Rico Deutschendorf ▪ Rechtsanwalt | Fachanwalt für Steuerrecht | Steuerstrafverteidiger | Dozent ▪ Leipzig | Sachsen | bundesweit

Tag: Steuerhinterziehung

  • Fußball, Kirchensteuer und Strafrecht

    Irgendwann bei der Vorbereitung meiner Vortragstätigkeit stieß ich auf eine interessante zivilrechtliche Entscheidung des OLG München vom 23.12.2015, 15 U 2063/14 („Luca Toni“). Diese betrifft zwar vordergründig nur den Fall der Steuerberaterhaftung aufgrund der Verletzung von Aufklärungspflichten im Zusammenhang mit Kirchensteuern. Der Fall lässt sich aber auch (steuer-)strafrechtlich „weiterspinnen.“

    Sachverhalt

    Ein italienischer Profi-Fußballer, römisch-katholisch, Wohnsitz in Bayern, heuerte für zwei Jahre bei einem bekannten süddeutschen Bundesliga-Fußballclub an. Der Spielervertrag sah eine Nettovergütung vor, d. h. der Fußballclub trug alle auf die Spielervergütung anfallenden Steuern. Der Fußballer wurde vom Fußballclub – wahrheitswidrig – als konfessionslos angemeldet. Der Fußballclub meldete sodann Lohnsteuer, aber keine Kirchenlohnsteuer an. Später wurde Kirchensteuer nachgefordert (ca. 1,5 Mio € zzgl. Säumniszuschläge).

    Im Aufhebungsvertrag zum Spielervertrag war eine Abgeltungsklausel vereinbart, so dass der Fußballer keinen Anspruch mehr gegen den Fußballclub auf Zahlung der Kirchensteuer hatte. Daher nahm der Fußballer seinen (ehemaligen) Steuerberater in Anspruch. Der Steuerberater hatte ihn trotz Kenntnis aller Umstände nicht über die anfallende Kirchensteuer und die Tatsache informiert, dass der Fußballclub keine Kirchenlohnsteuer angemeldet und abgeführt hatte.

    Entscheidung

    Die Klage des Fußballers hatte zu einem großen Teil Erfolg, der Steuerberater haftete im vorliegenden Fall aufgrund schuldhafter Pflichtverletzung aus dem Steuerberatungsvertrag. Das OLG München war „anhand des unstreitigen äußeren Sachverhalts … davon überzeugt“, dass der Fußballclub das Meldeformular des Fußballers wahrheitswidrig mit „konfessionslos“ ausgefüllt hatte. Zweck „der falschen Eintragung“ sei die „Nichtabführung von Steuern“ (Kirchenlohnsteuer) durch den Fußballclub gewesen.

    (Steuer-)Strafrechtliche Relevanz

    Strafrechtlich relevant ist die unterlassene Anmeldung der Kirchenlohnsteuer durch den Fußballclub. Da die Kirchensteuer aber kein Hinterziehungsobjekt i. S. v. § 370 AO ist, kommt zumindest Steuerhinterziehung nicht in Betracht (BGH, 25.03.2021, 1 StR 242/20). Denkbar ist aber Betrug durch die Verantwortlichen des Fußballclubs. Ob die Verkürzung von Kirchensteuern als Betrug (§ 263 StGB) strafbar ist, hat der BGH bisher offen gelassen bzw. nicht entschieden.

  • Verkürzung von Kirchensteuer ist keine Steuerhinterziehung

    Erneut entschied der BGH (25.03.2021, 1 StR 242/20), dass die Verkürzung von Kirchensteuer keine Steuerhinterziehung im Sinne von § 370 AO darstellt. Ob stattdessen eine Strafbarkeit wegen Betrugs (§ 263 StGB) in Betracht kommt, ließ der BGH weiterhin offen (so auch schon BGH, 17.04.2008, 5 StR 547/07).

  • Steuerhinterziehung im besonders schweren Fall – neue 15jährige Verfolgungsverjährungsfrist

    Die Verjährungsfrist bei Steuerhinterziehung „richtet sich nach der Strafdrohung des Gesetzes, dessen Tatbestand die Tat verwirklicht, ohne Rücksicht auf Schärfungen oder Milderungen, die nach den Vorschriften des Allgemeinen Teils oder für besonders schwere oder minder schwere Fälle vorgesehen sind“ (§ 78 Abs. 4 StGB).

    Grundsatz: 5 Jahre 

    Da die „einfache“ Steuerhinterziehung (§ 370 Abs. 1 AO) im Höchstmaß mit Freiheitsstrafe bis zu 5 Jahren bestraft wird, beträgt die Verjährungsfrist somit 5 Jahre (§ 78 Abs. 3 Nr. 4 StGB). Das entspricht der Verjährungsfrist z. B. bei Diebstahl oder Betrug.

    Besonderheit: 15 Jahre

    Allerdings enthält § 376 Abs. 1 AO eine von § 78 Abs. 4 StGB abweichende Sonderregelung: Danach beträgt die Verjährungsfrist (nunmehr) 15 Jahre, wenn ein gesetzlich genannter Fall einer besonders schweren Steuerhinterziehung vorliegt (§§ 369 Abs. 2, 376 Abs. 1, 370 Abs. 3 S. 2 Nrn. 1 bis 6 AO), insbesondere im Fall einer Steuerverkürzung „in großem Ausmaß.“ Nach (geänderter) Rspr. des BGH liegt eine Steuerverkürzung „in großem Ausmaß“ vor bei einem Verkürzungsbetrag je Tat von mehr als 50.000 €.

    Praxis-Tipp

    Die 15jährige Verjährungsfrist wurde erst durch das Jahressteuergesetz 2020 m. W. v. 29.12.2020 in § 376 Abs. 1 AO eingefügt. Vorher galt eine 10jährige Verjährungsfrist. Die Neuregelung (15 Jahre) gilt für alle am 29.12.2020 noch nicht verjährten Taten.

  • „Steuerstrafrecht“ – Vortrag am 29.07.2021 in Leipzig

    Am 29.07.2021 hielt ich in Leipzig einen 8stündigen Vortrag zum Steuerstrafrecht. Der Vortrag war Teil des Fachanwaltslehrgangs Strafrecht bei ARBER|seminare.

    Siehe auch: Übersicht zu meinen Vorträgen und Skripten

  • „Ausgewählte aktuelle Probleme des Steuerstrafrechts“ – Vortrag am 15.06.2021 in Bochum

    Am 15.06.2021 hielt ich in Bochum einen 2,5stündigen Online-Vortrag mit dem Titel „Ausgewählte aktuelle Probleme des Steuerstrafrechts“ für das Deutsche Anwaltsinstitut (DAI). Der Vortrag war ein Online-Seminar für die Anwaltsfortbildung.

    Siehe auch: Übersicht zu meinen Vorträgen und Skripten

  • „Das Mandat im Steuerstrafrecht“ – Online-Vortrag am 10.05.2021 in Berlin

    Am 10.05.2021 hielt ich in Berlin einen 5stündigen Online-Vortrag mit dem Titel „Das Mandat im Steuerstrafrecht“ für das Deutsche Anwaltsinstitut (DAI). Der Vortrag war ein Online-Seminar für die Anwaltsfortbildung.

    Siehe auch: Übersicht zu meinen Vorträgen und Skripten

  • Bandenmäßige Steuerhinterziehung – Ausweitung auf alle Steuerarten geplant

    § 370 Abs. 3 AO regelt besonders schwere Fälle der Steuerhinterziehung, wobei § 370 Abs. 3 S. 2 AO sechs benannte besonders schwere Fälle (Regelbeispiele) enthält, die Indizwirkung für das Vorliegen eines besonders schweren Falls haben:

    ■ Steuerverkürzung in großem Ausmaß (Nr. 1)

    ■ Missbrauch durch Amtsträger (Nr. 2)

    ■ Ausnutzen der Mithilfe eines Amtsträgers (Nr. 3)

    ■ fortgesetzte Steuerverkürzung mit gefälschten Belegen (Nr. 4)

    ■ Verkürzung von Umsatz- oder Verbrauchssteuern als Mitglied einer Bande (Nr. 5)

    ■ Nutzung einer Drittstaat-Gesellschaft (Nr. 6)

    Diese Indizwirkung (Vermutung) kann allerdings durch andere Strafzumessungsfaktoren wieder entkräftet werden. Die sechs benannten besonders schweren Fälle haben nicht nur Bedeutung für die Strafrahmenbestimmung und die Strafzumessung, sondern führen auch zu einer Verlängerung der Verfolgungsverjährungsfrist von 5 auf (neuerdings) 15 Jahre (§ 376 Abs. 1 AO).

    Vor dem Hintergrund fragwürdiger Cum-Ex-Geschäfte ist beabsichtigt, die bandenmäßige Steuerhinterziehung (§ 370 Abs. 3 S. 2 Nr. 5 AO) auf alle Arten von Steuern und Steuervorteilen auszuweiten (Entwurf eines Gesetzes zur umfassenden Verfolgung der organisierten Steuerhinterziehung, BT-Drs. 19/25819). Bisher war dies beschränkt auf Umsatz- und Verbrauchssteuern.

  • BFH: Bloße Bezugnahme auf Steuerfahndungsbericht genügt nicht

    Einige steuerrechtliche Normen setzen voraus, dass eine Steuerhinterziehung begangen wurde.

    Beispielsweise beträgt die Festsetzungsverjährung im Grundsatz vier Jahre, jedoch zehn Jahre, soweit Steuern hinterzogen wurden (§ 169 Abs. 2 S. 1 und 2 AO). Wer eine Steuerhinterziehung begangen oder daran teilgenommen hat (Anstifter oder Gehilfe), haftet nach § 71 AO neben dem Steuerschuldner für die verkürzten Steuern. Und gemäß § 235 AO sind Zinsen auf hinterzogene Steuern zu entrichten.

    In der Praxis nimmt das Finanzamt (Veranlagung, Rechtsbehelfsstelle) zur „Arbeitserleichterung“ gern auf Berichte der Steuerfahndung Bezug und „spart“ sich eigene Ermittlungen dazu, ob tatsächlich eine Steuerhinterziehung vorliegt. Wenn sich dann auch noch das Finanzgericht in seinem Urteil ohne weitere Beweisaufnahme lediglich auf „die nachvollziehbaren Feststellungen und schlüssigen Beweiswürdigungen im Rahmen der strafrechtlichen Ermittlungen“ stützt, dann enthält das Urteil keine Entscheidungsgründe i. S. v. § 105 Abs. 2 Nr. 5 FGO. Folge: Das Urteil leidet an einem Verfahrensmangel (§§ 115 Abs. 2 Nr. 3, 119 Nr. 6 FGO), so dass es in der Revision aufzuheben ist.

    BFH, 17.08.2020, II B 32/20

  • „Update Steuerstrafrecht“ – Online-Vortrag am 01.12.2020 in Berlin

    Für das Deutsche Anwaltsinstitut (DAI) hielt ich zum Thema „Update Steuerstrafrecht“ meinen ersten reinen Online-Vortrag, ins Netz übertragen vom DAI-Ausbildungscenter Berlin aus.

    Besten Dank an das DAI-Team vor Ort für den professionellen Ablauf!

    Siehe auch: Übersicht zu meinen Vorträgen und Skripten

  • Steuerhinterziehung durch Unterlassen und (Un-)Kenntnis des Finanzamtes

    Da Steuerhinterziehung durch pflichtwidriges Unterlassen (§ 370 Abs. 1 Nr. 2 AO) ein „In-Unkenntnis-Lassen“ der Finanzbehörde voraussetzt, stellt sich die Frage, welche Auswirkung es hat, wenn die Finanzbehörde den wahren Besteuerungssachverhalt bereits kennt. Diese Frage verwundert zunächst, denn nach dem Wortsinn der Vorschrift wird man jemanden doch nur dann „in Unkenntnis lassen“ können, wenn er tatsächlich (noch) „in Unkenntnis“ ist.

    Allerdings erschien es dem BayObLG[1] in einer Entscheidung aus 2002[2] „fraglich, ob die Erfüllung des Merkmals ‚In-Unkenntnis-Lassen‘ vom Kenntnisstand der Finanzbehörden abhängen kann. … Die Finanzbehörden könnten … ungeachtet ihres anderweitig erlangten Kenntnisstandes bereits dann … in Unkenntnis gelassen werden, wenn Steuererklärungen pflichtwidrig … nicht abgegeben werden.“

    D. h., die bloße pflichtwidrige Nichtabgabe (oder nicht rechtzeitige Abgabe) einer Steuererklärung stellt nach der Erwägung des BayObLG aus 2002 ein „In-Unkenntnis-Lassen“ dar.[3] Damals blieb die Frage jedoch offen, da sie nicht entscheidungserheblich war. Dieser vom BayObLG erörterten „täterbezogenen Sichtweise“ schloss sich im Jahr 2017 das LG Aurich an.[4]

    Nach anderer Auffassung ist – anders als bei der Steuerhinterziehung durch aktives Tun (§ 370 Abs. 1 Nr. 1 AO) – die „Unkenntnis“ des FA bei der Steuerhinterziehung durch Unterlassen ein (ungeschriebenes) Tatbestandsmerkmal. Wenn also das FA (konkret: der für die Steuerfestsetzung zuständige Beamte) die für die Steuerfestsetzung wesentlichen Tatsachen bereits kennt, dann ist das FA nicht mehr „in Unkenntnis.“ Somit kann der Stpfl den objektiven Tatbestand nicht mehr erfüllen. Allenfalls eine Versuchsstrafbarkeit (§ 370 Abs. 2 AO) ist in diesem Fall noch möglich.[5]

    Der BGH hat diese Frage noch nicht entschieden, tendiert aber in zwei „Randbemerkungen“ (obiter dicta) dahin, dass die Kenntnis der Finanzbehörde tatbestandsausschließend ist.[6]

    [1] Das BayObLG wurde zum 30.06.2006 abgeschafft und zum 15.09.2018 wiedererrichtet.
    [2] BayObLG, 14.03.2002, 4 St RR 8/2002.
    [3] So auch Jäger in Klein, AO15, § 370 Rn. 60b.
    [4] LG Aurich, 08.11.2017, 12 Ns 158/15, aber aufgehoben durch OLG Oldenburg, 10.07.2018, 1 Ss 51/18.
    [5] OLG Oldenburg, 10.07.2018, 1 Ss 51/18; OLG Köln, 31.01.2017, III-1 RVs 253/16.
    [6] BGH, 21.11.2012, 1 StR 391/12; 14.12.2010, 1 StR 275/10; a. A. Jäger in Klein, AO15, § 370 Rn. 60b („zutr LG Aurich v. 8.11.2017“) und Rn. 60d, der bei vorliegender Kenntnis des Finanzbeamten aber u. U. die Kausalität zwischen Tathandlung und Steuerverkürzung verneint.

  • „Steuerstrafverteidigung“ – Vortrag am 23.10.2020 in Leinfelden-Echterdingen/Stuttgart

    Am 23.10.2020 hielt ich in Leinfelden-Echterdingen bei Stuttgart einen 7,5stündigen Vortrag zur Steuerstrafverteidigung für ARBER|seminare.

    Siehe auch: Übersicht zu meinen Vorträgen und Skripten

  • „Das Mandat im Steuerstrafrecht“ – Vortrag am 07.09.2020 in Bochum

    Am 07.09.2020 hielt ich in Bochum einen 5stündigen Vortrag zum Steuerstrafrecht für das Deutsche Anwaltsinstitut (DAI). Der Vortrag war ein Seminar für die Anwaltsfortbildung.

    Siehe auch: Übersicht zu meinen Vorträgen und Skripten