Im Finanzgerichtsverfahren ergibt sich für den Steuerpflichtigen bzw. seinen Berater aus § 78 S. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ein Recht auf Akteneinsicht in die Gerichtsakte und die dem Gericht vorgelegten Akten. Bei den „vorgelegten Akten“ handelt es sich um die für den Streitfall relevanten Akten des Finanzamtes, z. B. Haftungsakten, Rechtsbehelfsakten und Akten der Betriebsprüfung.
„Sonderakte“ vorenthalten und ans Finanzamt zurückgesandt
In einem Finanzgerichtsverfahren hatte ich neulich einen Termin zur Akteneinsicht. Zuvor hatte das Finanzamt im Rahmen der Aktenübersendung mitgeteilt, dass
„… die Akten keine durch das Steuergeheimnis geschützten Daten bzw. Vorgänge über Verhältnisse Dritter“
enthalten.
Einen Tag nach meiner Akteneinsicht erhielt ich ein Schreiben der Berichterstatterin an das Finanzamt zur Kenntnis. Darin heißt es:
„… in Vorbereitung der Akteneinsichtnahme durch Herrn Rechtsanwalt Deutschendorf ist aufgefallen, dass sich unter den übersandten Akten auch eine Sonderakte mit der Kennzeichnung ‚Nur für das Finanzamt bestimmte Unterlagen‘ befand. Diese Akte schicken wir unbesehen an Sie zurück; sie wurde auch Herrn Rechtsanwalt Deutschendorf nicht zur Einsichtnahme zur Verfügung gestellt.“
Umfang des Akteneinsichtsrechts und Ausnahmen
Das Akteneinsichtsrecht umfasst grundsätzlich alle dem Finanzgericht tatsächlich vorgelegten Akten. Ein Akteneinsichtsgesuch darf das Finanzgericht nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (z. B. BFH, 21.04.2023, III B 41/22, Rn. 14 mit weiteren Nachweisen) nur verweigern, wenn besondere (Ausnahme-)Gründe vorliegen, insbesondere:
- Fälle des § 78 Abs. 4 FGO
- Verpflichtung zur Wahrung des Steuergeheimnisses oder Datenschutzes
- rechtsmissbräuchliche Ausübung des Akteneinsichtsrechts bzw. Prozessverschleppung
Verweigerung der Akteneinsicht rechtswidrig
Solche Ausnahmegründe sind hier nicht ersichtlich. Allein der Verweis auf die Kennzeichnung „Nur für das Finanzamt bestimmte Unterlagen“ genügt nicht. Das Gericht hätte vielmehr anhand des Inhalts der „Sonderakte“ prüfen müssen, ob bzw. dass der Vermerk berechtigte Interessen schützt und ein besonderer Ausschlussgrund vorliegt. Das ist hier offensichtlich nicht geschehen („unbesehen“).
Zudem ist es hier wahrscheinlich, dass das Finanzamt diese „Sonderakte“ nicht versehentlich an das Gericht übersandt, sondern entgegen dem Vermerk durch Übersendung ans Gericht auch die Freigabe zur Akteneinsicht erteilt hat. Dafür spricht, dass das Finanzamt mitteilte, dass die übersandten Akten „keine durch das Steuergeheimnis geschützten Daten bzw. Vorgänge über Verhältnisse Dritter“ enthalten.
Diese Umstände hätten vor Rücksendung der „Sonderakte“ vom Gericht aufgeklärt werden müssen und es hätte mir vorher Gelegenheit zur Stellungnahme und damit rechtliches Gehör gewährt werden müssen. Ich habe daher diese Vorgehensweise beanstandet und beantragt, dass das Finanzamt die betreffende „Sonderakte“ nochmals an das Gericht übersendet und mir gemäß § 78 Abs. 1 S. 1 FGO Akteneinsicht in diese „Sonderakte“ gewährt wird.