Rico Deutschendorf ▪ Rechtsanwalt | Fachanwalt für Steuerrecht | Steuerstrafverteidiger | Dozent ▪ Leipzig | Sachsen | bundesweit

Category: Steuerhinterziehung

  • Steuerhinterziehung durch Unterlassen und (Un-)Kenntnis des Finanzamtes

    Da Steuerhinterziehung durch pflichtwidriges Unterlassen (§ 370 Abs. 1 Nr. 2 AO) ein „In-Unkenntnis-Lassen“ der Finanzbehörde voraussetzt, stellt sich die Frage, welche Auswirkung es hat, wenn die Finanzbehörde den wahren Besteuerungssachverhalt bereits kennt. Diese Frage verwundert zunächst, denn nach dem Wortsinn der Vorschrift wird man jemanden doch nur dann „in Unkenntnis lassen“ können, wenn er tatsächlich (noch) „in Unkenntnis“ ist.

    Allerdings erschien es dem BayObLG[1] in einer Entscheidung aus 2002[2] „fraglich, ob die Erfüllung des Merkmals ‚In-Unkenntnis-Lassen‘ vom Kenntnisstand der Finanzbehörden abhängen kann. … Die Finanzbehörden könnten … ungeachtet ihres anderweitig erlangten Kenntnisstandes bereits dann … in Unkenntnis gelassen werden, wenn Steuererklärungen pflichtwidrig … nicht abgegeben werden.“

    D. h., die bloße pflichtwidrige Nichtabgabe (oder nicht rechtzeitige Abgabe) einer Steuererklärung stellt nach der Erwägung des BayObLG aus 2002 ein „In-Unkenntnis-Lassen“ dar.[3] Damals blieb die Frage jedoch offen, da sie nicht entscheidungserheblich war. Dieser vom BayObLG erörterten „täterbezogenen Sichtweise“ schloss sich im Jahr 2017 das LG Aurich an.[4]

    Nach anderer Auffassung ist – anders als bei der Steuerhinterziehung durch aktives Tun (§ 370 Abs. 1 Nr. 1 AO) – die „Unkenntnis“ des FA bei der Steuerhinterziehung durch Unterlassen ein (ungeschriebenes) Tatbestandsmerkmal. Wenn also das FA (konkret: der für die Steuerfestsetzung zuständige Beamte) die für die Steuerfestsetzung wesentlichen Tatsachen bereits kennt, dann ist das FA nicht mehr „in Unkenntnis.“ Somit kann der Stpfl den objektiven Tatbestand nicht mehr erfüllen. Allenfalls eine Versuchsstrafbarkeit (§ 370 Abs. 2 AO) ist in diesem Fall noch möglich.[5]

    Der BGH hat diese Frage noch nicht entschieden, tendiert aber in zwei „Randbemerkungen“ (obiter dicta) dahin, dass die Kenntnis der Finanzbehörde tatbestandsausschließend ist.[6]

    [1] Das BayObLG wurde zum 30.06.2006 abgeschafft und zum 15.09.2018 wiedererrichtet.
    [2] BayObLG, 14.03.2002, 4 St RR 8/2002.
    [3] So auch Jäger in Klein, AO15, § 370 Rn. 60b.
    [4] LG Aurich, 08.11.2017, 12 Ns 158/15, aber aufgehoben durch OLG Oldenburg, 10.07.2018, 1 Ss 51/18.
    [5] OLG Oldenburg, 10.07.2018, 1 Ss 51/18; OLG Köln, 31.01.2017, III-1 RVs 253/16.
    [6] BGH, 21.11.2012, 1 StR 391/12; 14.12.2010, 1 StR 275/10; a. A. Jäger in Klein, AO15, § 370 Rn. 60b („zutr LG Aurich v. 8.11.2017“) und Rn. 60d, der bei vorliegender Kenntnis des Finanzbeamten aber u. U. die Kausalität zwischen Tathandlung und Steuerverkürzung verneint.

  • „Steuerstrafverteidigung“ – Vortrag am 23.10.2020 in Leinfelden-Echterdingen/Stuttgart

    Am 23.10.2020 hielt ich in Leinfelden-Echterdingen bei Stuttgart einen 7,5stündigen Vortrag zur Steuerstrafverteidigung für ARBER|seminare.

    Siehe auch: Übersicht zu meinen Vorträgen und Skripten

  • „Das Mandat im Steuerstrafrecht“ – Vortrag am 07.09.2020 in Bochum

    Am 07.09.2020 hielt ich in Bochum einen 5stündigen Vortrag zum Steuerstrafrecht für das Deutsche Anwaltsinstitut (DAI). Der Vortrag war ein Seminar für die Anwaltsfortbildung.

    Siehe auch: Übersicht zu meinen Vorträgen und Skripten

  • Steuerhinterziehung: Kirchensteuer kein Hinterziehungsobjekt (mehr)

    Immer wieder stellt sich in der Praxis die Frage, ob auch Kirchensteuern hinterzogen werden können.

    Hinterziehungsobjekt im Sinne von § 370 AO sind „Steuern“, definiert in § 3 Abs. 1 bis 3 AO. Kirchensteuern sind aber keine Steuern im Sinne von § 370 AO, da sie nicht durch Bundesrecht oder Recht der Europäischen Union (§ 1 Abs. 1 AO), sondern durch Landesrecht geregelt sind. Eine Strafbarkeit der Verkürzung von Kirchensteuern nach § 370 AO kommt nur in Betracht, wenn das Landesrecht auf diese Vorschrift verweist. Die Kirchensteuergesetze der Länder verwiesen früher zum Teil auf die Strafvorschriften der AO. Als letztes Bundesland hat Sachsen im Jahr 2019 eine Verweisung im SächsKiStG auf §§ 369ff. AO aufgehoben (§ 12 Abs. 1 SächsKiStG n. F.).

    Statt Steuerhinterziehung kommt aber Betrug – mit der verkürzten Kirchensteuer als Betrugsschaden – in Betracht (offen gelassen in BGH, 17.04.2008, 5 StR 547/07).

  • Skript: „Einführung in die Steuerstrafverteidigung“

    Bedingt durch „Corona“ fallen derzeit reihenweise Präsenz-Seminare ins Wasser. Zum Teil stellen die Anbieter verstärkt auf Online-Seminare um.

    Begleitend zu meinen Vorträgen zum Steuerstrafrecht habe ich ein Skript zum Thema „Einführung in die Steuerstrafverteidigung“ erstellt, das ich fortlaufend aktualisiere. Hier können Sie kostenfrei eine Leseprobe mit Inhaltsverzeichnis herunterladen (Stand: 1/2020).

    Siehe auch: Skripten

  • „Update Steuerstrafrecht“ – Skript zu meinen Vorträgen

    Begleitend zu meinen Vorträgen zum Steuerstrafrecht habe ich ein Skript zum Thema „Update Steuerstrafrecht“ erstellt, das ich fortlaufend aktualisiere. Hier können Sie kostenfrei eine Leseprobe mit Inhaltsverzeichnis herunterladen (Stand: 12/2019).

    Siehe auch: Skripten

    Wenn Sie das Skript erwerben möchten, senden Sie mir einfach eine E-Mail an info@steueranwalt-leipzig.de.

  • „Einführung in die Steuerstrafverteidigung – Steuerhinterziehung, Steuerstrafverfahren und Selbstanzeige“ – Skript zu meinen Vorträgen

    Begleitend zu meinen Vorträgen zum Steuerstrafrecht habe ich ein Skript zum Thema „Einführung in die Steuerstrafverteidigung“ erstellt, das ich fortlaufend aktualisiere. Hier können Sie kostenfrei eine Leseprobe mit Inhaltsverzeichnis herunterladen (Stand: 1/2020).

    Siehe auch: Skripten

    Wenn Sie das Skript erwerben möchten, senden Sie mir einfach eine E-Mail an info@steueranwalt-leipzig.de.

  • Vorsatz bei Steuerhinterziehung: „Niemand hat die Absicht, Steuern zu hinterziehen“

    Immer wieder höre ich von Mandanten: „Ich hatte doch nie die Absicht, Steuern zu hinterziehen.“ Darauf kommt es aber nicht an. Steuerhinterziehung setzt zwar vorsätzliches Handeln voraus, eine echte Absicht im Sinne eines zielgerichteten Wollens ist aber nicht erforderlich. „Bedingter Vorsatz genügt“, wie der Jurist trocken sagt. Das bedeutet: Es reicht für Vorsatz aus, wenn Sie eine Steuerverkürzung nur für möglich halten und sich damit abfinden („na wenn schon“ oder „was soll’s“).

    Es gibt zwar auch Steuerordnungswidrigkeiten, etwa die leichtfertige Steuerverkürzung (§ 378 AO), die als „Auffangtatbestand“ fungiert, wenn Vorsatz nicht nachweisbar ist. Die Grenze zwischen bedingtem Vorsatz und Leichtfertigkeit ist leider eine „Grauzone.“ Steuerordnungswidrigkeiten haben in der Praxis aber nahezu keine Bedeutung. Die Ermittlungsbehörden (Bußgeld- und Strafsachenstelle des Finanzamtes bzw. Staatsanwaltschaft) gehen als „Arbeitshypothese“ fast immer von vorsätzlichem Handeln aus (also § 370 AO). Der Kampf um (besser: gegen) den Vorsatz ist daher meist ein „Kampf gegen Windmühlen.“

  • „Update Steuerstrafrecht“ – Vortrag in Köln

    Am 06.12.2019 hielt ich in Köln einen 7,5stündigen Vortrag zum Thema „Update Steuerstrafrecht“ für ARBER|seminare.

    Siehe auch: Übersicht zu meinen Vorträgen

  • „Update Steuerstrafrecht“ – Vortrag in Leipzig

    Am 08.11.2019 hielt ich in Leipzig einen 7,5stündigen Vortrag zum Thema „Update Steuerstrafrecht“ für ARBER|seminare.

  • Zitat der Woche: Steuerhinterziehung? Wir verhindern die Restschuldbefreiung!

    In einem Steuerstrafverfahren vor dem Amtsgericht (nach Einspruch gegen einen Strafbefehl) wegen nicht abgegebener Umsatzsteuer-Voranmeldungen mit einem – überschaubaren – Verkürzungsbetrag i. H. v. ca. 8.000 € ging es um die Frage, ob die BuStra einer Einstellung des Verfahrens gegen Zahlung einer Geldauflage (§ 153a StPO) zustimmt. Die BuStra verweigerte die Zustimmung u. a. mit der Begründung:

    „Auch kann eine Zustimmung zu dieser Verfahrensweise nicht erfolgen, da eine rechtskräftige Verurteilung notwendig ist, um dem Beschuldigten die Restschuldbefreiung gem. § 302 InsO versagen zu können.“

    Man reibt sich die Augen: Missbrauch des Strafverfahrens durch die BuStra für verfahrensfremde Zwecke? Die Begründung spricht dafür, dass sich die BuStra in ihrem „Verfolgungseifer“ von sachfremden Erwägungen leiten lässt.

    Bestraft wird, weil Unrecht begangen wurde und nicht, weil die Finanzbehörde eine strafrechtliche Verurteilung für insolvenzrechtliche Zwecke als „notwendig“ ansieht. Gemäß § 46 Abs. 1 S. 1 StGB ist die Schuld des Täters Grundlage für die Zumessung der Strafe. Eine Einstellung des Verfahrens nach § 153a StPO kommt in Betracht, wenn die Schwere der Schuld nicht entgegensteht. Das sind eigenständige strafrechtliche und strafprozessuale Kategorien, die mit der Frage, was man behördlicherseits „hinterher“ mit einer Verurteilung anfangen will, nicht vermischt werden dürfen.

    ► Praxis-Tipp

    In diesem Verfahren wurde (bisher) sowohl von der BuStra selbst als auch vom Amtsgericht übersehen, dass die BuStra gar nicht mehr zuständig ist.

    Gemäß § 153a Abs. 2 StPO kann das Gericht mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft und des Angeschuldigten das Verfahren einstellen. Die Finanzbehörde (BuStra/StraBu) hat im Strafbefehlsverfahren die Rechte und Pflichten der Staatsanwaltschaft nur, „solange nicht … Einspruch gegen den Strafbefehl erhoben wird“ (§ 406 Abs. 1 AO). Da im vorliegenden Verfahren aber Einspruch eingelegt wurde, ist die sachliche Zuständigkeit der BuStra mit Einlegung des Einspruchs beendet. Damit stehen der BuStra nur noch die Rechte aus § 407 AO zu, hier in Form eines bloßen Anhörungsrechts (§ 407 Abs. 1 S. 2 AO). Auf eine (verweigerte) Zustimmung der BuStra kommt es nicht mehr an.

    Sachlich zuständig ist vielmehr die Staatsanwaltschaft.

    Update (03.04.2020): Zwischenzeitlich hat die zuständige Staatsanwaltschaft signalisiert, der Einstellung zuzustimmen, wenn zunächst die Steuerschuld beglichen wird.

    Update (09.07.2020): Zwischenzeitlich wurde die Steuerschuld und eine Geldauflage i. H. v. 1.500,00 € bezahlt. Danach wurde das Verfahren endgültig gemäß § 153a StPO eingestellt. Erfreuliches Ergebnis, wenn man bedenkt, dass in dem ursprünglichen Strafbefehl 4.500,00 € Geldstrafe angesetzt war.

  • „Update Steuerstrafrecht“ – Vortrag in Stuttgart

    Am 17.10.2019 hielt ich in Stuttgart einen 7,5stündigen Vortrag zum Thema „Update Steuerstrafrecht“ für ARBER|seminare.