Rico Deutschendorf ▪ Rechtsanwalt | Fachanwalt für Steuerrecht | Steuerstrafverteidiger | Dozent ▪ Leipzig | Sachsen | bundesweit

Author: Rico Deutschendorf

  • „Cum-Ex“-Schlüsselfigur: BGH bestätigt Verurteilung von Hanno Berger

    Der Bundesgerichtshof (BGH) verwarf mit Beschluss vom 29.10.2024 (Aktenzeichen: 1 StR 58/24) die Revision gegen das zugrundeliegende Urteil des Landgerichts Wiesbaden vom 30.05.2023 (Aktenzeichen: 6 KLs – 1111 Js 18753/21) als unbegründet. Dieses hatte den Angeklagten, bei dem es sich um einen „zugelassenen, derzeit inhaftierten Rechtsanwalt“ handelt, wegen Steuerhinterziehung in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren und drei Monaten verurteilt.

    Formmangel im Zusammenhang mit beA-Übermittlung problematisiert

    Der BGH problematisierte zunächst einen möglichen Verstoß gegen § 32d StPO. Nach dieser Vorschrift sollen Verteidiger und Rechtsanwälte den Strafverfolgungsbehörden und Gerichten Schriftsätze und deren Anlagen sowie schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen als elektronisches Dokument übermitteln. Die Berufung und ihre Begründung, die Revision, ihre Begründung und die Gegenerklärung sowie die Privatklage und die Anschlusserklärung bei der Nebenklage müssen sie als elektronisches Dokument übermitteln.

    Der Angeklagte – zugelassener Rechtsanwalt – hatte selbst eine Gegenerklärung abgegeben. Diese Gegenerklärung wurde durch einen allein „in der Strafvollstreckung“ mandatierten Verteidiger über dessen (des Verteidigers) besonderes elektronisches Anwaltspostfach (beA) an den BGH „zur weiteren Bearbeitung“ übersandt.

    Der BGH ließ offen, ob das den Wirksamkeitserfordernissen des § 32d StPO genügt, weil dies nicht entscheidungserheblich war.

    Praxis-Tipp

    Die elektronische Übermittlung insb. der Revisionsschrift, der Begründungsschrift und der Gegenerklärung (§ 32d S. 2 StPO) ist Wirksamkeitsvoraussetzung. Der Verteidiger muss erkennbar selbst die volle Verantwortung für den Inhalt dieser Schriftsätze übernehmen. Das bloße Weiterleiten von Erklärungen des Angeklagten genügt nicht. Auch an der Mandatierung des Verteidigers für die Revision bestehen Zweifel, weil sich die Mandatierung – warum auch immer – nur auf die Strafvollstreckung bezog.

    Unzulässige Vorbefassung nicht hinreichend dargelegt

    Mit der vom Angeklagten vorgebrachten Rüge einer unzulässigen Vorbefassung des Landgerichts (Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK) hat sich der BGH inhaltlich nicht befasst. Eine Verfahrensrüge dieser Stoßrichtung sei nicht innerhalb der Revisionsbegründungsfrist des § 345 Abs. 1 StPO erhoben worden.

    Entgegen der Ansicht des Angeklagten resultiere allein aus einer die Besorgnis der Befangenheit begründenden Vorbefassung eines Richters auch kein von Amts wegen zu prüfendes Verfahrenshindernis. Nicht jede (behauptete) Verletzung einer der Garantien des Art. 6 EMRK begründe einen derart schwerwiegenden Verfahrensfehler, der es rechtfertigen würde, das Strafverfahren ohne abschließende Sachentscheidung einzustellen.

    Im Übrigen seien bei Besorgnis der Befangenheit eines Berufsrichters die hierfür eröffneten Ablehnungs- und Rügemöglichkeiten gemäß §§ 24 ff., 338 Nr. 3 StPO auch vorrangig auszuschöpfen.

    Schuld- und Strafausspruch bestätigt – Einzelfragen zu „Cum-Ex“

    Der Schuld- und der Strafausspruch wurde vom BGH bestätigt. Der BGH weist darauf hin, dass im Veranlagungszeitraum 2006 Dividendenkompensationszahlungen nicht der Kapitalertragsteuer unterlagen. Beim Erwerb von Aktien im Wege eines Cum-Ex-Geschäfts wäre Kapitalertragsteuer beim Erwerber daher nur dann anzurechnen, wenn ihm die Abführung der Kapitalertragsteuer auf die originäre Dividende zuzurechnen wäre, weil er schon durch den Abschluss des schuldrechtlichen Vertrags wirtschaftlicher Eigentümer der Aktie wurde. Dies war
    aber beim Erwerb vom Leerverkäufer im Veranlagungszeitraum 2006 ebenso wenig der Fall wie in späteren Veranlagungszeiträumen.

    Die Finanzbehörden hätten auch nicht schon aufgrund einer schlichten Bezugnahme auf § 20 Abs. 1
    Nr. 1 Satz 4 EStG bei Abgabe der Körperschaftsteuererklärung erkennen müssen, dass keine Kapitalertragsteuer hätte angerechnet oder erstattet werden dürfen. Hierbei handele es sich aber auch um urteilsfremdes Vorbringen, denn hierzu habe das Landgericht nichts festgestellt.

    Praxis-Tipp

    Das Revisionsverfahren dient allein der rechtlichen Überprüfung. Dabei ist das Revisionsgericht an den von der Tatsacheninstanz festgestellten Sachverhalt gebunden. Mit neuen Sachverhalt („urteilsfremdes Vorbringen“) wird man nicht gehört.

    Revisionsverfahren gegen Einziehungsentscheidung abgetrennt

    Darüber hinaus hatte das Landgericht die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 1.084.500 € angeordnet. Die Entscheidung über die auch dagegen gerichtete Revision stellte der BGH jedoch zurück, weil sich anderenfalls die Entscheidung über die anderen Rechtsfolgen der Tat (Strafausspruch) unangemessen verzögern würde. In diesem Fall ist eine Abtrennung des Verfahrens über die Einziehung möglich (§ 422 StPO).

  • Revision unzulässig, wenn Einziehungsbeteiligte die Revisionsbegründung selbst unterzeichnen

    Wer durch eine Straftat – z. B. durch eine Steuerhinterziehung – einen Vermögensvorteil erlangt, bei dem kann dieser Vermögensvorteil abgeschöpft werden (Einziehung). Wer damit nicht einverstanden ist, kann dagegen Rechtsmittel einlegen. Allerdings müssen die jeweiligen Formvorschriften peinlich genau beachtet werden, wie eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 27.11.2024, 1 StR 48/24, deutlich macht.

    Revision gegen Einziehung von Taterträgen

    Die sog. Einziehungsbeteiligte hatte gegen ein Urteil des Landgerichts Darmstadt Revision eingelegt. Das Urteil ordnete die Einziehung eines Betrags von ca. 300.000 Euro an, der aus mutmaßlichen Taterträgen stammte. Die Revisionsbegründung wurde von der Einziehungsbeteiligten persönlich unterzeichnet.

    Formfehler bei der Revisionsbegründung

    Ein schwerer Fehler: Die Revisionsbegründung entsprach nicht den Vorgaben des § 345 Abs. 2 i. V. m. § 427 Abs. 1 S. 1StPO. Demnach muss sie entweder von einem Rechtsanwalt unterschrieben oder zu Protokoll der Geschäftsstelle des Landgerichts erklärt werden. Beides war hier nicht geschehen, somit war die Revision unzulässig. Inhaltlich musste sich der Bundesgerichtshof mit der Revision daher gar nicht mehr befassen.

    Praxis-Tipp

    Auch für Einziehungsbeteiligte gelten die gleichen Formvorschriften wie für Angeklagte. Fehler führen unweigerlich zur Unzulässigkeit von Rechtsmitteln.
  • Hinterziehungszinsen: Finanzamt berechnet Zinslauf falsch

    Wenn Steuern hinterzogen wurden, sind diese zu verzinsen (§ 235 Abs. 1 S. 1 AO). Immer wieder habe ich Bescheide über Hinterziehungszinsen auf dem Tisch, in denen der Zinslauf vom Finanzamt falsch berechnet wurde.

    Anhand des folgenden Beispiels möchte ich die Problematik veranschaulichen:

    Beispiel

    Unternehmer U, der keinen Steuerberater hat, gab pflichtwidrig seine Umsatzsteuer-Jahreserklärung für 2017 nicht ab. Nach Einleitung eines Steuerstrafverfahrens und Erlass eines Nachforderungsbescheides zahlt U die hinterzogene Umsatzsteuer 2017 am 15.12.2024 nach.

    Beginn des Zinslaufs: Eintritt der Steuerverkürzung

    Der Zinslauf beginnt gemäß § 235 Abs. 2 S. 1, 1. HS AO grundsätzlich „mit dem Eintritt der Verkürzung“ (Steuerverkürzung). Bei Anmeldungssteuern (wie hier die Umsatzsteuer) ist die Steuer im Fall des pflichtwidrigen Unterlassens (§ 370 Abs. 1 Nr. 2 AO) mit Ablauf der Anmeldungsfrist verkürzt.

    Anmeldungsfrist für die Umsatzsteuer 2017 war bei steuerlich nicht vertretenen Steuerpflichtigen der Ablauf des 31.05.2018.

    Häufig liest man dann im Zinsbescheid des Finanzamtes:

    „Beginn des Zinslaufes: 31.05.2018“

    Ausnahme: Spätere Fälligkeit

    Das ist jedoch falsch, denn dabei wurde die (Be-)Rechnung ohne § 235 Abs. 2 S. 2, 2. HS und S. 2 AO gemacht („… es sei denn, dass die hinterzogenen Beträge ohne die Steuerhinterziehung erst später fällig geworden wären. In diesem Fall ist der spätere Zeitpunkt maßgebend.“).

    Hier greift die Ausnahme: Gemäß § 18 Abs. 4 S. 1 UStG wird nach Abgabe einer Umsatzsteuer-Jahreserklärung (Jahresanmeldung) ein Unterschiedsbetrag zugunsten des Finanzamtes erst einen Monat nach Eingang der Jahresanmeldung fällig.

    Unterstellt man, dass die Umsatzsteuer-Jahreserklärung für 2017 am letzten Tag der Anmeldungsfrist (31.05.2018) abgegeben worden wäre – was zulässig ist -, dann wäre die USt-Nachzahlung (erst) mit Ablauf des 30.06.2018 fällig gewesen. Der Zinslauf beginnt daher erst mit Ablauf des 30.06.2018.

    Da der 30.06.2018 ein Sonnabend war, verschiebt sich die Fälligkeit gemäß § 108 Abs. 3 AO auf den nächstfolgenden Werktag (hier: 02.07.2018).
    Praxis-Tipp

    Es lohnt sich, den Beginn des Zinslaufs nachzuprüfen. Je nachdem, wie hoch der zu verzinsende Betrag bzw. die verkürzten Steuern sind, kann der Fehler des Finanzamtes dem Mandanten sonst hunderte bis tausende Euro zusätzlich kosten. Ist der Zinslauf falsch berechnet, sollte Einspruch eingelegt und Aussetzung der Vollziehung beantrag werden. – Bei der Einkommensteuer enthält § 36 Abs. 4 EStG eine Regelung zur Fälligkeit.

  • Steuerhinterziehung steht Erlass von Steuerforderungen nicht grundsätzlich entgegen

    Das Finanzamt kann Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis (z. B. Steuerforderungen, Zinsen, Säumniszuschläge) ganz oder zum Teil erlassen, wenn deren Einziehung nach Lage des einzelnen Falls unbillig wäre (§ 227 AO). Ein Erlass setzt Erlassbedürftigkeit und Erlasswürdigkeit des Antragstellers voraus.

    Wird dem Mandanten vorgeworfen, er habe Steuerhinterziehung begangen und steht der Erlassantrag damit im Zusammenhang, dann lehnt das Finanzamt häufig mit nur einem Satz ab:

    „Ein Erlass scheidet … aufgrund fehlender Erlasswürdigkeit aus, da eine Steuerhinterziehung vorliegt.“

    Das ist in dieser Allgemeinheit falsch. Steuerliches Fehlverhalten reicht für sich allein nicht aus, die Erlasswürdigkeit zu verneinen. Die Entscheidung über den Erlass hängt auch in diesen Fällen von einer Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalls ab (BFH, 15.10.1992, X B 152/92; BFH, 02.03.1961, IV 126/60 U; Werth in Klein, AO18, § 227 Rn. 45).

    Praxis-Tipp

    Enthält die Ablehnung des Erlassantrags keine Einzelfallwürdigung, sollte dagegen Einspruch eingelegt werden. Das Finanzamt kann (und soll) im Einspruchsverfahren allerdings nachbessern.
  • Oh du fröhliche … Revisionsbegründung

    (Steuer-)Strafverteidigung ist aufregend. Was gibt es Aufregenderes, als ein Urteil eines Landgerichts in einer Steuerstrafsache, das kurz vor Weihnachten zugestellt wird.

    Ab der Zustellung beginnt die einmonatige Revisionsbegründungsfrist. Die Frist läuft ohne Rücksicht auf Weihnachtsfeiertage, Weihnachtsferien, Neujahr und sonstige Veranstaltungen, die der Erholung und seelischen Erhebung dienen sollen. Eine Verlängerung der Revisionsbegründungsfrist ist nicht möglich (anders z. B. im Finanzgerichtsverfahren, § 120 Abs. 2 FGO).

    Das Jahr endet also gut und wird genauso gut wieder losgehen.

    In diesem Sinne: Fröhliche Weihnachten!

  • Vorfreude, schönste Freude …

    Am kommenden Donnerstag geht es in die zweite Runde in einer Steuerstrafsache vor dem Landgericht. Die erste Hauptverhandlung wurde Ende 2023 ausgesetzt, jetzt beginnt sie von neuem.

    Befangenheitsanträge während ausgesetzter Hauptverhandlung

    Während der ersten – ausgesetzten – Hauptverhandlung hatte ich drei Befangenheitsanträge gegen den Vorsitzenden gestellt, die alle abgelehnt wurden.

    Problem: Hiergegen gibt es kein separates Rechtsmittel. Dass die Befangenheitsanträge zu Unrecht abgelehnt wurden, kann erst später in der Revision gerügt werden. Bis dahin muss der angeklagte Mandant mit dem abgelehnten Vorsitzenden leben.

    Wiederholung in der neuen Hauptverhandlung

    Der 4. Strafsenat (31.01.2023, 4 StR 67/22) und der 5. Strafsenat des BGH (26.01.2006, 5 StR 500/05) sind uneins darüber, ob die während der ausgesetzten Hauptverhandlung gestellten Befangenheitsanträge in der neuen Hauptverhandlung wiederholt bzw. die Ablehnungsgründe erneut geltend gemacht werden müssen (5. Strafsenat: ja; 4. Strafsenat: nein).

    Davon kann die Zulässigkeit einer Verfahrensrüge abhängen: Wiederholt man die Ablehnungsgründe nicht und folgt man der Auffassung des 5. Strafsenats, kann man die Befangenheitsanträge mit der Revision nicht mehr angreifen.

    Wohl oder übel werde ich mich also auf die Pfade des 5. Strafsenats begeben müssen (Stichwort: „sicherster Weg“). Die Befangenheitsanträge habe ich auf 7 Seiten komprimiert, die ich nach Aufruf der Sache vortragen werde.

    Den Vorsitzenden habe ich vorab darüber informiert. Die Stimmung wird also gleich zu Beginn wieder versaut sein. Aber das Leben ist kein Ponyhof.

  • Steuerstrafverfahren durch wechselseitige Rücknahme der Berufung beendet

    Meinem Mandanten wurde vorgeworfen, in den Jahren 2012, 2013 und 2015 Umsatzsteuer, Einkommensteuer und Gewerbesteuer in Höhe von insgesamt ca. 220.000 € verkürzt zu haben. Mein Mandant habe unter dem Namen seines Vaters ein Unternehmen betrieben und keine bzw. verspätete Steuererklärungen abgegeben.

    Teilfreispruch vor dem Amtsgericht

    Hinsichtlich 2015 räumte mein Mandant den Tatvorwurf dem Grunde nach ein. Sein Vater sei krank geworden und er habe dessen Unternehmen in 2015 faktisch weitergeführt. Den Tatvorwurf betreffend die Jahre 2012 und 2013 bestritt mein Mandant jedoch. In diesen Jahren sei sein Vater der Unternehmer gewesen.

    Vor dem Amtsgericht Leipzig gab es im April 2023 einen (Teil-)Freispruch hinsichtlich der Jahre 2012 und 2013, hinsichtlich 2015 erfolgte eine Verurteilung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 8 Monaten, ausgesetzt zur Bewährung. Zusätzlich sollte mein Mandant 7.000 € an die Staatskasse entrichten (Bewährungsauflage).

    Berufung und Erörterungstermin

    Sowohl die Staatsanwaltschaft als auch ich für meinen Mandanten legten Berufung ein. Der Vorsitzende am nunmehr zuständigen Landgericht Leipzig setzte kürzlich einen Erörterungstermin an. Nach seiner (vorläufigen) Auffassung sei der Freispruch vom Strafrichter gut begründet worden, möglicherweise werde er in der Berufung gehalten. Hinsichtlich der Verurteilung sei ggf. nicht mit einer wesentlichen Verbesserung gegenüber dem amtsgerichtlichen Urteil zu rechnen.

    In dem Erörterungstermin verständigten sich Staatsanwaltschaft und ich darauf, jeweils die Berufung zurückzunehmen, was auch geschah. Damit ist das Urteil des Amtsgerichts rechtskräftig. Mein Mandant kann damit leben.

  • Kostenfestsetzungsantrag in einer Steuerstrafsache: „Zinsantrag zu unbestimmt“

    An anderer Stelle berichtete ich über ein Steuerstrafverfahren, das nach Aufhebung in der Revision an eine andere Strafkammer des Landgerichts Leipzig zurückverwiesen und dort beendet wurde. Der Staatskasse wurde ein Teil der Anwaltskosten auferlegt.

    „Zinsantrag zu unbestimmt“

    Im Kostenfestsetzungsverfahren schrieb mir die zuständige Rechtspflegerin am Amtsgericht Leipzig:

    „Bezüglich Ihren Kostenfestsetzungsantrages … bitte ich … um Konkretisierung Ihres Zinsantrages. Sie haben weder einen konkreten Zinssatz oder z.B. einen Verweis auf auf die gesetzliche Regelung im Antrag angegeben. Der Antrag ist hinsichtlich des Zinsantrages deshalb zu unbestimmt.“

    Man reibt sich die Augen: Ich ging davon aus, dass die gesetzliche Regelung dort bekannt sei. Daher hatte ich tatsächlich im Kostenfestsetzungsantrag (nur) beantragt,

    „auszusprechen, dass der festgesetzte Betrag ab Eingang des Antrags zu verzinsen ist.“

    Nachbesserung des Zinsantrags

    Ich besserte nach und konkretisierte den Zinsantrag wie folgt:

    „Gemäß § 464b S. 1 StPO wird die Höhe der Kosten und Auslagen, die ein Beteiligter einem anderen Beteiligten zu erstatten hat, auf Antrag eines Beteiligten durch das Gericht des ersten Rechtszuges festgesetzt. Gemäß § 464b S. 2 StPO ist auf Antrag auszusprechen, dass die festgesetzten Kosten und Auslagen von der Anbringung des Festsetzungsantrags an zu verzinsen sind. Auf die Höhe des Zinssatzes … sind die Vorschriften der Zivilprozessordnung entsprechend anzuwenden (§ 464b S. 3 StPO).

    Gemäß § 104 Abs. 1 S. 2 ZPO ist auf Antrag auszusprechen, dass die festgesetzten Kosten vom Eingang des Festsetzungsantrags ab mit fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 des Bürgerlichen Gesetzbuchs zu verzinsen sind.“

    Kostenfestsetzungsbeschluss

    Kürzlich erhielt ich den Kostenfestsetzungsbeschluss. Darin heißt es:

    „Die Vergütung und Auslagen sind im Antrag sachlich und rechnerisch richtig berechnet, so dass antragsgemäß festzusetzen ist. Der Verzinsungsantrag wurde mit Schriftsatz vom 29.10.2024 konkretisiert auf 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gemäß § 247 BGB ab Antragseingang.“

    Wahnsinn!

  • Kein Vorsatz bei Steuerhinterziehung: Vertrauen auf Mitarbeiter und Steuerberater entlastet

    Schon etwas her, aber in der Praxis sehr relevant: Eine relativ kurze Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 25.01.2023 (Aktenzeichen: 1 StR 199/22) befasst sich mit der Frage, ob Vorsatz oder Leichtfertigkeit auch dann vorliegt, wenn sich der Steuerpflichtige bei der Erfüllung seiner steuerrechtlichen Pflichten auf Mitarbeiter oder seinen Steuerberater verlässt.

    Landgericht sprach mangels Vorsatzes und Leichtfertigkeit frei

    Das Landgericht sprach den Angeklagten vom Vorwurf der Steuerhinterziehung (§ 370 AO) frei. Der Angeklagte habe nicht vorsätzlich gehandelt, weil er bei Erstellung der Buchhaltung und der Steuererklärungen auf seine Mitarbeiter und auf seine steuerlichen Berater vertraut habe. Er habe auch keinen Anlass gehabt, deren Arbeit infrage zu stellen. Leichtfertigkeit (§ 378 AO) liege daher ebenfalls nicht vor.

    Bestätigung des Freispruchs durch den BGH

    Der BGH bestätigte die Beweiswürdigung des Landgerichts und verwarf die Revision der Staatsanwaltschaft. Die Beurteilung des Landgerichts, der Angeklagte habe weder vorsätzlich noch leichtfertig gehandelt, sei revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

    Praxis-Tipp

    Unternehmerisch tätige Mandanten lassen ihre steuerlichen Angelegenheiten (Buchführung, Jahresabschlüsse, Steuererklärungen) meist von einem Steuerberater erledigen. Dem sachkundigen Rat eines Steuerberaters oder Rechtsanwalts darf der Steuerpflichtige regelmäßig vertrauen, wenn der Sachverhalt vom Berater umfassend geprüft wurde.

    Der Steuerpflichtige muss aber darlegen, dass er seinen Berater über alle Umstände informiert hat und wie die Rechtsauskunft des Beraters im Einzelnen lautete. Gelingt dies – was eine entsprechende Dokumentation der Beratungsanfrage und der Auskunft des Beraters voraussetzt –, ist der Vorsatz (§ 370 AO) zu verneinen.

    Aber auch Leichtfertigkeit (§ 378 AO) liegt dann im Regelfall nicht vor. Die Rechtsprechung versteht § 378 AO als „Auffangtatbestand“: Bestehen Anhaltspunkte dafür, dass sich der Steuerpflichtige zumindest leichtfertig verhalten hat, kommt ein Freispruch vom Vorwurf der Steuerhinterziehung wegen nicht erwiesenen Tatvorsatzes nur in Betracht, wenn zugleich geprüft wird, ob § 378 AO vorliegt.
  • (Steuer-)Strafverfahren gegen Berufsträger: Vorsicht bei Verhandlungsunfähigkeit

    Vorsicht bei der Verteidigung von Berufsträgern (insb. Rechtsanwälte und Steuerberater): Berufen diese sich auf Verhandlungsunfähigkeit, dann ist es möglich, dass die zuständige Berufskammer die Vorlage eines ärztlichen Gutachtens über den Gesundheitszustand verlangt. Für Rechtsanwälte ist das in § 15 Abs. 1 BRAO geregelt.

    Der BGH (Senat für Anwaltssachen) entschied über einen Fall, in dem sich ein Rechtsanwalt in mehreren Strafverfahren auf Verhandlungsunfähigkeit berufen hatte. Daraufhin ordnete die Rechtsanwaltskammer an, dass der Rechtsanwalt ein ärztliches Gutachten einzuholen habe. Hiergeben wandte sich der Rechtsanwalt, weil die Anforderung eines Gutachtens „über Ihren Gesundheitszustand“ viel zu weit gehe.

    Das Vorgehen der Rechtsanwaltskammer und das nachfolgende Urteil des Anwaltsgerichtshofs wurden vom BGH jedoch als rechtmäßig bestätigt (BGH, 30.07.2024, AnwZ (Brfg) 11/24).

    Praxis-Tipp

    Gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 3 BRAO ist die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft zu widerrufen, wenn der Rechtsanwalt aus gesundheitlichen Gründen nicht nur vorübergehend unfähig ist, den Beruf eines Rechtsanwalts ordnungsgemäß auszuüben, es sei denn, dass sein Verbleiben in der Rechtsanwaltschaft die Rechtspflege nicht gefährdet.

    Wird das Gutachten ohne zureichenden Grund nicht innerhalb der von der Rechtsanwaltskammer gesetzten Frist vorgelegt, so wird gesetzlich vermutet, dass die betroffene Person aus gesundheitlichen Gründen nicht nur vorübergehend unfähig ist, den Beruf eines Rechtsanwalts ordnungsgemäß auszuüben (§ 15 Abs. 3 BRAO).

    Für Steuerberater enthält § 46 Abs. 2 Nr. 7, Abs. 3 StBerG eine ähnliche Vorschrift.

  • Zitat der Woche: Revisionssichere Strafurteile schaffen

    Diese Woche stolperte ich über einen interessanten Aufsatz von Schnürer, Das revisionssichere Urteil in Strafsachen, NStZ 2024, 523.

    Der Aufsatz richtet sich zwar primär an Richterinnen und Richtern der Strafkammern an den Landgerichten. Aber auch für die Verteidigung lässt sich daraus viel über die „Denke“ einer Strafkammer und eines Revisionsgerichts lernen. Für gestandene Verteidigerinnen und Verteidiger steckt sicherlich nicht viel Neues darin, aber die klaren, knackigen Formulierungen sind trotzdem lesenswert.

    Verfahrensziel: Rechtskraft

    Eingangs stellt Schnürer – selbst Richter an einem Landgericht und einige Jahre als wissenschaftlicher Mitarbeiter am BGH – fest, dass „die Bearbeitung von Strafverfahren mit dem Ziel, zu einem rechtskräftigen Urteil zu gelangen, … die alltägliche Arbeit der Strafkammern der Landgerichte“ präge.

    Daher gibt Schnürer seinen Berufskolleginnen und -kollegen „einige allgemeine Anregungen für die praktische Arbeitsweise“ mit auf den Weg, „die auf eine Erhöhung der Revisionssicherheit der eigenen Entscheidungen abzielen.“

    Insbesondere

    „soll es um die Frage gehen, wie man zu einem Urteilstext gelangt, der einer Überprüfung im Revisionsverfahren standhält. Die Überlegungen sind dabei auf die in der Praxis am häufigsten vorkommende Konstellation einer Verurteilung bezogen, lassen sich aber weitgehend auch auf freisprechende Urteile übertragen.“

    Arbeitshypothese: (Vor-)Verurteilung

    Die wichtigste – und für die zu verteidigende Mandantschaft gravierendste – Anregung scheint mir diese zu sein:

    „Es bietet sich etwa für den Berichterstatter an, bereits nach der ersten Lektüre von Anklageschrift und wesentlichen Aktenbestandteile [sic] stichpunktartig das am wahrscheinlichsten erscheinende Ergebnis in der Struktur des späteren Urteils niederzulegen.“

    Wahrscheinlichstes Ergebnis heißt hier: Verurteilung. Das Grundgerüst für eine Verurteilung, einen Schuldspruch, steht also schon, noch bevor der erste Hauptverhandlungstag anbricht und die erste Beweisaufnahme stattfindet. Damit ist auch klar, dass die Anklage zugelassen wird. Anker- und Inertia-Effekt lassen zusätzlich grüßen.

    Ein Kollege, der eine Fortbildung zu „Verteidigungskonzepten für die Hauptverhandlung“ hielt, sagte einmal treffend:

    „Wenn nichts passiert, was nicht in der Akte steht, dann wird der Angeklagte verurteilt.“

    Hauptverhandlung: Bestätigung der Arbeitshypothese

    Danach braucht sich der Tatrichter in der Hauptverhandlung nur noch die passenden „Puzzleteile“ zusammensuchen, die es für die spätere Begründung der Verurteilung braucht:

    „Ist beim Tatgericht an den entscheidenden Stellen Problembewusstsein geweckt, ist ihm die Möglichkeit eröffnet, durch gezielte Sachaufklärung in der Hauptverhandlung alle relevanten Argumente ‚zu sammeln‘, die es zu einer überzeugenderen Begründung des Urteils benötigt. So können die beteiligten Richter frühzeitig abschätzen, welche Beweismittel sie für überzeugende Ausführungen in den schriftlichen Urteilsgründen benötigen und welche in der Akte niedergelegten Umstände sie durch spezifische Nachfragen bzw. durch Vorhalte bei Zeugen oder Sachverständigen einführen müssen. Mögliche Lücken können unter Umständen durch ergänzende Fragen geschlossen werden.“

    Fazit

    Der Aufsatz ist jeder angehenden Strafverteidigerin und jedem angehenden Strafverteidiger wärmstens zu empfehlen. Er zeigt in aller Klarheit auf, warum eine engagierte Verteidigung zwingend erforderlich ist: Damit etwas passiert, was nicht in den Akten steht.