Rico Deutschendorf ▪ Rechtsanwalt | Fachanwalt für Steuerrecht | Steuerstrafverteidiger | Dozent ▪ Leipzig | Sachsen | bundesweit

Author: Rico Deutschendorf

  • Seminar „Der Steuerstreit – 10 goldene Regeln für den Umgang mit Betriebsprüfern und Steuerfahndern“

    Am 02.11.2021 nahm ich an einem Online-Seminar zum Thema „Der Steuerstreit – 10 goldene Regeln für den Umgang mit Betriebsprüfern und Steuerfahndern“ in Leipzig teil. Veranstaltet wurde das Seminar vom Steuerberaterverband Sachsen.

  • Einziehung im Steuerstrafverfahren auch bei verjährter Steuerforderung

    Die Vorschriften zur strafrechtlichen Vermögensabschöpfung – Einziehung und Vermögensarrest – wurden ab 01.07.2017 neu geregelt. Vor dieser Reform spielte die Vermögensabschöpfung im Steuerstrafverfahren kaum eine Rolle, was sich aber grundlegend geändert hat.

    Voraussetzung der Einziehung

    Hat der Steuerhinterzieher durch eine rechtswidrige Tat oder für sie etwas erlangt, so hat das Gericht zwingend die Einziehung des „Taterlangten“ anzuordnen (§ 73 Abs. 1 StGB). Bei der Steuerhinterziehung entspricht das „Taterlangte“ im Normalfall den ersparten (verkürzten) Steuern oder den zu Unrecht erlangten Steuervorteilen. Insoweit wird gemäß § 73c StGB die Einziehung von Wertersatz angeordnet.

    BGH: Keine Einziehung bei erloschener Steuerforderung

    Gemäß § 73e Abs. 1 StGB ist die Einziehung ausgeschlossen, soweit der Anspruch des Verletzten – hier: der Steueranspruch des Finanzamtes – bereits erloschen ist. Das Erlöschen von Steueransprüchen regelt § 47 AO, wonach Steueransprüche insb. durch Nachzahlung der verkürzten Steuern, aber auch durch Eintritt der Festsetzungsverjährung (§§ 169ff. AO) erlöschen. Der BGH (24.10.2019, 1 StR 173/19) entschied, dass der Begriff des Erlöschens im Sinne von § 47 AO und § 73e Abs. 1 StGB einheitlich auszulegen ist. Steuerrechtlich verjährte Ansprüche können damit nicht eingezogen werden.

    „Nichtanwendungsgesetz I“

    Die BGH-Entscheidung aus 2019 ist überwiegend auch schon wieder Rechtsgeschichte. Vor dem Hintergrund von fragwürdigen „Cum-Ex-Geschäften“, bei denen Festsetzungsverjährung droht (oder gar schon eingetreten ist), wurde durch das Zweite Corona-Steuerhilfegesetz mit Wirkung vom 01.07.2020 ein neuer § 375a in die AO eingefügt.

    AO § 375a Verhältnis zur strafrechtlichen Einziehung

    Das Erlöschen eines Anspruchs aus dem Steuerschuldverhältnis durch Verjährung nach § 47 steht einer Einziehung rechtswidrig erlangter Taterträge nach den §§ 73 bis 73c des Strafgesetzbuches nicht entgegen.

    Seit dem 01.07.2020 unterlagen also auch steuerrechtlich verjährte und damit erloschene Steueransprüche der Einziehung. Nach Art. 97 § 34 EGAO galt § 375a AO (n. F.) aber nur „für alle am 1. Juli 2020 noch nicht verjährten Steueransprüche“, nicht dagegen für zu diesem Zeitpunkt bereits verjährte Steueransprüche.

    „Nichtanwendungsgesetz II“

    Aber auch diese Neuregelung ist schon wieder obsolet. Durch das Jahressteuergesetz 2020 wurden § 375a AO und Art. 97 § 34 EGAO m. W. v. 29.12.2020 wieder aufgehoben. Zugleich wurde in § 73e Abs. 1 StGB ein neuer Satz 2 eingefügt, wonach die Einziehung nicht ausgeschlossen ist „für Ansprüche, die durch Verjährung erloschen sind.“

    ► Praxis-Tipp

    Nach der Übergangsvorschrift in § 316j EGStGB ist die Einziehung bei verjährten Steuerforderungen sogar dann zulässig, wenn die Verjährung bereits vor dem 29.12.2020 eingetreten ist und es sich um eine Steuerverkürzung im großen Ausmaß handelt (Nr. 1 der Vorschrift). Die „Cum-Ex-Geschäfte“ dürften allesamt darunter fallen.

    Nach Auffassung des BGH, 28.07.2021, 1 StR 519/20, verstößt die Übergangsvorschrift des Art. 316j EGStGB nicht gegen das verfassungsrechtliche Rückwirkungsverbot.

  • Cum-Ex-Leerverkäufe und Steuerhinterziehung – Einziehung bei verjährten Steuerforderungen auch rückwirkend zulässig

    Die Geltendmachung tatsächlich nicht einbehaltener Kapitalertragsteuer auf der Grundlage von Cum-Ex-Leerverkaufsgeschäften ist Steuerhinterziehung. Das entschied der Bundesgerichtshof (BGH) am 28.07.2021, 1 StR 519/20. Zugleich hatte der BGH über die Rechtmäßigkeit einer rückwirkenden Einziehung von Taterträgen zu entscheiden.

    Cum-Ex-Leerverkäufe und Steuerhinterziehung

    Das Thema „Cum-Ex“ ist komplex. Der BGH entschied in einem speziellen Fall, dass die Geltendmachung tatsächlich nicht einbehaltener Kapitalertragsteuer auf Basis von Cum-Ex-Leerverkaufsgeschäften Steuerhinterziehung darstellt. Es handelt sich um unrichtige Angaben über steuerlich erhebliche Tatsachen im Sinne von § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO, wodurch ungerechtfertigte Steuervorteile im Sinne von § 370 Abs. 4 S. 2 AO erlangt wurden. Damit bestätigte der BGH die Entscheidung der Vorinstanz (LG Bonn, 18.03.2020, 62 KLs – 213 Js 41/19 – 1/19).

    Einziehung auch rückwirkend zulässig

    Hat der Straftäter oder ein Dritter (hier: eine Bank) durch die Straftat einen Vermögensvorteil (hier: Kapitalertragsteuererstattung als ungerechtfertigter Steuervorteil) erlangt, dann soll er diesen nicht behalten dürfen. Der Vermögensvorteil wird ihm wieder weggenommen (Vermögensabschöpfung bzw. Einziehung).

    Früher war eine Einziehung nicht möglich, wenn die zugrunde liegende Steuerforderung des Finanzamtes schon verjährt war. Das stellte der BGH noch in einer Entscheidung vom 24.10.2019, 1 StR 173/19, klar. Diese Entscheidung ist jedoch überholt. Nachdem überhastet zwei „Nichtanwendungsgesetze“ erlassen wurden, ist seit dem 29.12.2020 eine Neuregelung in § 73e Abs. 1 des Strafgesetzbuchs (StGB) in Kraft, wonach die Einziehung auch „für Ansprüche, die durch Verjährung erloschen sind“, zulässig ist.

    Aufgrund der Übergangsvorschrift in § 316j des Einführungsgesetzes zum Strafgesetzbuch (EGStGB) ist die Einziehung bei verjährten Steuerforderungen sogar dann zulässig, wenn die Verjährung bereits vor dem 29.12.2020 eingetreten ist und es sich um eine Steuerverkürzung im großen Ausmaß handelt (Nr. 1 der Vorschrift). Nach Auffassung des BGH verstößt diese Übergangsvorschrift nicht gegen das verfassungsrechtliche Rückwirkungsverbot.

  • Verfassungsbeschwerde gegen erstes Cum-Ex-Urteil des BGH unzulässig

    Mit Urteil vom 28.07.2021, 1 StR 519/20, entschied der Bundesgerichtshof (BGH), dass die Geltendmachung tatsächlich nicht einbehaltener Kapitalertragsteuer gegenüber dem Finanzamt auf Grundlage von Cum-Ex-Leerverkäufen den Straftatbestand der Steuerhinterziehung erfüllt.

    In dem BGH-Urteil war u. a. auch die Einziehung von Taterträgen gegenüber einer beteiligten Bank bestätigt worden. Hiergegen hatten Anteilseigner der Bank Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht (BVerfG) eingelegt.

    Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG, 22.11.2021, 2 BvR 1872/21), nahm die Verfassungsbeschwerde allerdings nicht zur Entscheidung an. Der eine Beschwerdeführer sei gar nicht beschwerdebefugt. Der andere habe sich nicht mit der entgegenstehenden Rechtsprechung des BVerfG auseinandergesetzt, die zu einem vergleichbaren Fall schon vorliege. Zudem hätten beide Beschwerdeführer nicht dargelegt, dass sie den vorrangigen fachgerichtlichen Rechtsschutz ausgeschöpft haben.

  • Keine Vertagung einer mündlichen Verhandlung, wenn Hinweis schon vorher erteilt wurde

    Im Klageverfahren vor dem Finanzgericht findet grundsätzlich nur ein Termin zur mündlichen Verhandlung statt und im Normalfall wird die Sache noch am selben Tag entschieden (vgl. § 104 FGO). Die beispielsweise im Zivilprozess üblichen Schriftsatzfristen, innerhalb derer man auch noch nach der mündlichen Verhandlung Argumente vorbringen kann, gibt es im Finanzgerichtsprozess nicht.

    In bestimmten Fällen – „aus erheblichen Gründen“, wie es in § 227 Abs. 1 ZPO heißt (§ 155 FGO verweist auf diese Vorschrift) – ist jedoch eine mündliche Verhandlung zu vertagen. Das betont der Bundesfinanzhof (BFH) in einer aktuellen Entscheidung.

    „Weist das FG in der mündlichen Verhandlung auf rechtliche Überlegungen hin, die angesichts des bisherigen Verfahrensablaufs überraschend sind, muss es den Beteiligten Gelegenheit geben, sich dazu äußern zu können. Ist eine Stellungnahme noch innerhalb der mündlichen Verhandlung nicht möglich, ist zu vertagen, wenn der Beteiligte einen entsprechenden Antrag stellt … Es ist im Rahmen seiner Ermessensentscheidung insbesondere dann zur Vertagung verpflichtet, wenn die Entscheidung nur aufgrund tatsächlicher oder rechtlicher Gesichtspunkte erfolgen könnte, zu denen den Beteiligten bisher kein rechtliches Gehör gewährt worden war …“

    Diese Voraussetzungen lagen im Streitfall aber nicht vor, weil der Berichterstatter dem Prozessbevollmächtigten des Klägers bereits vor dem Termin einen schriftlichen rechtlichen Hinweis gab und diesen rechtlichen Hinweis in der mündlichen Verhandlung lediglich wiederholte. Daher war der rechtliche Hinweis nicht überraschend, vielmehr habe sich der Kläger bzw. sein Prozessbevollmächtigter darauf einstellen können und müssen.

    BFH, 04.05.2021, VIII B 97/20

  • Einziehungsentscheidung – Richterlicher Hinweis erforderlich

    Hat der Straftäter durch die Straftat einen Vermögensvorteil erlangt, soll er diesen nicht behalten dürfen. Der Vermögensvorteil wird ihm wieder weggenommen (Vermögensabschöpfung bzw. Einziehung). Zur Sicherung der Einziehung, die erst bei einer strafrechtlichen Verurteilung angeordnet wird, kann als vorläufige Maßnahme schon im Ermittlungsverfahren der Vermögensarrest angeordnet werden, z. B. durch Kontenpfändung oder Eintragung einer Sicherungshypothek im Grundbuch.

    Reform der Vermögensabschöpfung 2017

    Mit Wirkung vom 01.07.2017 wurde die Vermögensabschöpfung (Einziehung und Vermögensarrest) reformiert. Bis dahin fristete die Vermögensabschöpfung im Steuerstrafrecht nur ein Schattendasein. Meinecke (DStR 2018, 2387) prophezeite, dass

    „der (neue) Vermögensarrest … in Steuerstrafverfahren das Instrument der kommenden Jahre, wenn nicht Jahrzehnte“

    ist.

    Diese Prophezeiung ist (leider) eingetreten. In den meisten Fällen wird jetzt eine steuerstrafrechtliche Verurteilung mit einer Einziehungsentscheidung verbunden, wenn die hinterzogenen Steuern noch nicht nachgezahlt wurden. Zahlreiche Entscheidungen des 1. Strafsenats des Bundesgerichtshofs, der unter anderem die alleinige Zuständigkeit für Revisionen in Steuer- und Zollstrafsachen hat, sind in letzter Zeit zum neuen Einziehungsrecht speziell in Steuerstrafverfahren ergangen.

    Anklageschrift schweigt zur Einziehung – Hinweis erforderlich

    Zwischen dem 5. und dem 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs war bisher streitig, was gilt, wenn die Anklageschrift der Staatsanwaltschaft oder der Eröffnungsbeschluss des Gerichts die Einziehung nicht erwähnen. Muss der Strafrichter dann in der Hauptverhandlung einen Hinweis geben, dass er eine Einziehung beabsichtigt? Ist die Einziehungsentscheidung ohne einen solchen vorherigen Hinweis rechtswidrig und in der Revision aufzuheben?

    Der Große Strafsenat des Bundesgerichtshofs entschied am 22.10.2020, Az. GSSt 1/20 – im Einklang mit dem 1. Strafsenat und entgegen dem 5. Strafsenat -, dass dieser Hinweis erforderlich ist. Hintergrund ist § 265 der Strafprozessordnung (StPO). Dessen Sinn und Zweck ist es, den Angeklagten vor Überraschungsentscheidungen zu bewahren und eine sachgerechte Verteidigung zu ermöglichen.

    Praxis-Tipp

    Wird die Einziehung weder in der Anklageschrift noch im Eröffnungsbeschluss erwähnt und erteilt das Gericht auch keinen Hinweis nach § 265 Abs. 2 Nr. 1 StPO, dann wird eine dennoch angeordnete Einziehung in der Revision aufgehoben.
  • Gegen die Diskriminierung von Steuerhinterziehung

    Mich ärgert sehr, dass Steuerhinterziehung in Deutschland immer nur negativ gesehen wird. Auch ganz aktuell. Im Internet habe ich gelesen, dass schwere Steuerhinterziehung wie Mord nicht mehr verjähren soll. Muss das wirklich sein? Setzen wir uns doch endlich mal wieder die Sonnenbrille auf!

    Mehr Netto als Brutto

    Wer Steuern hinterzieht, hat mehr Netto als Brutto in der Tasche. Er kann also mehr ausgeben, als er zur Verfügung hat. Die Kreditbranche hat das schon relativ früh erkannt. Steuerhinterziehung unterstützt damit Einzelhandel, Gastronomie und Handwerk mehr als die zeitweilige Senkung des Umsatzsteuersatzes.

    Es gibt viel zu tun

    Ohne Steuerhinterziehung wüsste die Steuerfahndung auch gar nicht, was sie zwischen 7:00 und 15:30 Uhr machen soll, abgesehen von einer halben Stunde Mittagspause. Und als Steuerstrafverteidiger könnte man sich ohne steuerunehrliche Mandanten keinen Zweitporsche für den Wochenendeinkauf beim Discounter leisten. Bekommt nicht auch der Fiskus durch geschätzte und nachgezahlte Steuern, Zinsen, Geldauflagen oder -strafen womöglich mehr, als des Kaisers ist?

    Gut für’s Klima

    Jedenfalls ist Steuerhinterziehung nachhaltig und gut für die Umwelt. Denn je weniger Rechnungen geschrieben werden, desto mehr Papier wird gespart. Auch die elektronische Rechnung frisst ja nur unnötig Strom und Speicherplatz.

    Gäbe es da nicht „Cum-Ex“ und ähnliche Sachverhalte, die nachdenklich machen. Aber das sind alles Singularitäten. Und nach Stephen Hawking – der sich als erster auf einen barrierefreien Planeten weggebeamt hat, ohne uns zu hinterlassen, wie das geht – ist es müßig, über Singularitäten irgendwelche Erkenntnisse gewinnen zu wollen. Also tun wir es dem Bundeskanzler gleich: Denken wir nicht weiter darüber nach.

    Ausblick

    In diesem Sinne schon mal ein schönes Wochenende und ärgern Sie sich nicht darüber, dass Ihr Nachbar mehr hinterzieht als Sie selbst. Irgendwann bekommt auch er die Verteidigerrechnung, dann sind Sie wieder auf Augenhöhe.

  • Online-Pokergewinne steuerpflichtig?

    Nach einer Entscheidung des Finanzgerichts Münster vom 10.03.2021, Az. 11 K 3030/15 E, G, können Gewinne aus Online-Pokerspielen steuerpflichtig sein. Zumindest, wenn es sich – wie im konkreten Fall („Texas Hold’em“) – um ein Geschicklichkeitsspiel und nicht um ein Glücksspiel handelt.

    Hiergegen wurde Revision zum BFH eingelegt (Az. X R 8/21)

  • Scheinverträge zur Umgehung der Sozialversicherungspflicht – Auch ein steuer(straf)rechtliches Problem

    In einem Musterverfahren vor dem Landessozialgericht Baden-Württemberg, 25.10.2021, Az. L 8 BA 3118/20 ging es um Scheinverträge, die ein „führender Hersteller von Betonprodukten“ mit rumänischen Staatsangehörigen abgeschlossen hatte, um – so das Landessozialgericht – die Sozialversicherungspflicht zu umgehen. Die Rumänen wurden als Selbstständige behandelt, was sie aber offensichtlich nicht waren. Da half es auch nicht, dass Gesellschaftsverträge (GbR-Verträge) aufgesetzt wurden, um der Sache einen seriösen Anschein zu geben.

    „Verkürzung“ von Sozialversicherungsbeiträgen

    Solche „Gestaltungen“ ziehen in der Praxis erhebliche Probleme nach sich. Zunächst ist an die Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen zu denken, parallel auch an eine mögliche Strafbarkeit nach § 266a StGB (Vorenthalten und Veruntreuen von Sozialversicherungsbeiträgen) – der Betonhersteller dürfte Arbeitgeber und die rumänischen „GbR-Gesellschafter“ dürften in Wahrheit Arbeitnehmer sein.

    In der Praxis ist dabei zu beachten, dass die Rechtsprechung den Beginn der Verjährungsfrist neu justiert hat.

    Lohnsteuer

    Wenn der Betonhersteller Arbeitgeber ist, dann hätte er auch Lohnsteuer abführen müssen. Daher wird sich auch das Finanzamt brennend für den Fall interessieren: Die Nachforderung von Lohnsteuer bzw. eine Haftung des Arbeitgebers für nicht abgeführte Lohnsteuer dürfte anstehen. Und hier kommt das Steuerstrafrecht inst Spiel: Durch die pflichtwidrige Nichtabgabe von Lohnsteueranmeldungen wurde im Regelfall Lohnsteuer hinterzogen (§ 370 AO).

    Umsatzsteuer

    Zudem besteht ggf. noch ein umsatzsteuerrechtliches Problem: Wenn die GbRs (Schein-)Rechnungen an den Betonhersteller geschrieben und darin Umsatzsteuer ausgewiesen haben, dann wird die darin ausgewiesene Umsatzsteuer geschuldet, solange die Rechnungen nicht korrigiert wurden. Trotzdem darf der Rechnungsempfänger (Betonhersteller) die in den (Schein-)Rechnungen ausgewiesene Umsatzsteuer nicht als Vorsteuer abziehen. Dann wird Umsatzsteuer nachgefordert und ggf. steht auch die Hinterziehung von Umsatzsteuer im Raum.

  • Jede Steuerhinterziehung als Geldwäsche-Vortat?

    Nach dem neuen § 261 StGB (m. W. v. 18.03.2021) kann Vortat einer Geldwäsche jede rechtswidrige Tat sein, daher auch jede „einfache“ Steuerhinterziehung. § 261 Abs. 1 StGB alte Fassung setzte noch voraus, dass die Steuerhinterziehung gewerbs- oder bandenmäßig begangen wurde.

    Allerdings sind nach der Neufassung von § 261 Abs. 1 StGB „die durch die Steuerhinterziehung ersparten Aufwendungen“ (vgl. § 261 Abs. 1 S. 3 StGB a. F.) kein taugliches Tatobjekt der Geldwäsche mehr, weil die Neufassung die ersparten Aufwendungen nicht mehr ausdrücklich erwähnt (OLG Saarbrücken, 26.05.2021, 4 Ws 53/21).

    Gemäß § 31b Abs. 2 AO sind Finanzbehörden verpflichtet, Geldwäsche-Sachverhalte an die sog. Financial Intelligence Unit (FIU) zu melden, „unabhängig von deren Höhe.“

  • Ausweitung der TKÜ bei Steuerhinterziehung

    Gemäß § 100a Abs. 1 S. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 2 a) StPO a. F. war die Telekommunikationsüberwachung im Fall einer Steuerhinterziehung nur zulässig, wenn die Steuerhinterziehung „unter den in § 370 Abs. 2 Satz 2 Nr. 5 genannten Voraussetzungen“ begangen wurde (also bandenmäßige Hinterziehung von Umsatz- oder Verbrauchssteuern bzw. bandenmäßige Erlangung von Umsatz- oder Verbrauchssteuervorteilen).

    Mit Wirkung vom 01.07.2021 erfasst § 100a Abs. 2 Nr. 2 a) StPO nunmehr auch bandenmäßige Steuerhinterziehungen zu sonstigen Steuerarten (z. B. Einkommensteuer), wenn ein Fall des § 370 Abs. 3 S. 2 Nr. 1 AO (= Steuerverkürzung oder Steuervorteil in großem Ausmaß) vorliegt.

  • Verjährungsbeginn bei Steuerhinterziehung: Erstbescheid oder Änderungsbescheid maßgeblich?

    Ausgangspunkt

    Kürzlich kam es in einem Steuerstrafverfahren vor dem Amtsgericht Leipzig u. a. zu einer Kontroverse über den Beginn der Verfolgungsverjährungsfrist.

    Meinem Mandanten, ein Steuerberater, warf man in mehreren Anklagepunkten Steuerhinterziehung zugunsten seiner Mandanten, aber auch in eigener Sache vor, jeweils durch Abgabe unrichtiger Einkommensteuererklärungen (§ 370 Abs. 1 Nr. 1 AO). Schon vor Eröffnung des Hauptverfahrens waren drei vorgeworfene Taten verjährt. Jetzt ging es um die Frage, ob seitdem ein weiterer Anklagepunkt verjährt ist. Je nachdem, wann man den Beginn der Verjährungsfrist ansetzt, war die angeklagte Tat bereits verjährt oder eben nicht.

    Sachverhalt (vereinfacht)

     

    Am 25.05.2011 wurde die Einkommensteuererklärung 2010 beim Finanzamt eingereicht. Darin wurden – so der Vorwurf – zu Unrecht Verluste aus Vermietung und Verpachtung erklärt. Daraufhin wurde am 04.10.2011 der Einkommensteuerbescheid 2010 bekannt gegeben, in dem das Finanzamt die erklärten Verluste aus Vermietung und Verpachtung berücksichtigte. Am 06.06.2013 erging ein Änderungsbescheid, der sich allerdings auf andere Einkünfte (Beteiligungseinkünfte) bezog.

    Am 11.10.2021 fand der (letzte) Hauptverhandlungstermin vor dem Amtsgericht statt. Zu Beginn gab ich zu Protokoll, dass die vorgeworfene Tat bereits verjährt sei. Gleichwohl wurde der Mandant am Ende des Tages auch in diesem Anklagepunkt verurteilt. Staatsanwaltschaft und Gericht gingen davon aus, dass die Tat nicht verjährt sei.

    Verjährungsfrist und „absolute“ Verjährung

    Bei Steuerhinterziehung gilt entweder eine 5jährige (§ 78 Abs. 3 Nr. 4 StGB) oder – falls ein gesetzlich genannter Fall einer besonders schweren Steuerhinterziehung vorliegt (z. B. Steuerverkürzung in großem Ausmaß) – die 15jährige Verjährungsfrist (376 Abs. 1 AO). Im vorliegenden Fall gilt die 5jährige Verjährungsfrist. Die Verfolgungsverjährung kann unterbrochen werden, z. B. durch Bekanntgabe der Einleitung eines steuerstrafrechtlichen Ermittlungsverfahrens. Dann beginnt die Verjährungsfrist neu. Zu beachten ist dabei aber die so genannte absolute Verjährungsfrist. Diese beträgt – in Fällen wie hier – maximal das Doppelte der gesetzlichen Verjährungsfrist (§ 78c Abs. 3 S. 2 StGB), also 10 Jahre.

    Die Verfolgungsverjährungsfrist beginnt, wenn die Tat beendet ist. Nach der Rechtsprechung des BGH ist die Tat bei Veranlagungssteuern (hier: Einkommensteuer) und aktivem Tun (hier: Abgabe unrichtiger Steuererklärungen) mit Bekanntgabe des unrichtigen Steuerbescheides beendet. Maßgeblich für die Tatbeendigung ist die Bekanntgabe des (ersten) auf die unrichtige Erklärung ergehenden Steuerbescheides. Etwaige spätere Änderungsbescheide spielen für die Frage der Tatbeendigung keine Rolle (BGH, 25.04.2001, 5 StR 613/00; Jäger in Klein, AO, § 376 Rn. 21).

    Lösung

     

    Staatsanwaltschaft und Gericht gingen – ohne nähere Begründung – davon aus, dass es für den Beginn der Verjährungsfrist auf den Änderungsbescheid (06.06.2013) ankomme. Rechne man 10 Jahre (absolute Verjährungsfrist) hinzu, würde die Tat erst im Juni 2023 verjähren.

    Das ist jedoch falsch. Richtigerweise kommt es nach der BGH-Rechtsprechung auf den Erstbescheid (Bekanntgabe am 04.10.2011) an. Absolute Verjährung trat folglich mit Ablauf des 03.10.2021, also vor der erstinstanzlichen Verurteilung (11.10.2021) ein.

    Insoweit wurde mein Mandant trotz Verjährung und damit zu Unrecht verurteilt. Ich bin gespannt, was das Landgericht in der Berufung davon hält.