Rico Deutschendorf ▪ Rechtsanwalt | Fachanwalt für Steuerrecht | Steuerstrafverteidiger | Dozent ▪ Leipzig | Sachsen | bundesweit

Tag: Steuerhinterziehung

  • Steuerhinterziehung und Wettbewerbsregister

    Endet ein Steuerstrafverfahren mit einer rechtskräftigen Verurteilung (oder einem Strafbefehl), erhält der Mandant im Normalfall auch Post vom Bundeskartellamt, wenn die Steuerhinterziehung einen unternehmerischen Bezug hat.

    Hintergrund ist das Wettbewerbsregister, das bei dieser Behörde geführt wird. Öffentliche Auftraggeber (Bund, Länder, Kommunen …) haben die Möglichkeit, vor einer Auftragsvergabe das Register einzusehen. Potenzielle Auftragnehmer, die keine „weiße Weste“ haben, werden dann von öffentlichen Aufträgen ausgeschlossen.

    Im Wettbewerbsregister sind u. a. rechtskräftige strafgerichtliche Verurteilungen und Strafbefehle wegen Steuerhinterziehung nach § 370 der Abgabenordnung“ einzutragen.

    Praxis-Tipp

    Verfahrenseinstellungen nach §§ 153ff. StPO – insbesondere die Einstellung gegen Geldauflage (§ 153a StPO) – werden dagegen nicht im Wettbewerbsregister eingetragen.

    Auch andere Steuerstraftaten (Definition in § 369 Abs. 1 AO) sind nach dem eindeutigen Wortsinn („Steuerhinterziehung nach § 370 der Abgabenordnung“) nicht eintragungsfähig, beispielsweise eine Steuerhehlerei (§ 374 AO).
  • Verurteilung wegen Steuerhinterziehung schließt (weitere) Tätigkeit als GmbH-Geschäftsführer nicht aus

    Immer wieder ist zu hören und zu lesen, dass der GmbH-Geschäftsführer durch eine Verurteilung wegen Steuerhinterziehung gemäß § 6 Abs. 2 GmbHG von seinem Amt als Geschäftsführer ausgeschlossen sei. Das ist jedoch falsch.

    Steuerhinterziehung (§ 370 AO) gehört nicht zu den Katalogstraftaten des § 6 Abs. 2 Nr. 3 GmbHG. Insolvenzverschleppung, (Subventions-)Betrug und Untreue sind dort beispielsweise ausdrücklich genannt, aber eben nicht Steuerhinterziehung. Der Katalog ist abschließend.

    Denkbar ist nur, dass aufgrund der Steuerhinterziehung ein Berufs- oder Gewerbeverbot ausgesprochen wurde. Dann kommt der Ausschlussgrund des § 6 Abs. 2 Nr. 2 GmbHG in Betracht. Das ist in der Praxis aber eher selten.

  • BFH: Neues zu Steuerhinterziehung und Restschuldbefreiung

    Zwischen dem Steuer(straf)recht und dem Insolvenzrecht bestehen unliebsame Wechselwirkungen. Befindet sich der Mandant im Insolvenzverfahren oder hat er vor, Insolvenzantrag zu stellen, dann kann die Restschuldbefreiung für Steuerschulden auf der Kippe stehen, wenn der Vorwurf einer Steuerhinterziehung im Raum steht.

    Rechtskräftige Verurteilung wegen Steuerhinterziehung schließt Restschuldbefreiung aus

    Hintergrund ist § 302 Nr. 1 InsO: Nach dieser Vorschrift sind „Verbindlichkeiten des Schuldners … aus einem Steuerschuldverhältnis“ von der Restschuldbefreiung ausgenommen, „sofern der Schuldner im Zusammenhang damit wegen einer Steuerstraftat nach den §§ 370, 373 oder § 374 der Abgabenordnung rechtskräftig verurteilt worden ist …“

    Darunter fällt also insbesondere eine Verurteilung wegen Steuerhinterziehung (§ 370 AO).

    Für eine rechtskräftige Verurteilung genügt ein Strafbefehl (vgl. § 410 Abs. 3 StPO), ein „echtes“ Urteil ist nicht erforderlich (BFH, 28.06.2022, VII R 23/21; 07.08.2018, VII R 24, 25/17: sogar Strafbefehl mit Verwarnung mit Strafvorbehalt, § 59 StGB, genügt). Eine rechtskräftige Verurteilung liegt auch dann (noch) vor, wenn die Eintragung im Bundeszentralregister (BZR) schon getilgt wurde (BFH, 07.08.2018, VII R 24, 25/17).

    Die rechtskräftige Verurteilung muss auch noch nicht im Zeitpunkt der Forderungsanmeldung vorliegen (BFH, 28.06.2022, VII R 23/21).

    Forderungsanmeldung des Finanzamtes mit Attribut „Steuerstraftat“

    Insolvenzforderungen müssen (auch) vom Finanzamt gemäß § 174 Abs. 1 InsO beim Insolvenzverwalter zur Tabelle angemeldet werden. Bei der Anmeldung zur Insolvenztabelle sind der Grund und der Betrag der Forderung anzugeben sowie die Tatsachen, aus denen sich nach Einschätzung des Gläubigers (Finanzamt) ergibt, dass ihr eine Steuerstraftat des Schuldners zugrunde liegt (§ 174 Abs. 2 InsO).

    Praxis-Tipp

    Hat das Finanzamt eine Forderung mit dem Attribut „Steuerstraftat“ zur Insolvenztabelle angemeldet, so hat das Insolvenzgericht den Insolvenzschuldner auf die Rechtsfolgen des § 302 InsO und auf die Möglichkeit eines Widerspruchs hinzuweisen (§ 175 Abs. 2 InsO).

    BFH: Attribut „Steuerstraftat“ kann nachträglich angemeldet werden

    Allerdings kann dieses Attribut (Tatsachen hinsichtlich Steuerstraftat) auch noch nachträglich (bis zum Schlusstermin, § 197 InsO) beim Insolvenzverwalter angemeldet werden (§ 177 Abs. 1 InsO).

    Widerspricht der Schuldner diesem Attribut (die Beschränkung auf das Attribut „Steuerstraftat“ ist zulässig), darf das Finanzamt dazu einen Feststellungsbescheid gemäß § 251 Abs. 3 AO erlassen. Aus diesem Bescheid muss sich ergeben, dass der Schuldner im Zusammenhang mit der Forderung wegen Steuerhinterziehung rechtskräftig verurteilt worden ist (BFH, 28.06.2022, VII R 23/21). Der Erlass des Feststellungsbescheides ist nur bis zur Aufhebung des Insolvenzverfahrens zulässig (AEAO zu § 251, Nr. 5.3.2).

    Der Ausschluss der Restschuldbefreiung soll nach Auffassung der Finanzverwaltung (AEAO zu § 251, Nr. 15.2) auch dann gelten, wenn die Verurteilung erst nach Beendigung des Insolvenzverfahrens rechtskräftig wird.

    Praxis-Tipp

    Auch steuerliche Nebenleistungen nach § 3 Abs. 4 AO (z. B. Zinsen und Säumniszuschläge), die nicht im Strafbefehl bzw. im Urteil enthalten sind, werden von § 302 Nr. 1 InsO erfasst.

    Jedenfalls sind Einstellungen nach §§ 153ff. StPO – insbesondere Einstellung gegen Geldauflage (§ 153a StPO) – nicht von § 302 Nr. 1 InsO erfasst. In diesen Fällen ist eine Restschuldbefreiung auch hinsichtlich strafbefangener Steuerforderungen möglich.
  • Online-Handel mit Autoteilen: Steuerstrafverfahren endet mit abgesprochenem Strafbefehl

    Meinem Mandanten, der einen Online-Handel mit Autoteilen betrieb, wurde vorgeworfen, für mehrere Jahre unrichtige Steuererklärungen abgegeben und dadurch Steuern in Höhe von insgesamt ca. 165.000,00 € verkürzt zu haben. Ein Vorwurf betraf einen besonders schweren Fall der Steuerhinterziehung (Steuerverkürzung von mehr als 50.000,00 € Umsatzsteuer in einem Jahr).

    Das steuerstrafrechtliche Ermittlungsverfahren konnte jetzt durch einen mit der Staatsanwaltschaft im Vorfeld abgesprochenen Strafbefehl (rechtskräftig) beendet werden. Darin wurde eine Freiheitsstrafe von einem Jahr ausgesprochen, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde.

    Mein Mandant kam damit noch einigermaßen glimpflich davon. Vor Gericht hätte es weitaus schlimmer kommen können, insbesondere weil die Steuern noch nicht nachgezahlt wurden.

    Daher wurde auch eine Einziehung angeordnet. Die Staatsanwaltschaft wird also die Steuern beim Mandanten vollstrecken.

  • Zitat der Woche: „2019 ist lange her“

    „Die Taten liegen lange zurück (Tatzeit: 09.01.2019)“

    schreibt mir die Staatsanwaltschaft in einer Einstellungsverfügung vom 31.08.2022 zu einem Steuerstrafverfahren. Dagegen habe ich natürlich nichts einzuwenden.

    Typischerweise hat man es im Steuerstrafverfahren mit Tatvorwürfen zu tun, die sehr lange zurück liegen und zum Teil schon verjährt sind.

    Praxis-Tipp

    Ein langer Zeitraum zwischen der Tat und der späteren Verurteilung ist ein Strafmilderungsgrund und häufig auch ein Grund, das Strafverfahren insbesondere gegen Zahlung einer Geldauflage einzustellen.
  • E-Zigaretten-Verkauf nicht versteuert: Strafverfahren endet mit abgesprochenem Strafbefehl

    Ein Mandant verdiente jahrelang ganz gut mit dem Verkauf von E-Zigaretten und Liquids. Nur beteiligte er das Finanzamt nicht an seinen Gewinnen. Das gegen ihn eingeleitete Steuerstrafverfahren endete jetzt mit einem abgesprochenen Strafbefehl.

    Strafanzeige vom Finanzamt

    2016 wurde gegen meinen Mandanten ein steuerstrafrechtliches Ermittlungsverfahren für die Jahre ab 2011 eingeleitet. Die Strafanzeige kam von dem für meinen Mandanten zuständigen Finanzamt. Mein Mandant hatte u. a. zwei GmbHs mit einem Stammkapital von jeweils 25.000 € gegründet (Bargründung) und daneben noch eine Eigentumswohnung gekauft. Daneben gab es weitere Anhaltspunkte (Kontrollmitteilungen) für unversteuerte gewerbliche Einnahmen.

    Das schien dem Finanzbeamten überprüfungswürdig, denn der Mandant gab keine Steuererklärungen ab, sondern ließ Schätzungsbescheide über sich ergehen, die er auch bezahlte – schließlich waren die Schätzungen deutlich zu niedrig.

    Vorher Selbstanzeigeberatung

    Besondere Tragik an der Sache: Zuvor ließ sich der Mandant zur Abgabe einer Selbstanzeige bei mir beraten. Er wollte jedoch keine Selbstanzeige – zu kompliziert, zu teuer und „es wird schon gut gehen.“ Hinterher ist man schlauer.

    Ermittlungen der Steuerfahndung und Schadensbegrenzung

    Die weiteren Ermittlungen bestätigten den Tatverdacht. Nach einer Kontenabfrage bei der BaFin forderte die Steuerfahndung bei allen Banken meines Mandanten Kontoauszüge an und wertete diese aus. Erst in 2019 wurden meinem Mandanten die Einleitung des Steuerstrafverfahrens und die von der Steuerfahndung aufaddierten Einnahmen und Umsätze bekannt gegeben.

    Die Beweislage war „erdrückend“, so dass die Strategie war, bei der Aufklärung des Sachverhalts mitzuwirken und zu kooperieren, um den Schaden für meinen Mandanten möglichst zu begrenzen. Der Steuerberater meines Mandanten wertete das Zahlenwerk aus und gab in enger Abstimmung mit mir Steuererklärungen für den Mandanten ab, die die Steuerfahndung auch akzeptierte.

    Abgabe an Staatsanwaltschaft und Strafbefehl

    Am Ende standen ca. 430.000 € hinterzogene Steuern (Einkommensteuer, Umsatz- und Gewerbesteuer für mehrere Jahre) im Raum. Mein Mandant zahlte alle Steuern und Zinsen nach.

    Aufgrund der Höhe der Steuerverkürzung wurde die Sache an die Staatsanwaltschaft abgegeben. Im Normalfall wäre die Sache vor dem Amtsgericht angeklagt worden. Aufgrund der besonderen Umstände (u. a. zeitnahe und vollständige Steuernachzahlung, Mitwirkung bei der Aufklärung des Sachverhalts) war die Staatsanwaltschaft jedoch mit einem Strafbefehl einverstanden, dessen Inhalt (ein Jahr Freiheitsstrafe, ausgesetzt zur Bewährung) vorher abgesprochen wurde.

    Mein Mandant akzeptierte den Strafbefehl. Damit kassierte er zwar eine echte Strafe (der rechtskräftige Strafbefehl hat die gleiche Wirkung wie ein Strafurteil), aber ohne Hauptverhandlung vor Gericht. Vor Gericht hätte es bei der Höhe der verkürzten Steuern für den Mandanten auch weitaus schlimmer (und vor allem teurer) kommen können.

    Praxis-Tipp

    Eine möglichst frühzeitige und vollständige Steuernachzahlung ist ein erheblicher Strafmilderungsgrund. Man sollte nicht warten, bis das Finanzamt (Änderungs-)Bescheide erlässt. Besser ist es, schon vorab Zahlungen auf die zu erwartenden Steuernachforderungen leisten. Das verhindert auch eine Einziehung bzw. einen Vermögensarrest.

  • „Steuerstrafrecht“ – Hybrid-Vortrag am 07.07.2022 in Leipzig

    Am 07.07.2022 hielt ich in Leipzig einen 8stündigen Vortrag zum Steuerstrafrecht. Der Vortrag war Teil des Fachanwaltslehrgangs Strafrecht bei ARBER-Seminare.

    Hier können Sie eine Übersicht zu meinen Vorträgen abrufen.

  • „Ausgewählte aktuelle Probleme des Steuerstrafrechts“ – Online-Vortrag am 12.05.2022 in Berlin

    Am 12.05.2022 hielt ich in Berlin einen 2,5stündigen Vortrag zum Thema „Ausgewählte aktuelle Probleme des Steuerstrafrechts“ für das Deutsche Anwaltsinstitut.

    Hier können Sie eine Übersicht zu meinen Vorträgen abrufen.

  • Keine Einziehung bei versuchter Steuerhinterziehung

    Hat der Straftäter durch die Straftat einen Vermögensvorteil erlangt, soll er diesen nicht behalten dürfen. Der Vermögensvorteil wird ihm wieder weggenommen (Vermögensabschöpfung bzw. Einziehung). Streitig war, ob auch bei einer nur versuchten Steuerhinterziehung eine Einziehung möglich ist.

    OLG Celle: Einziehung auch bei versuchter Steuerhinterziehung möglich

    Hat der Täter oder Teilnehmer durch eine rechtswidrige Tat oder für sie etwas erlangt, so hat das Gericht zwingend die Einziehung des „Taterlangten“ anzuordnen. Bei der Steuerhinterziehung entspricht das „Taterlangte“ den ersparten (verkürzten) Steuern oder den zu Unrecht erlangten Steuervorteilen. Dies gilt nach der Rechtsprechung jedoch nicht schlechthin, weil die Einziehung an einen beim Täter tatsächlich eingetretenen Vermögensvorteil anknüpft.

    Das OLG Celle (14.06.2019, 2 Ss 52/19, rechtskräftig) bejahte in einer – zweifelhaften – Entscheidung eine Einziehung auch bei einer lediglich versuchten Steuerhinterziehung. Das OLG ging in seiner kryptischen Urteilsbegründung davon aus, dass schon die Nichtabgabe einer (Einkommen-)Steuererklärung bei Fristablauf

    „einen der Einziehung unterliegenden Vermögensvorteil im Hinblick auf die angefallene Steuerersparnis“

    darstelle.

    „Entgegen der Ansicht des Amtsgerichts steht dem die unterbliebene Steuerfestsetzung durch das Finanzamt nicht entgegen.“

    BGH: Bei versuchter Steuerhinterziehung (noch) nichts erlangt

    Der BGH (08.03.2022, 1 StR 360/21) dagegen erteilte dem OLG Celle in einem anderen Verfahren aber eine deutliche Absage: Das Abschöpfen der ersparten Steueraufwendungen setze

    „den Taterfolg, namentlich die zu niedrige oder verspätete Festsetzung (§ 370 Abs. 4 Satz 1 Halbsatz 1 AO), voraus; erst damit realisiert sich eine Ersparnis, die ursächlich (… „durch die Tat“) auf die tatbestandsmäßige Handlung zurückzuführen ist … a.A. OLG Celle … das Abstellen auf die Tatvollendung ermöglicht eine rechtssichere und insoweit einfach zu handhabende Vermögensabschöpfung.“

    Praxis-Tipp

    Eine Einziehung des Taterlangten setzt voraus, dass die Steuerhinterziehung vollendet wurde. Mithin kommt eine Einziehung bei nur versuchter Steuerhinterziehung nicht in Betracht.

    In diesem Sinne auch eine Verfügung einer Staatsanwaltschaft vom 09.02.2021 in einem Steuerstrafverfahren, in dem ich als Verteidiger tätig war:

    „Absehen Vermögensabschöpfung: Maßnahmen der Vermögensabschöpfung kommen nicht in Betracht, weil es beim Versuch der Steuerhinterziehung geblieben ist. Es wurde nichts erlangt.“

    Recht so!
  • Fachbeitrag: „Verkürzung von Kirchensteuer: Keine Haftung gem. § 71 AO“

    In Heft 5/2022 der Zeitschrift PStR erscheint mein Fachbeitrag zum Thema „Verkürzung von Kirchensteuer: Keine Haftung gem. § 71 AO.“ Hintergrund ist eine aktuelle BGH-Entscheidung, wonach die Verkürzung von Kirchensteuer keine Steuerhinterziehung darstellt. Das hat auch Auswirkungen auf das steuerliche Haftungsrecht.

  • „Steuerstrafrecht Aktuell“ – Online-Vortrag am 02.03.2022

    Am 02.03.2022 hielt ich für den Leipziger Strafverteidiger e. V. im Rahmen der Anwaltsfortbildung einen 1,5stündigen Online-Vortrag zum Thema „Steuerstrafrecht Aktuell.“

    Hier können Sie eine Übersicht zu meinen Vorträgen abrufen.