Amtshaftung des Finanzamtes bei übereiltem AdV-Zinsbescheid

Bereits an anderer Stelle wies ich darauf hin, dass das Finanzamt gemäß § 237 AO in bestimmten Fällen so genannte AdV-Zinsen verlangen kann. Voraussetzung ist aber gemäß § 237 Abs. 1 S. 1 AO, dass

„ein Einspruch oder eine Anfechtungsklage gegen einen Steuerbescheid … oder gegen eine Einspruchsentscheidung … endgültig keinen Erfolg gehabt hat.“

„Endgültig keinen Erfolg“ in diesem Sinne hat der Steuerpflichtige im Normalfall dann, wenn er nach erfolglosem Abschluss des Einspruchsverfahrens keine Klage zum Finanzgericht erhebt (dann wird die Einspruchsentscheidung bestandskräftig) oder wenn das Finanzgericht die Klage abweist und das klageabweisende Urteil rechtskräftig wird. Die AdV-Zinsen sind vom Finanzamt durch Zinsbescheid festzusetzen (vgl. § 239 AO). Wie entstand daraus nun ein Amtshaftungsfall?

Finanzamt erlässt Zinsbescheid zu früh

Im Fall meiner Mandantin legte deren Steuerberater Einspruch gegen mehrere Einkommensteuerbescheide ein und beantragte die Aussetzung der Vollziehung (AdV). Die beantragte AdV wurde vom Finanzamt auch gewährt. Letztendlich wurde der Einspruch vom Finanzamt jedoch durch Einspruchsentscheidung zurück gewiesen.

Bereits wenige Tage nach Ablauf der einmonatigen Klagefrist erließ das Finanzamt einen AdV-Zinsbescheid. Das war aber zu früh, denn ich hatte für meine Mandantin einige Tage vor Ablauf der Klagefrist Klage zum Finanzgericht erhoben. Der Einspruch meiner Mandantin hatte damit noch nicht „endgültig keinen Erfolg gehabt“ im Sinne von § 237 Abs. 1 S. 1 AO.

Gegen den Zinsbescheid legte ich für meine Mandantin daher Einspruch ein. Daraufhin hob das Finanzamt den Zinsbescheid vollständig auf. Für das – erfolgreiche – Einspruchsverfahren entstanden meiner Mandantin Kosten (Anwaltskosten).

Amtshaftungsanspruch

Da die Abgabenordnung für den Fall eines (erfolgreichen) Einspruchsverfahrens keinen Anspruch des Einspruchsführers gegen das Finanzamt auf Erstattung seiner Beraterkosten vorsieht, machte ich die Beraterkosten für das Einspruchsverfahren beim Finanzamt als Amtshaftungsanspruch geltend. Hinzu kamen noch die Anwaltskosten für das Amtshaftungsverfahren selbst, da der Amtshaftungsanspruch grundsätzlich auch die Kosten für die Geltendmachung des Amtshaftungsanspruchs (Rechtsverfolgungskosten) umfasst.

Gegenüber dem Finanzamt argumentierte ich, dass die Voraussetzungen für den Erlass eines Zinsbescheides nicht vorgelegen hätten. Allen Amtsträgern obliege die allgemeine Amtspflicht, sich bei Wahrnehmung ihrer Aufgaben stets im Rahmen der Gesetze und sonstigen Rechtsvorschriften zu bewegen. Eine fehlerhafte Rechtsanwendung sei stets amtspflichtwidrig.

Auseinandersetzung mit dem Finanzamt

Das Finanzamt wies den Amtshaftungsanspruch zunächst zurück. Zwar hätten tatsächlich die Voraussetzungen für den Erlass des Zinsbescheides nicht vorgelegen. Die zuständige Bearbeiterin habe bei Erlass des Zinsbescheides jedoch nicht schuldhaft gehandelt. Vielmehr habe sie keinerlei Kenntnis von einer anhängigen Klage gehabt. Die Klage sei erst später zugestellt worden. Folglich habe sie zum Zeitpunkt der Bearbeitung des Bescheides davon ausgehen dürfen, dass die Einsprüche endgültig ohne Erfolg geblieben sind.

Darauf erwiderte ich, dass die zuständige Bearbeiterin zum Zeitpunkt der Bearbeitung des Zinsbescheides keineswegs davon ausgehen konnte und durfte, dass keine Klage erhoben wurde und die Einsprüche mithin endgültig ohne Erfolg geblieben sind. Da die Bearbeiterin schon am dritten Werktag nach Ablauf der Klagefrist den Zinsbescheid erstellt habe, habe sie auch eine erhöhte Amtspflicht dahingehend getroffen, aufzuklären, ob die Voraussetzungen für den Erlass des Zinsbescheides zu diesem frühen Zeitpunkt tatsächlich (schon) vorlagen. Notfalls hätte die Bearbeiterin beim Finanzgericht nachfragen müssen, ob innerhalb der Klagefrist eine Klage dort eingegangen sei. Dazu habe umso mehr Anlass bestanden, als der Steuerberater meiner Mandantin im Einspruchsverfahren das Finanzamt schriftlich um das Ergehen einer Einspruchsentscheidung bat, „damit Klage vor dem Finanzgericht erhoben werden kann.“

Finanzamt lenkt ein

Nunmehr revidierte das Finanzamt seine ursprüngliche Auffassung und erstattete die geltend gemachten Anwaltskosten. Die Sache konnte somit außergerichtlich geklärt werden.

1 Kommentar

  1. Dr. Helmi Beier

    Danke für den Hinweis!

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