wird nur gewährt beim Finanzgericht selbst oder in einer anderen öffentlichen Behörde, beispielsweise beim Amtsgericht oder im Finanzamt. Im Wesentlichen sind nur zwei Ausnahmen anerkannt: Erheblicher Aktenumfang (so dass der Bevollmächtigte mehrere Tage zum Aktenstudium bei Gericht zubringen müsste) oder eine körperliche Behinderung des Bevollmächtigten.

    Zum „Einsehen“ oder zum Mitnehmen?

    Die Entscheidung über die Art und Weise der Akteneinsicht ist eine Ermessensentscheidung. Aufgrund des Wortsinns („einsehen“) geht der Bundesfinanzhof (BFH) in ständiger Rechtsprechung (z. B. BFH, 14.01.2015, V B 146/14 m. w. N.) zu § 78 der Finanzgerichtsordnung (FGO) jedoch davon aus, dass die Einsichtnahme der Akten in der Finanzgerichts-Geschäftsstelle (bzw. bei einem nahe gelegenen Finanzamt oder sonstigen Gericht) der Regelfall und die Übersendung oder Mitgabe der Akten in die Kanzlei des Prozessbevollmächtigten die besonders zu begründende Ausnahme sei.

    Neuregelung der Akteneinsicht zum 01.01.2018

    Zum 01.01.2018 wurde § 78 FGO neu gefasst. Dabei ist Abs. 3 S. 1 neu eingefügt worden: Bei Papierakten, die auch in den kommenden Jahren noch der Regelfall sein dürften, „… wird Akteneinsicht durch Einsichtnahme … in Diensträumen gewährt.“ Streitig war nun, ob der Gesetzgeber damit die Übersendung (oder Mitgabe) der Akten an den Prozessbevollmächtigten ein für alle Mal ausgeschlossen habe. Falls das so zu verstehen ist, dann wäre aber auch in früher angenommenen Ausnahmefällen (insb. körperliche Behinderung des Bevollmächtigten oder extremer Aktenumfang) eine Aktenübersendung oder -mitgabe in die Kanzlei des Bevollmächtigten nicht mehr zulässig

    Der BFH (04.07.2019, VIII B 51/19) entschied, dass die Kanzleiräume des Bevollmächtigten jedenfalls keine „Diensträume“ i. S. v. § 78 Abs. 3 S. 1 FGO n. F. sind. Aber auch der Wortsinn von § 78 Abs. 3 FGO n. F. schließe die Mitgabe oder Übersendung der Akten in die Kanzleiräume von Prozessbevollmächtigten nicht ausnahmslos aus. Die Gewährung der Akteneinsicht durch Übersendung in die Kanzleiräume des Prozessbevollmächtigten sei in Ausnahmefällen (erheblicher Aktenumfang, Körperbehinderung) auch weiterhin möglich.

    „Corona“ als neuer Ausnahmefall

    Nach meiner Auffassung sind die Gefahren und Beschränkungen aufgrund der Corona-Pandemie ein (neuer) Ausnahmefall, der es gebietet, die Akten in die Kanzleiräume des Prozessbevollmächtigten zu übersenden. Einen Pandemie-Fall als Ausnahme gab es bisher noch nicht, also ist das rechtliches Neuland. Ich bin auf die Reaktion des Finanzgerichts gespannt.

  • Skript: „Einführung in die Steuerstrafverteidigung“

    Bedingt durch „Corona“ fallen derzeit reihenweise Präsenz-Seminare ins Wasser. Zum Teil stellen die Anbieter verstärkt auf Online-Seminare um.

    Begleitend zu meinen Vorträgen zum Steuerstrafrecht habe ich ein Skript zum Thema „Einführung in die Steuerstrafverteidigung“ erstellt, das ich fortlaufend aktualisiere. Hier können Sie kostenfrei eine Leseprobe mit Inhaltsverzeichnis herunterladen (Stand: 1/2020).

    Siehe auch: Skripten

  • Corona-Virus: Ausgangsbeschränkungen in Sachsen

    Das Sächsische Sozialministerium hat eine weitere Allgemeinverfügung erlassen, die am 23.03.2020, 0:00 Uhr, in Kraft getreten ist.

    Danach ist das Verlassen der häuslichen Unterkunft ohne triftigen Grund untersagt. Allerdings bestehen Ausnahmen, z. B. um beruflichen Tätigkeiten nachzugehen (Ziff. 2.2.). D. h., der Arbeitnehmer darf weiterhin zur Arbeit und der Unternehmer / Freiberufler weiterhin in sein Unternehmen.

    Ich bin trotz „Corona“ für Sie da. Sie erreichen mich telefonisch, per E-Mail und natürlich auch mit herkömmlicher Post.

    Mandatsgespräche „von Angesicht zu Angesicht“ finden bis auf Weiteres aber nicht statt. Die allermeisten Fälle und Anfragen lassen sich jedoch „aus der Distanz“ klären.

  • BMF-Schreiben: „Steuerliche Maßnahmen zur Berücksichtigung der Auswirkungen des Coronavirus“

    Das Bundesministerium der Finanzen hat vor dem Hintergrund der „Corona-Pandemie“ am 19.03.2020 ein Schreiben erlassen, wonach den wirtschaftlich „Geschädigten durch steuerliche Maßnahmen zur Vermeidung unbilliger Härten entgegenzukommen“ ist.

    Solche Maßnahmen sind insbesondere:

    • großzügiger Umgang mit Stundungsanträgen, wobei auf Stundungszinsen i. d. R. verzichtet werden kann
    • großzügiger Umgang mit Anträgen auf Anpassung der Einkommensteuer- und Körperschaftsteuervorauszahlungen
    • Absehen von Vollstreckungsmaßnahmen bis zum 31.12.2020
  • Stichwort: „Corona-Virus“ – Allgemeinverfügung vom 18.03.2020

    Das Sächsische Sozialministerium hat eine Allgemeinverfügung erlassen, die am 19.03.2020, 0:00 Uhr, in Kraft getreten ist. Danach sind grundsätzlich alle Geschäfte in Sachsen geschlossen. Ausnahmen gelten beispielsweise für den Lebensmittel-Einzelhandel, Apotheken, Tankstellen, Banken und Baumärkte. Auch Handwerker und Dienstleister dürfen ihrer Tätigkeit weiterhin nachgehen.

    Ich bin trotz „Corona“ für Sie da. Sie erreichen mich weiterhin telefonisch, per E-Mail und natürlich auch mit herkömmlicher Post. Mandatsgespräche „von Angesicht zu Angesicht“ finden bis auf Weiteres aber nicht statt. Die allermeisten Fälle und Anfragen lassen sich jedoch „aus der Distanz“ klären.

  • Keine Steuerberaterhaftung

    Hin und wieder hat auch der Steuerberater etwas dazu beigetragen, dass es zum Steuerstreit oder gar zu einem Steuerstrafverfahren gegen den Mandanten kommt. Dann stellt sich u. a. die Frage, ob der Steuerberater für daraus entstandene Schäden (z. B. Anwaltskosten für den Steuerstreit oder das Steuerstrafverfahren) haftet.

    Das sind Punkte, die ich mit meinen Mandanten im Rahmen eines Steuerstreit- oder steuerstrafrechtlichen Mandats selbstverständlich besprechen muss. Allerdings mache ich selbst keine Steuerberaterhaftung geltend und nehme auch keine neuen Mandate an, bei denen es speziell um Steuerberaterhaftung geht. Bei Bedarf empfehle ich aber gern geeignete Anwaltskollegen aus meinem Netzwerk.

  • Freispruch im Steuerstrafverfahren – Finanzamt hebt Haftungsbescheid auf

    Steuerstrafverfahren wegen (angeblicher) Scheinrechnungen

    Meinem Mandanten, Geschäftsführer einer GmbH, wurde im Steuerstrafverfahren vorgeworfen, zu Unrecht Vorsteuerbeträge in Höhe von ca. 620.000 € aus Scheinrechnungen geltend gemacht zu haben. Hintergrund waren Geschäfte über hochwertigen Metallschrott. Der Tatvorwurf hat sich jedoch nicht bestätigt. Am Ende wurde der Geschäftsführer rechtskräftig freigesprochen.

    Einspruch erfolgreich

    Im Steuerstrafverfahren wurde mein Mandant von einem Anwaltskollegen verteidigt. Parallel hatte das Finanzamt meinen Mandanten aber mittels Haftungsbescheid gemäß §§ 69, 34 AO in Anspruch genommen. Daher kam ich ins Spiel. Ich legte Einspruch gegen den Haftungsbescheid ein und beantragte die Aussetzung der Vollziehung, die auch gewährt wurde. Im Wesentlichen machte ich geltend, dass der Haftungstatbestand nicht erfüllt sei. Nachdem das Steuerstrafverfahren mit Freispruch endete, ließ sich das Finanzamt dazu bewegen, auch den Haftungsbescheid ersatzlos aufzuheben.

    Praxis-Tipp

    Denkbar wäre auch eine Haftungsinanspruchnahme nach § 71 AO (Steuerhinterziehung) gewesen. Allerdings setzt § 71 AO Vorsatz voraus, wovon offenbar noch nicht einmal das Finanzamt ausging. Für eine Haftung nach § 69 AO genügt dagegen grobe Fahrlässigkeit.

  • „Update Steuerstrafrecht“ – Skript zu meinen Vorträgen

    Begleitend zu meinen Vorträgen zum Steuerstrafrecht habe ich ein Skript zum Thema „Update Steuerstrafrecht“ erstellt, das ich fortlaufend aktualisiere. Hier können Sie kostenfrei eine Leseprobe mit Inhaltsverzeichnis herunterladen (Stand: 12/2019).

    Siehe auch: Skripten

    Wenn Sie das Skript erwerben möchten, senden Sie mir einfach eine E-Mail an info@steueranwalt-leipzig.de.

  • Zitat der Woche: Verlängerung der Festsetzungsfrist durch Bekanntgabe eines Steuerstrafverfahrens?

    Kürzlich stolperte ich über eine Aussage in einem Aufsatz von Hild, Das Vorliegen einer neuen Tatsache (§ 173 Abs. 1 Nr. 1 AO ) – Vorfrage in einem Steuerstrafverfahren (§ 173 Abs. 1 Nr. 1 AO), AO-StB 2019, 118. Dort heißt es:

    „Die alleinige Bekanntgabe des eingeleiteten Steuerstrafverfahrens bewirkt keine Berechtigung zur steuererhöhenden Änderung eines materiell bestandskräftigen Steuerbescheids. Dadurch wird nur die
    Steuerfestsetzungsfrist von vier auf zehn Jahre verlängert – nicht mehr (§ 169 Abs. 2 S. 2 AO ).“

    Das kann so nicht gemeint sein und wenn doch, dann ist die Aussage in dem zweiten Satz des Zitates falsch.

    Keineswegs wird die steuerliche Festsetzungsfrist (normalerweise 4 Jahre) auf 10 Jahre verlängert, wenn ein Steuerstrafverfahren bekannt gegeben wird. Wie sich unmittelbar aus § 169 Abs. 2 S. 2 AO ergibt, beträgt die Festsetzungsfrist „zehn Jahre, soweit eine Steuer hinterzogen … ist.“ D. h., es muss feststehen, dass eine Steuerhinterziehung vorliegt. Erst dann verlängert sich die Festsetzungsfrist. Und auch nur, „soweit“ eine Steuerhinterziehung vorliegt.

    Dem gegenüber reicht für die Einleitung (die Bekanntgabe spielt in diesem Zusammenhang m. E. überhaupt keine Rolle) eines steuerstrafrechtlichen Ermittlungsverfahrens ein bloßer Anfangsverdacht (= tatsächliche Anhaltspunkte für das Vorliegen einer Steuerstraftat) aus. Wenn sich der Anfangsverdacht im Laufe der Ermittlung nicht bestätigt, also strafprozessual keine Steuerhinterziehung vorliegt bzw. eine solche nicht nachweisbar ist, dann bleibt es im Normalfall auch steuerverfahrensrechtlich bei der Festsetzungsfrist von 4 Jahren.

    Zwar könnte die Veranlagung eine andere Auffassung („Steuerhinterziehung!“) vertreten als die BuStra („Keine Steuerhinterziehung!“). Oder die Frage, ob eine Steuerhinterziehung vorliegt, bleibt im Strafverfahren offen, weil das Ermittlungsverfahren gemäß § 153a StPO gegen Zahlung einer Geldauflage eingestellt wird. Aber trotzdem müsste die Veranlagung nachweisen, dass eine Steuerhinterziehung vorliegt. Erst dann beträgt die Festsetzungsfrist 10 Jahre.

  • „Einführung in die Steuerstrafverteidigung – Steuerhinterziehung, Steuerstrafverfahren und Selbstanzeige“ – Skript zu meinen Vorträgen

    Begleitend zu meinen Vorträgen zum Steuerstrafrecht habe ich ein Skript zum Thema „Einführung in die Steuerstrafverteidigung“ erstellt, das ich fortlaufend aktualisiere. Hier können Sie kostenfrei eine Leseprobe mit Inhaltsverzeichnis herunterladen (Stand: 1/2020).

    Siehe auch: Skripten

    Wenn Sie das Skript erwerben möchten, senden Sie mir einfach eine E-Mail an info@steueranwalt-leipzig.de.

  • Vorsatz bei Steuerhinterziehung: „Niemand hat die Absicht, Steuern zu hinterziehen“

    Immer wieder höre ich von Mandanten: „Ich hatte doch nie die Absicht, Steuern zu hinterziehen.“ Darauf kommt es aber nicht an. Steuerhinterziehung setzt zwar vorsätzliches Handeln voraus, eine echte Absicht im Sinne eines zielgerichteten Wollens ist aber nicht erforderlich. „Bedingter Vorsatz genügt“, wie der Jurist trocken sagt. Das bedeutet: Es reicht für Vorsatz aus, wenn Sie eine Steuerverkürzung nur für möglich halten und sich damit abfinden („na wenn schon“ oder „was soll’s“).

    Es gibt zwar auch Steuerordnungswidrigkeiten, etwa die leichtfertige Steuerverkürzung (§ 378 AO), die als „Auffangtatbestand“ fungiert, wenn Vorsatz nicht nachweisbar ist. Die Grenze zwischen bedingtem Vorsatz und Leichtfertigkeit ist leider eine „Grauzone.“ Steuerordnungswidrigkeiten haben in der Praxis aber nahezu keine Bedeutung. Die Ermittlungsbehörden (Bußgeld- und Strafsachenstelle des Finanzamtes bzw. Staatsanwaltschaft) gehen als „Arbeitshypothese“ fast immer von vorsätzlichem Handeln aus (also § 370 AO). Der Kampf um (besser: gegen) den Vorsatz ist daher meist ein „Kampf gegen Windmühlen.“

  • „Update Steuerstrafrecht“ – Vortrag in Köln

    Am 06.12.2019 hielt ich in Köln einen 7,5stündigen Vortrag zum Thema „Update Steuerstrafrecht“ für ARBER|seminare.

    Siehe auch: Übersicht zu meinen Vorträgen