Am 15.12.2023 hielt ich in Berlin einen 5stündigen Hybrid-Vortrag (Präsenz und Online) zum Thema „Update Steuerstrafrecht“ für das Deutsche Anwaltsinstitut.
Hier können Sie eine Übersicht zu meinen Vorträgen abrufen.
Steueranwalt Leipzig | Steuerstreit und Steuerstrafverteidigung
Rico Deutschendorf ▪ Rechtsanwalt | Fachanwalt für Steuerrecht | Steuerstrafverteidiger | Dozent ▪ Leipzig | Sachsen | bundesweit
Am 15.12.2023 hielt ich in Berlin einen 5stündigen Hybrid-Vortrag (Präsenz und Online) zum Thema „Update Steuerstrafrecht“ für das Deutsche Anwaltsinstitut.
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Ich verteidige derzeit einen Mandanten in einer Steuerstrafsache (Berufungsverfahren) vor der 11. Strafkammer (Wirtschaftsstrafkammer) des Landgerichts Leipzig.
Vom Amtsgericht Leipzig wurde mein Mandant (nur) wegen leichtfertiger Steuerverkürzung (§ 378 AO) schuldig gesprochen, obwohl die Anklage auf (vorsätzliche) Steuerhinterziehung (§ 370 AO) lautete. Daher legte die Staatsanwaltschaft Berufung ein.
Für meinen Mandanten legte ich ebenfalls Berufung ein, weil das Amtsgericht die Voraussetzungen einer bußgeldbefreienden Selbstanzeige (§ 378 Abs. 3 AO) festgestellt hatte und insoweit kein Schuldspruch hätte ergehen dürfen. Das Verfahren wäre vielmehr einzustellen gewesen, weil ein Verfahrenshindernis vorlag.
In drei von vier angesetzten Berufungshauptverhandlungsterminen war mein Mandant anwesend. Beim vierten Termin war er jedoch verhindert: Zu diesem Zeitpunkt befand er sich auf einer Kreuzfahrt, die er bereits Monate vor Einlegung der Berufung gebucht hatte. Dies hatte ich gegenüber dem Vorsitzenden im Rahmen der Terminsabstimmung für die Berufungshauptverhandlungen auch rechtzeitig kommuniziert. Gleichwohl nahm der Vorsitzende darauf keine Rücksicht und mein Antrag auf Terminsaufhebung bzw. -verschiebung wurde abgelehnt.
Am vierten Hauptverhandlungstag erschien ich pünktlich, vorbereitet und verhandlungsbereit. Zudem legte ich eine spezielle Vollmacht vor, die mich ausdrücklich ermächtigte, meinen Mandanten in der Berufungshauptverhandlung zu vertreten (vgl. § 329 StPO). Damit war nach meiner Auffassung die Fortsetzung und Beendigung der Hauptverhandlung auch ohne Anwesenheit meines Mandanten gesichert.
Der Vorsitzende der 11. Strafkammer sah das völlig anders. Er verkündete am 06.11.2023 zunächst einen Vorführungs- und dann einen Sitzungshaftbefehl. Hiergegen legte ich für meinen Mandanten Beschwerde ein und beantragte die Aussetzung der Vollziehung des Haftbefehls. Ich kündigte an, die Beschwerde „voraussichtlich spätestens am 09.11.2023“ zu begründen. Ohne meine Begründung abzuwarten, half der Vorsitzende meiner Beschwerde bereits am 08.11.2023 nicht ab und legte sie direkt dem zuständigen Oberlandesgericht Dresden vor.
Vor diesem Hintergrund lehnte ich den Vorsitzenden wegen Besorgnis der Befangenheit ab. Bei einem objektiven Angeklagten müsse das den Eindruck erwecken, der Vorsitzende habe sich bereits eine abschließende Auffassung darüber gebildet, dass die Beschwerde unbegründet sei, noch bevor die Beschwerde überhaupt – wie angekündigt – begründet wurde. Der Befangenheitsantrag wurde jedoch abgelehnt.
Die Beschwerdebegründung reichte ich wie angekündigt am 09.11.2023 ein.
Das Oberlandesgericht Dresden verwarf meine Beschwerde mit Beschluss vom 29.11.2023, 1 Ws 246/23. Darin wiederholte es im Wesentlichen nur die Argumentation des Vorsitzenden der 11. Strafkammer. Insbesondere mit der Frage der Verhältnismäßigkeit setzte sich das Oberlandesgericht nicht hinreichend auseinander. Meine dagegen erhobene Anhörungsrüge hatte ebenfalls keinen Erfolg.
Daher beantragte ich am 30.11.2023 beim Sächsischen Verfassungsgerichtshof den Erlass einer einstweiligen Anordnung mit dem Ziel, die Vollziehung des Sitzungshaftbefehls bis zur Entscheidung über eine noch einzulegende Verfassungsbeschwerde vorläufig auszusetzen.
Meinem Antrag wurde stattgegeben. Da meinem Mandanten am 04.12.2023 unmittelbar bei Rückkehr von der Kreuzfahrt die Verhaftung drohte, erließ der Verfassungsgerichtshof noch am 03.12.2023 (ein Sonntag!) unter dem Az. Vf. 101-IV-23 (e.A.) die beantragte einstweilige Anordnung und setzte den Haftbefehl vorläufig außer Vollzug. Zudem muss der Freistaat Sachsen meinem Mandanten die notwendigen Auslagen (Anwaltskosten) erstatten. Die einstweilige Anordnung gilt zunächst einen Monat.
Nachdem ich eine Reihe von Behörden über die einstweilige Anordnung informiert hatte, erhielt ich am 03.12.2023 gegen 21:00 Uhr die Bestätigung der Bundespolizei, dass der Haftbefehl nicht vollzugen werde. Buchstäblich in allerletzter Minute!
► SächsVerfGH, 03.12.2023, Vf. 101-IV-23 (e.A.)
Inzwischen hat der Verfassungsgerichtshof durch acht Richter die einstweilige Anordnung vom 03.12.2023 bestätigt, an der zunächst nur drei Berufsrichter mitgewirkt hatten („Notbesetzung“). Folge ist, dass die einstweilige Anordnung nunmehr eine Geltungsdauer von 6 Monaten hat.
► SächsVerfGH, 08.12.2023, Vf. 101-IV-23
Zwischenzeitlich gab der Sächsische Verfassungsgerichtshof mit Beschluss vom 25.04.2024 auch im Hauptsacheverfahren meiner Verfassungsbeschwerde gegen den Haftbefehl statt.
Am 24.11.2023 hielt ich einen 5stündigen Online-Vortrag zum Thema „Update Steuerstrafrecht“ für das Deutsche Anwaltsinstitut.
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Am 03.11.2023 hielt ich einen 5stündigen Online-Vortrag zum Thema „Update Steuerstrafrecht“ für das Deutsche Anwaltsinstitut.
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Eine „Praktikerlösung“, mit der man im Rahmen der Steuerstrafverteidigung immer wieder rechnen muss: Weil Gericht und/oder Staatsanwaltschaft (teilweise) „keine Lust“ haben, Beweis zu erheben oder über knifflige Rechtsfragen nachzudenken, kann das Gericht bei mehreren angeklagten Taten auf Antrag der Staatsanwaltschaft das Verfahren vorläufig (teilweise) einstellen (§ 154 Abs. 1, Abs. 2 StPO).
Aktueller Beispielsfall: Vor dem Amtsgericht verteidigte ich nach Einspruch gegen einen Strafbefehl einen Rechtsanwalt, dem die verspätete Abgabe der USt-Jahreserklärung 2018 und die verspätete Abgabe von fünf USt-Voranmeldungen für 2019 in eigener Sache vorgeworfen wurde.
Bei den verspäteten USt-Voranmeldung argumentierte ich, dass insoweit strafbefreiende Selbstanzeigen gemäß § 371 Abs. 2a AO vorlagen. Diese Vorschrift, die das Vollständigkeitsgebot des § 371 Abs. 1 AO durchbricht, wurde von der Staatsanwaltschaft und der BuStra bei Beantragung des Strafbefehls übersehen.
Streitig war sodann, ob bei Abgabe der Selbstanzeigen bereits der Sperrgrund des § 371 Abs. 2 S. 1 Nr. 1a AO vorlag, weil eine Umsatzsteuersonderprüfung angeordnet wurde. Problematisch war hier die Bekanntgabe der Prüfungsanordnung. Hierzu bot ich u. a. Zeugenbeweis an.
Auf meine Begründung des Einspruchs erwiderte die Staatsanwaltschaft immerhin:
„Hinsichtlich des weiteren Schriftsatzes des Verteidigers verfängt allenfalls der Hinweis auf die strafbefreiende Selbstanzeige …
Aber:
Im Übrigen wird darauf hingewiesen, dass aufgrund der marginalen Höhe des Steuerschadens hinsichtlich der Voranmeldungen auch eine Einstellung gemäß § 154 StPO in Betracht käme …“
So geschah es dann auch in der Hauptverhandlung: Bezogen auf die USt-Voranmeldungen wurde das Verfahren auf Antrag der Staatsanwaltschaft eingestellt.
Übrig blieb der Vorwurf der verspäteten Abgabe der USt-Jahreserklärung. Insoweit wurde der Einspruch zurück genommen. Realistischerweise war in diesem Punkt kein besseres Ergebnis zu erreichen.
Praxis-Tipp Gegen eine Einstellung nach § 154 StPO haben der Beschuldigte/Angeklagte oder die Verteidigung kein Rechtsmittel. Anders als bei § 153a StPO ist die Einstellung nicht von der Zustimmung des Beschuldigen/Angeklagten abhängig. |
Der BGH hat die Verurteilung von Alfons Schuhbeck wegen Steuerhinterziehung bestätigt (BGH, 13.06.2023, 1 StR 53/23).
In diesem Zusammenhang führte der BGH – im Einklang mit seiner bisherigen Rechtsprechung – aus, dass im Bereich der Ertragsteuern Tatvollendung schon mit Bekanntgabe des unrichtigen Feststellungsbescheides (Grundlagenbescheid) und nicht erst mit Bekanntgabe des unrichtigen Einkommensteuerbescheides (Folgebescheid) eintritt. Schon durch den unrichtigen Feststellungsbescheid werde ein nicht gerechtfertigter Steuervorteil i. S. v. § 370 Abs. 1 AO erlangt.
Am 26.05.2023 hielt ich einen 2,5stündigen Online-Vortrag „Update Steuerstrafrecht“ für das Deutsche Anwaltsinstitut.
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Unter bestimmten Voraussetzungen können Wiederverkäufer die Differenzbesteuerung gemäß § 25a UStG anwenden.
Dazu muss der Wiederverkäufer aber bestimmte Aufzeichnungspflichten erfüllen, die in § 25a Abs. 6 UStG geregelt sind. Beispielsweise ist der Einkaufspreis aufzuzeichnen.
In der Praxis werden diese Aufzeichnungspflichten nicht immer erfüllt. Jahre später wird dies dann beispielsweise von einer Umsatzsteuer-Sonderprüfung oder Fahndungsprüfung aufgedeckt. Fraglich ist dann, welche Konsequenzen bei Verstößen gegen die Aufzeichnungspflichten gemäß § 25a Abs. 6 UStG drohen.
In einem aktuellen Fall ist die Steuerfahndung der Meinung, bei einem Verstoß gegen die Aufzeichnungspflichten sei die Differenzbesteuerung im Ganzen zu versagen. Konsequenz: Alle Ausgangsumsätze des Wiederverkäufers würden dann voll der Umsatzsteuer (19 % unterliegen).
Das ist so nicht korrekt. Nach einer Entscheidung des BFH vom 12.05.2022, Az. V R 19/20, gehören die Aufzeichnungspflichten des § 25a Abs. 6 UStG nicht zu den materiellen Voraussetzungen der Differenzbesteuerung. Daher führt ein Verstoß gegen diese Aufzeichnungspflichten grundsätzlich auch nicht dazu, die Differenzbesteuerung zu versagen. Vielmehr ist dann (sachgerecht) zu schätzen (§ 162 AO).
Praxis-Tipp Eine Schätzung kommt nach den allgemeinen Grundsätzen nur in Betracht, wenn und soweit die Finanzbehörde die Besteuerungsgrundlagen nicht ermitteln oder berechnen kann (§ 162 Abs. 1 S. 1 AO). |
Nicht selten kommt es vor, dass das Finanzamt im laufenden Finanzgerichtsverfahren abhilft.
Aktueller Beispielsfall: Für eine Mandantin beantragte ich beim Finanzgericht die Aussetzung der Vollziehung (AdV) von Einkommensteuer-, Umsatzsteuer- und Gewerbesteuermessbetragsbescheiden. Nachdem ich den AdV-Antrag begründete, gewährte das Finanzamt von sich aus die AdV der Einkommensteuerbescheide.
Daraufhin erhielt ich folgende Aufforderung vom Finanzgericht:
„Teilen Sie bitte mit, ob Sie den Aussetzungsantrag bzgl. der Einkommensteuer … aufrechterhalten oder ggf. zurücknehmen.“
Beides ist eine böse (Kosten-)Falle: Hält man den Antrag vollumfänglich aufrecht, besteht aufgrund der teilweisen Abhilfe des Finanzamtes kein Rechtsschutzbedürfnis mehr für eine AdV der Einkommensteuerbescheide. Der Antrag wäre insoweit unzulässig und müsste in diesem Punkt kostenpflichtig abgewiesen werden (§ 135 Abs. 1 FGO).
Erklärt man die Rücknahme des Antrags (bezogen auf die Einkommensteuer), trägt der Antragsteller (= meine Mandantin) gemäß § 136 Abs. 2 FGO zwingend die Kosten des Verfahrens. Eine andere Kostenentscheidung ist nicht möglich.
Richtigerweise ist hier der Rechtsstreit in der Hauptsache (teilweise, nur bezogen auf die Einkommensteuer) für erledigt zu erklären. In diesem Fall muss das Gericht prüfen, wer den Rechtsstreit voraussichtlich verloren hätte. Diesem sind dann die Kosten aufzuerlegen. Im Fall einer Abhilfe – wie in meinem Beispielsfall – sind grundsätzlich dem Finanzamt die Kosten aufzuerlegen (§ 138 Abs. 1, Abs. 2 FGO).
Praxis-Tipp Vorsicht also vor einer unüberlegten Rücknahme eines AdV-Antrags oder einer Klage, wenn stattdessen eine Erledigungserklärung in Betracht kommt. Anderenfalls schneidet man der Mandantschaft einen Kostenerstattungsanspruch ab. Auch bei einer Kostenentscheidung gemäß § 138 Abs. 2 FGO darf berücksichtigt werden, dass Tatsachen oder Beweismittel verspätet vorgetragen wurden (§ 138 Abs. 2 S. 2 i. V. m. § 137 FGO). Im geschilderten Fall ist fraglich, ob das Finanzgericht mich bewusst „ins offene Messer laufen lassen“ wollte oder die Aufforderung zur Rücknahme einfach nur „schlampig“ formuliert war. |
Bevor das Finanzamt einen Haftungsbescheid erlässt, wird es den (potenziellen) Haftungsschuldner normalerweise anhören. Im Anhörungsschreiben legt das Finanzamt dar, dass ein bestimmter Haftungstatbestand erfüllt sei. Hierzu können dann Einwendungen vorgetragen werden.
Wenn man als Berater nach Prüfung erkennt, dass der Haftungstatbestand nicht vorliegt oder beispielsweise Festsetzungsverjährung eingetreten ist, bietet es sich an, das vorzutragen.
In einem aktuellen Fall erhielt meine Mandantin Ende 2022 ein Anhörungsschreiben des Finanzamtes, wonach beabsichtigt sei, sie als ehemalige Geschäftsführerin einer GmbH für die Steuerschulden einer GmbH & Co. KG, deren Komplementärin die GmbH war, in Haftung zu nehmen.
Bei den Steuerschulden handelte es sich um Umsatzsteuer 2013 und 2014 zzgl. Säumniszuschläge (insgesamt ca. 42.000,00 €). Dabei ging das Finanzamt von einem Haftungszeitraum vom 22.08.2019 bis 02.11.2022 aus.
Nach Prüfung des Sachverhalts wurde festgestellt, dass die Vertretungsbefugnis schon vor Beginn des Haftungszeitraums erloschen war, denn meine Mandantin wurde bereits Ende 2018 als Geschäftsführerin abberufen. Das trug ich dem Finanzamt vor.
Daraufhin entschuldigte sich das Finanzamt – man sei von einem falschen Haftungszeitraum ausgegangen. „Der Beginn des Haftungszeitraums“ sei vielmehr „auf den 31.01.2015 zu datieren.“ An einer Haftungsinanspruchnahme hielt das Finanzamt fest.
Ich erwiderte gegenüber dem Finanzamt, wenn nunmehr auf (angebliche) Pflichtverletzungen in den Jahren 2014, 2015 oder 2016 abgestellt werde, dann sei jedenfalls Festsetzungsverjährung eingetreten (§ 191 Abs. 3 S. 2 und S. 4 i. V. m. § 171 Abs. 10 AO). Die zweijährige Umsetzungsfrist aus § 171 Abs. 10 AO sei schon abgelaufen. Ich bat daher nochmals um schriftliche Bestätigung, dass von einer Haftungsinanspruchnahme meiner Mandantin abgesehen werde.
Dem kam das Finanzamt jetzt nach. Es teilte schriftlich mit, dass
„von einer Haftungsinanspruchnahme bzgl. der Steuerschulden der o. g. Gesellschaft … abgesehen“
wird.
Praxis-Tipp Wermutstropfen: Leider muss das Finanzamt die Beraterkosten für das Haftungsprüfungsverfahren nicht erstatten. Die Beraterkosten sind aber grundsätzlich (nachträgliche) Werbungskosten bei den Einkünften als Geschäftsführerin. Maßgeblich ist das Abflussprinzip. |
In einem Beitrag aus März 2021 berichtete ich über die Einstellung eines Steuerstrafverfahrens, in dem es um den Vorwurf fingierter Beraterverträge und damit zusammenhängender verdeckter Gewinnausschüttungen ging.
Parallel zum Steuerstrafverfahren erließ das Finanzamt geänderte Körperschaftsteuer- und Gewerbesteuerbescheide gegenüber der GmbH und rechnete darin verdeckte Gewinnausschüttungen hinzu. Bemessungsgrundlage waren die an einen Berater der GmbH gezahlten Honorare, die das Finanzamt anzweifelte.
Dagegen legte ich für die GmbH Einspruch ein. Nach abgeschlossenem Einspruchsverfahren erhob ich Klage zum Finanzgericht. In einem Erörterungstermin wies die Finanzrichterin darauf hin, dass die vom Finanzamt behaupteten, aber nicht nachgewiesenen Rückflüsse der Beraterhonorare an meinen Mandanten ein Problem für das Finanzamt sei. Nach ihrer vorläufigen Auffassung sei keine verdeckte Gewinnausschüttung nachgewiesen, zumindest nicht auf Ebene des Gesellschafters.
Letztendlich könne aber offen bleiben, ob es sich bei den Beraterhonoraren um verdeckte Gewinnausschüttungen handele oder nicht. Jedenfalls sei die betriebliche Veranlassung der gezahlten Honorare nicht hinreichend dokumentiert und nachgewiesen, so dass insoweit kein Betriebsausgabenabzug in Betracht komme. Die Klage habe daher schon aus diesem Grund keinen Erfolg. Daher nahm ich die Klage im Erörterungstermin zurück.
Dass die Klage betreffend die GmbH „so oder so“ keinen Erfolg haben würde, war vorhersehbar und mit dem Mandanten abgestimmt. Gleichwohl war die Klage erforderlich, um ein „Signal“ des Finanzgerichts zur Frage der verdeckten Gewinnausschüttung zu erhalten. Dieses „Signal“ war enorm wichtig für das Besteuerungsverfahren beim Gesellschafter (meinem Mandanten).
Neben den Änderungsbescheiden gegenüber der GmbH hatte das Finanzamt auch geänderte Einkommensteuerbescheide gegenüber meinem Mandanten (GmbH-Gesellschafter) erlassen. Darin waren die vermeintlichen verdeckten Gewinnausschüttungen bei ihm als Einkünfte aus Kapitalvermögen angesetzt.
Auch dagegen wurde Einspruch eingelegt. Beim Finanzamt regte ich im Dezember 2021 mit Verweis auf den Erörterungstermin an, dem Einspruch abzuhelfen und es nicht auf ein weiteres Finanzgerichtsverfahren ankommen zu lassen.
Dem kam das Finanzamt jetzt (April 2023) nach: Es hielt an den verdeckten Gewinnausschüttungen nicht mehr fest, erließ neue Einkommensteuerbescheide und erstattete die bereits gezahlten Steuerbeträge an meinen Mandanten zurück – ein verspätetes Oster-„Geschenk“ in Höhe von ca. 150.000 € (einschließlich Zinsen).
Auch wenn man Einspruch gegen einen Steuerbescheid einlegt, wird die Steuer fällig und kann vollstreckt werden. Das kann nur durch einen (erfolgreichen) Antrag auf Aussetzung der Vollziehung (AdV) verhindert werden. Dadurch ist es dem Finanzamt – vorläufig – verwehrt, die Steuern geltend zu machen oder zu vollstrecken.
Haben später der Einspruch oder eine Klage zum Finanzgericht ganz oder teilweise keinen Erfolg, z. B. nach rechtskräftiger Abweisung der Klage vor dem Finanzgericht, dann stellt sich die Frage, ob man dem Finanzamt für die Dauer der Aussetzung Zinsen zahlen muss.
Diese Frage beantwortet § 237 AO. Nach dieser Vorschrift fallen Zinsen (AdV-Zinsen) auf den ausgesetzten Steuerbetrag an (6 % pro Jahr, § 238 Abs. 1 AO). Nur für Nachzahlungs- und Erstattungszinsen (§ 233a AO) gilt gemäß § 238 Abs. 1a AO ein besonderer Zinssatz von 1,8 % pro Jahr.
In seiner Zinsentscheidung vom 08.07.2021 lehnte das BVerfG eine Erstreckung der Unvereinbarkeitserklärung auf AdV-Zinsen ab.
In einer Entscheidung vom 08.03.2023 verneinte das Finanzgericht Münster, Az. 6 K 2094/22 E, ebenfalls verfassungsrechtliche Bedenken an der Höhe der AdV-Zinsen. Das Finanzgericht ließ die Revision zum BFH zu, die auch eingelegt wurde (Az. EIN 298/23).
Praxis-Tipp AdV-Zinsen werden durch einen Zinsbescheid festgesetzt. Dagegen sollte Einspruch eingelegt und unter Verweis auf das beim BFH anhängige Revisionsverfahren das Ruhen des Verfahrens beantragt werden. |