Rico Deutschendorf ▪ Rechtsanwalt | Fachanwalt für Steuerrecht | Steuerstrafverteidiger | Dozent ▪ Leipzig | Sachsen | bundesweit

Tag: Steuerhinterziehung

  • „Zufallsfund“ bei Akteneinsicht am Finanzgericht: Steuerstrafverfahren längst eingestellt

    Im Finanzgerichtsverfahren ergibt sich aus § 78 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ein Anspruch auf Akteneinsicht. Häufig hat man als Steuerpflichtiger oder Berater auch erstmals vor dem Finanzgericht die Möglichkeit, die Akten des Finanzamtes einzusehen. Im Besteuerungsverfahren vor dem Finanzamt gibt es grundsätzlich kein Recht auf Akteneinsicht.

    Im Normalfall sollte man das Recht auf Akteneinsicht auch nutzen. Eine Klage- oder Antragsbegründung ohne vorherige Akteneinsicht ist mindestens fahrlässig.

    Bei der Akteneinsicht erlebe ich immer wieder Überraschungen, wie der folgende Fall zeigt:

    Angebliche Provisionszahlungen

    Aufgrund von Kontrollmitteilungen wirft das Finanzamt meinem Mandanten vor, er habe in den Jahren 2014 und 2015 Provisionen für die Vermittlung von Aufträgen erhalten. Diese Provisionen habe er nicht versteuert. Mein Mandant bestreitet den Erhalt der Provisionen.

    Mein Mandant erhielt geänderte Einkommensteuerbescheide mit Steuernachforderungen, gegen die ich für meinen Mandanten das Einspruchsverfahren führte. Parallel wurde gegen meinen Mandanten im Jahr 2021 ein steuerstrafrechtliches Ermittlungsverfahren eingeleitet und bekannt gegeben.

    „Zufallsfund“: Einstellung des Steuerstrafverfahrens

    Anfang 2025 kam die Einspruchsentscheidung des Finanzamtes und daraufhin erhob ich für meinen Mandanten Klage beim Finanzgericht. Im Rahmen der Akteneinsicht Anfang Juni 2025 machte ich eine überraschende Entdeckung: In der Einkommensteuerakte des Finanzamtes fand ich die Kopie eines Schreibens der Bußgeld- und Strafsachenstelle (BuStra) aus Dezember 2022 (!). Darin heißt es, dass das Ermittlungsverfahren gegen meinen Mandanten gemäß § 170 Abs. 2 StPO – also mangels hinreichenden Tatverdachts – eingestellt wurde.

    Erstaunlich: Weder mein Mandant noch ich hatten das besagte Schreiben erhalten. Vielmehr gingen wir bis jetzt davon aus, dass das Ermittlungsverfahren noch läuft. Es wird sich noch zeigen, ob und wie das Schreiben der BuStra auch für die Klagebegründung fruchtbar gemacht werden kann.

    Fazit und Praxis-Tipp

    Akteneinsicht beim Finanzgericht lohnt sich (fast) immer.

    Eine lange Verfahrensdauer ist in Steuerstrafsachen nicht ungewöhnlich. Eine (über-)lange Verfahrensdauer und auch der bloße Zeitablauf wirken sich strafmildernd aus. Daher ist es in vielen Fällen sinnvoll, das Ermittlungsverfahren „auszusitzen“, auch wenn der Mandant das Verfahren verständlicherweise möglichst schnell vom Tisch haben möchte.

  • Umsatzsteuer: Steuerhinterziehung bei Sollversteuerung

    Die Unterscheidung zwischen Sollversteuerung und Istversteuerung bei der Umsatzsteuer ist vor allem für die Liquiditätsplanung von Unternehmen von zentraler Bedeutung. Bei der Sollversteuerung bestehen manchmal Fehlvorstellungen über den Zeitpunkt, zu dem die Umsatzsteuer erklärt und an das Finanzamt abgeführt werden muss.

    Manchmal wird auch versucht, die Entstehung der Umsatzsteuer vorbei am Gesetz zu „gestalten“ – mit gravierenden steuerstrafrechtlichen Konsequenzen.

    Beispiel

    G ist Geschäftsführer einer Garten- und Landschaftsbau GmbH (Sollversteuerung, Pflicht zur monatlichen Abgabe der Umsatzsteuer-Voranmeldungen, keine Dauerfristverlängerung). Im Oktober 2024 (Fertigstellung) plastert er den Hof eines Kunden. Die Rechnung erstellt er im Januar 2025 und der Kunde bezahlt im Februar 2025.

    G erklärt die Umsatzsteuer aus diesem Projekt in der Umsatzsteuer-Voranmeldung der GmbH für

    a) Oktober 2024,
    b) Januar 2025 oder
    c) Februar 2025.

    Was ist richtig?

    Unterschied zwischen Soll- und Istversteuerung

    Sollversteuerung (Versteuerung nach vereinbarten Entgelten, § 16 Abs. 1 S. 1 UStG) ist der Regelfall im Umsatzsteuerrecht. Hier entsteht die Umsatzsteuer mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums, in dem die Leistung ausgeführt wurde (§ 13 Abs. 1 Nr. 1 a UStG). Maßgeblich ist also allein die (vollständige) Erbringung der Leistung. Unabhängig davon, wann eine Rechnung darüber erstellt wird und wann der Leistungsempfänger tatsächlich zahlt. Die Umsatzsteuer muss daher regelmäßig aus eigenen Mitteln des Unternehmers vorfinanziert werden.

    Bei der Istversteuerung (Versteuerung nach vereinnahmten Entgelten, § 20 UStG) entsteht die Umsatzsteuer dagegen (erst) mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums, in dem die Entgelte vereinnahmt worden sind (§ 13 Abs. 1 Nr. 1 b UStG), wenn das Geld also tatsächlich beim Unternehmer eingeht.

    Richtigerweise gehört der Umsatz im Beispielsfall in die Umsatzsteuer-Voranmeldung für Oktober 2024 (Variante a). Bis zum 11.11.2024 (der 10.11.2024 war ein Sonntag, so dass der nächstfolgende Werktag maßgeblich ist, § 108 Abs. 3 AO) hätte der Umsatz gegenüber dem Finanzamt erklärt und die Umsatzsteuer abgeführt werden müssen. Fehlt in der Umsatzsteuer-Voranmeldung für Oktober 2024 dieser Umsatz, dann ist die Voranmeldung unrichtig bzw. unvollständig.

    Steuerstrafrechtliche Relevanz

    Wer als Sollversteuerer die Umsatzsteuer erst bei Zahlungseingang erklärt, riskiert – neben steuerrechtlichen Problemen wie Verspätungs- und Säumniszuschlägen – erhebliche steuerstrafrechtliche Konsequenzen.

    Konkretisierung des Beispiels

    Die GmbH ist im November 2024 finanziell „klamm.“ Daher beschließt G, die Rechnung bewusst erst im Januar 2025 zu stellen, damit seine Umsatzsteuer-Zahllast für Oktober 2024 nicht so hoch ist. Nachdem der Kunde im Februar 2025 gezahlt hat, erklärt G den Umsatz in der Umsatzsteuervoranmeldung für Februar 2025 und führt die Umsatzsteuer an das Finanzamt ab.

    Die Abgabe einer unrichtigen bzw. unvollständigen – auch einer verspäteten – Umsatzsteuer-Voranmeldung erfüllt den objektiven Tatbestand einer Steuerhinterziehung (§ 370 Abs. 1 Nr. 1 AO).

    Steuerhinterziehung setzt weiterhin voraus, dass im Zeitpunkt der Tat vorsätzlich gehandelt wurde. Vorsatz erfordert, dass der Handelnde den (höheren) Steueranspruch dem Grunde und der Höhe nach kennt oder zumindest für möglich hält und ihn – den Steueranspruch – auch verkürzen will bzw. sich mit der Verkürzung abfindet (so genannte Steueranspruchstheorie). Das erfordert auch lediglich eine „Parallelwertung in der Laiensphäre.“

    G hat nach diesem Maßstab vorsätzlich gehandelt. Vorsicht: Wenn sich G damit verteidigt, er habe die Rechnung bewusst „verschoben“, weil ein Liquiditätsproblem bestand, dokumentiert er damit noch seinen Vorsatz. Allerdings könnte ihm dann das Liquiditätsproblem strafmildernd angerechnet werden. Unter Umständen kann die „Nacherklärung“ auch als strafbefreiende Selbstanzeige (§ 371 Abs. 2a AO) gewertet werden.
    Fazit und Praxis-Tipp

    Bei der Sollversteuerung ist die Umsatzsteuer zu erklären und fällig, wenn die Leistung erbracht wurde. Die Umsatzsteuer darf nicht erst bei Zahlungseingang erklärt werden. Wer dies dennoch bewusst tut, riskiert steuerstrafrechliche Ermittlungen und Sanktionen.

    In der Praxis wird Vorsatz von den Strafverfolgungsbehörden regelmäßig unterstellt. Dann ist es Aufgabe der Verteidigung, dagegen anzukämpfen, wenn das ein realistisches Ziel ist. Die Grenzen zur leichtfertigen Steuerverkürzung (§ 378 AO) sind fließend. Oft werden Vorsatzprobleme in der Praxis durch Einstellung des Ermittlungsverfahrens gegen Zahlung einer Geldauflage (§ 153a StPO) gelöst. Das ist nicht immer die „saubere“ Lösung, aber wirtschaftlich meistens sinnvoll.

  • Sind die Kosten der Steuerstrafverteidigung steuerlich abziehbar?

    Kosten für die Steuerstrafverteidigung können erheblich sein. Häufig werde ich gefragt, ob die Kosten wenigstens steuerlich geltend gemacht werden können.

    In einer Entscheidung vom 31.03.2022, Az. VI B 88/21, hat sich der Bundesfinanzhof (BFH) mit dieser Frage auseinandergesetzt. Dieser Beitrag gibt einen Überblick über die Voraussetzungen für den Abzug von Strafverteidigungskosten als Betriebsausgaben oder Werbungskosten.

    Sachverhalt: Lohnsteuerhinterziehung durch faktischen GmbH-Geschäftsführer

    Im konkreten Fall ging es um einen faktischen Geschäftsführer einer GmbH, dem Lohnsteuerhinterziehung und das Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt vorgeworfen wurde. Das Finanzamt wollte die Kosten für seine Strafverteidigung nicht als Werbungskosten anerkennen.

    Der BFH bestätigte jedoch, dass Strafverteidigungskosten grundsätzlich abzugsfähig sein können, wenn ein hinreichender Zusammenhang zur beruflichen Tätigkeit besteht.

    Werbungskosten- oder Betriebsausgabenabzug

    Werbungskosten sind – über den Wortlaut des § 9 Abs. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) hinaus – alle Aufwendungen, die durch die Erzielung von steuerpflichtigen Einnahmen veranlasst sind. Betriebsausgaben sind Aufwendungen, die durch den Betrieb veranlasst sind (§ 4 Abs. 4 EStG).

    Nach der Rechtsprechung des BFH können auch strafbare Handlungen, die im Zusammenhang mit einer beruflichen oder betrieblichen Tätigkeit stehen, Erwerbsaufwendungen begründen.

    Eckpunkte der Entscheidung

    Der BFH hat im Wesentlichen seine bisherige Rechtsprechung mit folgenden Eckpunkten bestätigt:

    • Beruflicher oder betrieblicher Anlass erforderlich: Strafverteidigungskosten sind abzugsfähig, wenn der strafrechtliche Vorwurf durch das berufliche oder betriebliche Verhalten des Steuerpflichtigen veranlasst ist.
    • Konkrete Tat maßgeblich: Es kommt auf die konkrete Tat (Tatvorwurf) an, aufgrund derer die Kosten entstanden sind.
    • Keine private Überlagerung: Wenn private Motive (z. B. persönliche Bereicherung) im Vordergrund stehen, kann der berufliche Anlass in den Hintergrund treten und den Abzug verhindern.

    Wann liegt ein beruflicher oder betrieblicher Anlass vor?

    Ein beruflicher oder betrieblicher Anlass liegt vor, wenn die dem Steuerpflichtigen zur Last gelegte Tat in Ausübung der beruflichen oder betrieblichen Tätigkeit begangen wurde. Dies kann beispielsweise der Fall sein bei Verstößen gegen steuerliche Pflichten im Rahmen der Unternehmensführung, konkret die Nichtabgabe oder unrichtige bzw. unvollständige Abgabe von Lohnsteueranmeldungen durch den Arbeitgeber.

    Wann überwiegen private Motive?

    Private Motive überwiegen, wenn die strafbaren Handlungen mit der Erwerbstätigkeit des Steuerpflichtigen nur insoweit im Zusammenhang stehen, als diese nur eine Gelegenheit zu einer Straftat verschafft. Eine erwerbsbezogene Veranlassung wird insbesondere aufgehoben, wenn der Steuerpflichtige seinen Arbeitgeber bewusst schädigen wollte oder sich oder einen Dritten durch die schädigende Handlung bereichert hat.

    Eine Bereicherung durch die Steuerhinterziehung ist in der Praxis häufiger anzutreffen, so dass in diesem Fall eine Geltendmachung als Werbungskosten oder Betriebsausgaben grundsätzlich ausscheidet.

    Checkliste

    • Strafrechtlicher Vorwurf: Welcher konkrete strafrechtliche Vorwurf wird Ihnen gemacht?
    • Beruflicher ober betrieblicher Zusammenhang: Steht der Vorwurf im direkten Zusammenhang mit Ihrer beruflichen oder betrieblichen Tätigkeit?
    • Ausübung der Tätigkeit: Wurde die Tat in Ausübung Ihrer beruflichen oder betrieblichen Tätigkeit begangen?
    • Private Motive: Überwiegen private Motive (z.B. persönliche Bereicherung) oder steht der berufliche Anlass im Vordergrund?
    • Dokumentation: Können Sie den Zusammenhang zwischen dem Vorwurf und Ihrer beruflichen bzw. betrieblichen Tätigkeit nachweisen?
  • „Cum-Ex“-Schlüsselfigur: BGH bestätigt Verurteilung von Hanno Berger

    Der Bundesgerichtshof (BGH) verwarf mit Beschluss vom 29.10.2024 (Aktenzeichen: 1 StR 58/24) die Revision gegen das zugrundeliegende Urteil des Landgerichts Wiesbaden vom 30.05.2023 (Aktenzeichen: 6 KLs – 1111 Js 18753/21) als unbegründet. Dieses hatte den Angeklagten, bei dem es sich um einen „zugelassenen, derzeit inhaftierten Rechtsanwalt“ handelt, wegen Steuerhinterziehung in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren und drei Monaten verurteilt.

    Formmangel im Zusammenhang mit beA-Übermittlung problematisiert

    Der BGH problematisierte zunächst einen möglichen Verstoß gegen § 32d StPO. Nach dieser Vorschrift sollen Verteidiger und Rechtsanwälte den Strafverfolgungsbehörden und Gerichten Schriftsätze und deren Anlagen sowie schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen als elektronisches Dokument übermitteln. Die Berufung und ihre Begründung, die Revision, ihre Begründung und die Gegenerklärung sowie die Privatklage und die Anschlusserklärung bei der Nebenklage müssen sie als elektronisches Dokument übermitteln.

    Der Angeklagte – zugelassener Rechtsanwalt – hatte selbst eine Gegenerklärung abgegeben. Diese Gegenerklärung wurde durch einen allein „in der Strafvollstreckung“ mandatierten Verteidiger über dessen (des Verteidigers) besonderes elektronisches Anwaltspostfach (beA) an den BGH „zur weiteren Bearbeitung“ übersandt.

    Der BGH ließ offen, ob das den Wirksamkeitserfordernissen des § 32d StPO genügt, weil dies nicht entscheidungserheblich war.

    Praxis-Tipp

    Die elektronische Übermittlung insb. der Revisionsschrift, der Begründungsschrift und der Gegenerklärung (§ 32d S. 2 StPO) ist Wirksamkeitsvoraussetzung. Der Verteidiger muss erkennbar selbst die volle Verantwortung für den Inhalt dieser Schriftsätze übernehmen. Das bloße Weiterleiten von Erklärungen des Angeklagten genügt nicht. Auch an der Mandatierung des Verteidigers für die Revision bestehen Zweifel, weil sich die Mandatierung – warum auch immer – nur auf die Strafvollstreckung bezog.

    Unzulässige Vorbefassung nicht hinreichend dargelegt

    Mit der vom Angeklagten vorgebrachten Rüge einer unzulässigen Vorbefassung des Landgerichts (Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK) hat sich der BGH inhaltlich nicht befasst. Eine Verfahrensrüge dieser Stoßrichtung sei nicht innerhalb der Revisionsbegründungsfrist des § 345 Abs. 1 StPO erhoben worden.

    Entgegen der Ansicht des Angeklagten resultiere allein aus einer die Besorgnis der Befangenheit begründenden Vorbefassung eines Richters auch kein von Amts wegen zu prüfendes Verfahrenshindernis. Nicht jede (behauptete) Verletzung einer der Garantien des Art. 6 EMRK begründe einen derart schwerwiegenden Verfahrensfehler, der es rechtfertigen würde, das Strafverfahren ohne abschließende Sachentscheidung einzustellen.

    Im Übrigen seien bei Besorgnis der Befangenheit eines Berufsrichters die hierfür eröffneten Ablehnungs- und Rügemöglichkeiten gemäß §§ 24 ff., 338 Nr. 3 StPO auch vorrangig auszuschöpfen.

    Schuld- und Strafausspruch bestätigt – Einzelfragen zu „Cum-Ex“

    Der Schuld- und der Strafausspruch wurde vom BGH bestätigt. Der BGH weist darauf hin, dass im Veranlagungszeitraum 2006 Dividendenkompensationszahlungen nicht der Kapitalertragsteuer unterlagen. Beim Erwerb von Aktien im Wege eines Cum-Ex-Geschäfts wäre Kapitalertragsteuer beim Erwerber daher nur dann anzurechnen, wenn ihm die Abführung der Kapitalertragsteuer auf die originäre Dividende zuzurechnen wäre, weil er schon durch den Abschluss des schuldrechtlichen Vertrags wirtschaftlicher Eigentümer der Aktie wurde. Dies war
    aber beim Erwerb vom Leerverkäufer im Veranlagungszeitraum 2006 ebenso wenig der Fall wie in späteren Veranlagungszeiträumen.

    Die Finanzbehörden hätten auch nicht schon aufgrund einer schlichten Bezugnahme auf § 20 Abs. 1
    Nr. 1 Satz 4 EStG bei Abgabe der Körperschaftsteuererklärung erkennen müssen, dass keine Kapitalertragsteuer hätte angerechnet oder erstattet werden dürfen. Hierbei handele es sich aber auch um urteilsfremdes Vorbringen, denn hierzu habe das Landgericht nichts festgestellt.

    Praxis-Tipp

    Das Revisionsverfahren dient allein der rechtlichen Überprüfung. Dabei ist das Revisionsgericht an den von der Tatsacheninstanz festgestellten Sachverhalt gebunden. Mit neuen Sachverhalt („urteilsfremdes Vorbringen“) wird man nicht gehört.

    Revisionsverfahren gegen Einziehungsentscheidung abgetrennt

    Darüber hinaus hatte das Landgericht die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 1.084.500 € angeordnet. Die Entscheidung über die auch dagegen gerichtete Revision stellte der BGH jedoch zurück, weil sich anderenfalls die Entscheidung über die anderen Rechtsfolgen der Tat (Strafausspruch) unangemessen verzögern würde. In diesem Fall ist eine Abtrennung des Verfahrens über die Einziehung möglich (§ 422 StPO).

  • Hinterziehungszinsen: Finanzamt berechnet Zinslauf falsch

    Wenn Steuern hinterzogen wurden, sind diese zu verzinsen (§ 235 Abs. 1 S. 1 AO). Immer wieder habe ich Bescheide über Hinterziehungszinsen auf dem Tisch, in denen der Zinslauf vom Finanzamt falsch berechnet wurde.

    Anhand des folgenden Beispiels möchte ich die Problematik veranschaulichen:

    Beispiel

    Unternehmer U, der keinen Steuerberater hat, gab pflichtwidrig seine Umsatzsteuer-Jahreserklärung für 2017 nicht ab. Nach Einleitung eines Steuerstrafverfahrens und Erlass eines Nachforderungsbescheides zahlt U die hinterzogene Umsatzsteuer 2017 am 15.12.2024 nach.

    Beginn des Zinslaufs: Eintritt der Steuerverkürzung

    Der Zinslauf beginnt gemäß § 235 Abs. 2 S. 1, 1. HS AO grundsätzlich „mit dem Eintritt der Verkürzung“ (Steuerverkürzung). Bei Anmeldungssteuern (wie hier die Umsatzsteuer) ist die Steuer im Fall des pflichtwidrigen Unterlassens (§ 370 Abs. 1 Nr. 2 AO) mit Ablauf der Anmeldungsfrist verkürzt.

    Anmeldungsfrist für die Umsatzsteuer 2017 war bei steuerlich nicht vertretenen Steuerpflichtigen der Ablauf des 31.05.2018.

    Häufig liest man dann im Zinsbescheid des Finanzamtes:

    „Beginn des Zinslaufes: 31.05.2018“

    Ausnahme: Spätere Fälligkeit

    Das ist jedoch falsch, denn dabei wurde die (Be-)Rechnung ohne § 235 Abs. 2 S. 2, 2. HS und S. 2 AO gemacht („… es sei denn, dass die hinterzogenen Beträge ohne die Steuerhinterziehung erst später fällig geworden wären. In diesem Fall ist der spätere Zeitpunkt maßgebend.“).

    Hier greift die Ausnahme: Gemäß § 18 Abs. 4 S. 1 UStG wird nach Abgabe einer Umsatzsteuer-Jahreserklärung (Jahresanmeldung) ein Unterschiedsbetrag zugunsten des Finanzamtes erst einen Monat nach Eingang der Jahresanmeldung fällig.

    Unterstellt man, dass die Umsatzsteuer-Jahreserklärung für 2017 am letzten Tag der Anmeldungsfrist (31.05.2018) abgegeben worden wäre – was zulässig ist -, dann wäre die USt-Nachzahlung (erst) mit Ablauf des 30.06.2018 fällig gewesen. Der Zinslauf beginnt daher erst mit Ablauf des 30.06.2018.

    Da der 30.06.2018 ein Sonnabend war, verschiebt sich die Fälligkeit gemäß § 108 Abs. 3 AO auf den nächstfolgenden Werktag (hier: 02.07.2018).
    Praxis-Tipp

    Es lohnt sich, den Beginn des Zinslaufs nachzuprüfen. Je nachdem, wie hoch der zu verzinsende Betrag bzw. die verkürzten Steuern sind, kann der Fehler des Finanzamtes dem Mandanten sonst hunderte bis tausende Euro zusätzlich kosten. Ist der Zinslauf falsch berechnet, sollte Einspruch eingelegt und Aussetzung der Vollziehung beantrag werden. – Bei der Einkommensteuer enthält § 36 Abs. 4 EStG eine Regelung zur Fälligkeit.

  • Steuerhinterziehung steht Erlass von Steuerforderungen nicht grundsätzlich entgegen

    Das Finanzamt kann Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis (z. B. Steuerforderungen, Zinsen, Säumniszuschläge) ganz oder zum Teil erlassen, wenn deren Einziehung nach Lage des einzelnen Falls unbillig wäre (§ 227 AO). Ein Erlass setzt Erlassbedürftigkeit und Erlasswürdigkeit des Antragstellers voraus.

    Wird dem Mandanten vorgeworfen, er habe Steuerhinterziehung begangen und steht der Erlassantrag damit im Zusammenhang, dann lehnt das Finanzamt häufig mit nur einem Satz ab:

    „Ein Erlass scheidet … aufgrund fehlender Erlasswürdigkeit aus, da eine Steuerhinterziehung vorliegt.“

    Das ist in dieser Allgemeinheit falsch. Steuerliches Fehlverhalten reicht für sich allein nicht aus, die Erlasswürdigkeit zu verneinen. Die Entscheidung über den Erlass hängt auch in diesen Fällen von einer Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalls ab (BFH, 15.10.1992, X B 152/92; BFH, 02.03.1961, IV 126/60 U; Werth in Klein, AO18, § 227 Rn. 45).

    Praxis-Tipp

    Enthält die Ablehnung des Erlassantrags keine Einzelfallwürdigung, sollte dagegen Einspruch eingelegt werden. Das Finanzamt kann (und soll) im Einspruchsverfahren allerdings nachbessern.
  • Steuerstrafverfahren durch wechselseitige Rücknahme der Berufung beendet

    Meinem Mandanten wurde vorgeworfen, in den Jahren 2012, 2013 und 2015 Umsatzsteuer, Einkommensteuer und Gewerbesteuer in Höhe von insgesamt ca. 220.000 € verkürzt zu haben. Mein Mandant habe unter dem Namen seines Vaters ein Unternehmen betrieben und keine bzw. verspätete Steuererklärungen abgegeben.

    Teilfreispruch vor dem Amtsgericht

    Hinsichtlich 2015 räumte mein Mandant den Tatvorwurf dem Grunde nach ein. Sein Vater sei krank geworden und er habe dessen Unternehmen in 2015 faktisch weitergeführt. Den Tatvorwurf betreffend die Jahre 2012 und 2013 bestritt mein Mandant jedoch. In diesen Jahren sei sein Vater der Unternehmer gewesen.

    Vor dem Amtsgericht Leipzig gab es im April 2023 einen (Teil-)Freispruch hinsichtlich der Jahre 2012 und 2013, hinsichtlich 2015 erfolgte eine Verurteilung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 8 Monaten, ausgesetzt zur Bewährung. Zusätzlich sollte mein Mandant 7.000 € an die Staatskasse entrichten (Bewährungsauflage).

    Berufung und Erörterungstermin

    Sowohl die Staatsanwaltschaft als auch ich für meinen Mandanten legten Berufung ein. Der Vorsitzende am nunmehr zuständigen Landgericht Leipzig setzte kürzlich einen Erörterungstermin an. Nach seiner (vorläufigen) Auffassung sei der Freispruch vom Strafrichter gut begründet worden, möglicherweise werde er in der Berufung gehalten. Hinsichtlich der Verurteilung sei ggf. nicht mit einer wesentlichen Verbesserung gegenüber dem amtsgerichtlichen Urteil zu rechnen.

    In dem Erörterungstermin verständigten sich Staatsanwaltschaft und ich darauf, jeweils die Berufung zurückzunehmen, was auch geschah. Damit ist das Urteil des Amtsgerichts rechtskräftig. Mein Mandant kann damit leben.

  • Kein Vorsatz bei Steuerhinterziehung: Vertrauen auf Mitarbeiter und Steuerberater entlastet

    Schon etwas her, aber in der Praxis sehr relevant: Eine relativ kurze Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 25.01.2023 (Aktenzeichen: 1 StR 199/22) befasst sich mit der Frage, ob Vorsatz oder Leichtfertigkeit auch dann vorliegt, wenn sich der Steuerpflichtige bei der Erfüllung seiner steuerrechtlichen Pflichten auf Mitarbeiter oder seinen Steuerberater verlässt.

    Landgericht sprach mangels Vorsatzes und Leichtfertigkeit frei

    Das Landgericht sprach den Angeklagten vom Vorwurf der Steuerhinterziehung (§ 370 AO) frei. Der Angeklagte habe nicht vorsätzlich gehandelt, weil er bei Erstellung der Buchhaltung und der Steuererklärungen auf seine Mitarbeiter und auf seine steuerlichen Berater vertraut habe. Er habe auch keinen Anlass gehabt, deren Arbeit infrage zu stellen. Leichtfertigkeit (§ 378 AO) liege daher ebenfalls nicht vor.

    Bestätigung des Freispruchs durch den BGH

    Der BGH bestätigte die Beweiswürdigung des Landgerichts und verwarf die Revision der Staatsanwaltschaft. Die Beurteilung des Landgerichts, der Angeklagte habe weder vorsätzlich noch leichtfertig gehandelt, sei revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

    Praxis-Tipp

    Unternehmerisch tätige Mandanten lassen ihre steuerlichen Angelegenheiten (Buchführung, Jahresabschlüsse, Steuererklärungen) meist von einem Steuerberater erledigen. Dem sachkundigen Rat eines Steuerberaters oder Rechtsanwalts darf der Steuerpflichtige regelmäßig vertrauen, wenn der Sachverhalt vom Berater umfassend geprüft wurde.

    Der Steuerpflichtige muss aber darlegen, dass er seinen Berater über alle Umstände informiert hat und wie die Rechtsauskunft des Beraters im Einzelnen lautete. Gelingt dies – was eine entsprechende Dokumentation der Beratungsanfrage und der Auskunft des Beraters voraussetzt –, ist der Vorsatz (§ 370 AO) zu verneinen.

    Aber auch Leichtfertigkeit (§ 378 AO) liegt dann im Regelfall nicht vor. Die Rechtsprechung versteht § 378 AO als „Auffangtatbestand“: Bestehen Anhaltspunkte dafür, dass sich der Steuerpflichtige zumindest leichtfertig verhalten hat, kommt ein Freispruch vom Vorwurf der Steuerhinterziehung wegen nicht erwiesenen Tatvorsatzes nur in Betracht, wenn zugleich geprüft wird, ob § 378 AO vorliegt.
  • „Entschleunigung“: Steuerstrafrechtliches Ermittlungsverfahren nach 9 (!) Jahren abgeschlossen

    Neulich ging mein bisher längstes steuerstrafrechtliches Ermittlungsverfahren zu Ende. Eingeleitet wurde das Verfahren im Jahr 2015, Ende 2016 übernahm ich die Verteidigung.

    Meiner Mandantin wurde vorgeworfen, durch Nichtabgabe von Steueranmeldungen Umsatzsteuern in Höhe von ca. 95.000 € (2012), 120.000 € (2013) und 95.000 € (2014) verkürzt zu haben. Das erklärt auch, warum meine Mandantin jetzt noch verfolgt werden durfte: Bei allen vorgeworfenen Taten handelt es sich um eine Steuerverkürzung in großem Ausmaß, so dass die Verfolgungsverjährungsfrist 15 Jahre beträgt.

    Jetzt erging ein Strafbefehl mit einer Freiheitsstrafe von 10 Monaten, ausgesetzt zur Bewährung. Angesichts der vorgeworfenen Steuerverkürzung ein sehr moderates Ergebnis. Besonderheit war jedoch u. a., dass meine Mandantin als „Strohfrau“ im Wesentlichen nur ihren Namen hergab, ihr Lebensgefährte „zog“ im Hintergrund „die Strippen.“ Gleichwohl war meine Mandantin umsatzsteuerrechtlich als leistende Unternehmerin anzusehen. Zudem war die lange Verfahrensdauer bei der Strafzumessung zu berücksichtigen.

    Meine Mandantin beschloss, den Strafbefehl zu akzeptieren.

  • Zitat der Woche: Aussetzung des Steuerstrafverfahrens und steuerrechtliche Expertise von Untergerichten

    Zweigleisigkeit des Besteuerungs- und Steuerstrafverfahrens

    Steuerstrafverfahren und Besteuerungsverfahren laufen parallel, aber nach ihren jeweils eigenen Regeln. Rechtskräftige Entscheidungen aus dem einen Verfahren sind nicht bindend für das jeweils andere Verfahren.

    Ein Steuerstrafverfahren ist oft schneller abgeschlossen als ein Einspruchsverfahren mit anschließendem Finanzgerichtsverfahren, ggf. noch mit Revision zum BFH. Dann steht man u. U. vor der dramatischen Situation, dass der Mandant rechtskräftig wegen Steuerhinterziehung verurteilt wurde, der BFH aber vielleicht fünf Jahre später feststellt, dass überhaupt kein Steueranspruch bestand. Ein Wiederaufnahmegrund (§ 359 StPO) ist das leider nicht.

    § 396 AO: Aussetzung wegen Vorgreiflichkeit

    Gemäß § 396 AO ist zwar eine Aussetzung des Strafverfahrens wegen Vorgreiflichkeit möglich. Zweck der Vorschrift ist es, widersprüchliche Entscheidungen im Straf- und im Besteuerungsverfahren zu vermeiden. Problem: Die Verfahrensaussetzung ist eine Ermessensentscheidung („kann“, § 396 Abs. 1 AO). Einen Anspruch auf Aussetzung hat der Beschuldigte bzw. Angeklagte nicht.

    Abzuwägen sind alle Umstände, die im konkreten Fall für und gegen die Aussetzung des Strafverfahrens sprechen, namentlich das Ziel, im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung und der Rechtssicherheit divergierende Entscheidungen im Straf- und Besteuerungsverfahren möglichst zu vermeiden und – anderseits – das Gebot zügiger Verfahrensdurchführung.

    Nach einer Entscheidung des BGH vom 10.08.2023, 1 StR 116/23, habe der in Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK verankerte Anspruch des Angeklagten auf Entscheidung innerhalb angemessener Frist (Beschleunigungsgrundsatz) regelmäßig Vorrang vor dem Interesse an einer einheitlichen Rechtsanwendung. Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK setze der Zulässigkeit einer Verfahrensaussetzung enge Grenzen. Auch „dass die Angeklagten die Aussetzung selbst beantragt und möglicherweise an einer Fortsetzung des Strafverfahrens kein Interesse haben, lässt ihren Anspruch auf zügige Durchführung des Strafverfahrens unberührt.“

    Nach BGH gelte dies jedenfalls dann, wenn eine längere Aussetzung erforderlich wäre. Zeitliche Grenzen lassen sich der Entscheidung jedoch nicht entnehmen.

    Praxis-Tipp

    Aufgrund des im (Steuer-)Strafverfahren geltenden Beschleunigungsgrundsatzes und des eingeräumten Ermessens („kann“) hat § 396 AO in der Praxis kaum Bedeutung. Trotzdem sollte die Verteidigung den Aussetzungsantrag in geigneten Fällen erwägen. Zwar werden solche Anträge in der Praxis häufig reflexartig mit Verweis auf den Beschleunigungsgrundsatz abgelehnt, hin und wieder wird aber doch die Aussetzung verfügt. Je schwieriger die steuerrechtlichen Vorfragen sind (z. B. Auslandsbezug), desto eher ist eine Aussetzung realistisch.
     
    Umgekehrt kann auch im finanzgerichtlichen Verfahren eine Aussetzung beantragt werden (§ 74 FGO), wenn z. B. ein Freispruch im Steuerstrafverfahren „in der Luft hängt.“

    Zitat der Woche: Aussetzung und steuerrechtliche Expertise der Untergerichte

    Bilsdorfer (Die Entwicklung des Steuerstraf- und Steuerordnungswidrigkeitenrechts, NJW 2024, 1397) befasst sich kritisch u. a. mit dieser Entscheidung und meint:

    Auch die abstrakte Befürchtung, dass es vor dem Hintergrund verschiedener Möglichkeiten der steuerlichen Würdigung zu divergierenden straf- und finanzgerichtlichen Entscheidungen kommen kann, drängt (den BGH) nicht zur Aussetzung eines anhängigen Strafverfahrens. Der Autor spricht in diesem Zusammenhang im Speziellen dem BGH nicht (auch) die steuerrechtliche Expertise ab. Es fragt sich indessen, ob diese bei den Untergerichten in einem vergleichbaren Maße immer vorhanden ist.

    Eine rhetorische Frage – in der Praxis ist diese ganz klar mit „Nein!“ zu beantworten.

  • Strafbefehl wegen Steuerhinterziehung in Einstellung gegen Geldauflage „umgewandelt“

    Ich verteidigte einen Mandanten in einem steuerstrafrechtlichen Ermittlungsverfahren, dem von der Bußgeld- und Strafsachenstelle (BuStra) des Finanzamtes Hinterziehung von Einkommensteuer vorgeworfen wurde. Er habe den Zufluss einer betrieblichen Altersversorgung nicht in seiner Steuererklärung angegeben, wodurch ca. 19.000 € Einkommensteuer verkürzt worden sei.

    Die BuStra bot an, das Ermittlungsverfahren gegen eine Geldauflage i. H. v. 8.500 € einzustellen. Das schien mir zu hoch und daher bot ich für meinen Mandanten zunächst 4.750,00 €, später 6.000 € an. Die BuStra ließ nicht mit sich reden, sondern beantragte einen Strafbefehl, der auch erlassen wurde. Nach Einspruch gegen den Strafbefehl wurde ein Hauptverhandlungstermin vor dem Amtsgericht Chemnitz angesetzt.

    Nach Kontaktaufnahme zur Staatsanwaltschaft gelang es, nochmals über eine Einstellung gegen Geldauflage ins Gespräch zu kommen. Letztendlich einigte man sich auf Zahlung von 7.000 €. Der Hauptverhandlungstermin wurde wieder aufgehoben und nach Zahlung der Geldauflage wurde das Verfahren endgültig eingestellt.

    Praxis-Tipp

    Die BuStra darf zwar selbst einen Strafbefehl beantragen. Wird jedoch Einspruch dagegen eingelegt, dann wird die Staatsanwaltschaft zuständig und die BuStra hat „nichts mehr zu sagen“ (§§ 406, 407 der Abgabenordnung). Das wird in der Praxis hin und wieder übersehen.

    Wenn man sich also mit der BuStra im Ermittlungsverfahren nicht auf eine Geldauflage einigen konnte, dann gelingt es vielleicht im weiteren Verfahren mit der Staatsanwaltschaft.

  • Finanzamt hebt Haftungsbescheid gegen Insolvenzverwalter wegen Steuerhinterziehung auf

    Im Oktober 2021 berichtete ich von einem Rechtsstreit vor dem Thüringer Finanzgericht. Dort ging es um einen Haftungsbescheid gegenüber einem Insolvenzverwalter. Das Finanzamt warf ihm vor, für den Insolvenzschuldner vorsätzlich keine Feststellungs- und Einkommensteuererklärung abgegeben zu haben, wodurch ein Steuerschaden entstanden sei. Gestützt wurde die Haftung auf § 71 AO (Steuerhinterzieher-Haftung).

    In der Sache fand zunächst auf meine Anregung hin ein Erörterungstermin statt, in dem jedoch noch kein Verfahrensabschluss erreicht werden konnte. Dazu kam es jedoch jetzt in der regulären mündlichen Verhandlung. Aus Sicht des Vorsitzenden war insbesondere die Frage des Vorsatzes offen. Das Finanzamt trage insoweit die Feststellungslast. Im Haftungsbescheid und in der Einspruchsentscheidung stehe hierzu nicht viel. Eventuell hätten daher noch weitere Beweise erhoben werden müssen.

    Vor diesem Hintergrund wurde in der mündlichen Verhandlung eine Verständigung getroffen: Das Finanzamt war bereit, den Haftungsbescheid von sich aus aufzuheben. Ich setzte mich zudem damit durch, dass die Kosten des Verfahrens vom Finanzamt und vom Kläger jeweils zur Hälfte getragen werden. Auf diese Weise wurde der Rechtsstreit für erledigt erklärt.

    Praxis-Tipp

    Hilft das Finanzamt (erst) im Finanzgerichtsverfahren ab (hier: Aufhebung des Haftungsbescheides), muss es normalerweise die Kosten des Verfahrens (Beraterkosten für das Einspruchs- und Klageverfahren) allein tragen.

    Im vorliegenden Fall hing die Abhilfe jedoch auch davon ab, dass man sich bei den Kosten verständigt. Da das Finanzamt von den Gerichtskosten befreit ist, wollte es gern folgende Kostenentscheidung: Das Finanzamt trägt die Gerichtskosten, der Kläger trägt seine außergerichtlichen Kosten (Beraterkosten) selbst. Das Finanzamt hätte also im Ergebnis überhaupt keine Kosten zu tragen, der Kläger dagegen bleibt auf seinen gesamten Beraterkosten sitzen. Es gibt Fälle, in denen eine solche Kostenentscheidung angemessen ist. Im vorliegenden Fall beharrte ich jedoch darauf, dass sich das Finanzamt zumindest zur Hälfte an den Beraterkosten des Mandanten beteiligt.