Rico Deutschendorf ▪ Rechtsanwalt | Fachanwalt für Steuerrecht | Steuerstrafverteidiger | Dozent ▪ Leipzig | Sachsen | bundesweit

Category: Steuerhinterziehung

  • „Cum-Ex“-Schlüsselfigur: BGH bestätigt Verurteilung von Hanno Berger

    Der Bundesgerichtshof (BGH) verwarf mit Beschluss vom 29.10.2024 (Aktenzeichen: 1 StR 58/24) die Revision gegen das zugrundeliegende Urteil des Landgerichts Wiesbaden vom 30.05.2023 (Aktenzeichen: 6 KLs – 1111 Js 18753/21) als unbegründet. Dieses hatte den Angeklagten, bei dem es sich um einen „zugelassenen, derzeit inhaftierten Rechtsanwalt“ handelt, wegen Steuerhinterziehung in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren und drei Monaten verurteilt.

    Formmangel im Zusammenhang mit beA-Übermittlung problematisiert

    Der BGH problematisierte zunächst einen möglichen Verstoß gegen § 32d StPO. Nach dieser Vorschrift sollen Verteidiger und Rechtsanwälte den Strafverfolgungsbehörden und Gerichten Schriftsätze und deren Anlagen sowie schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen als elektronisches Dokument übermitteln. Die Berufung und ihre Begründung, die Revision, ihre Begründung und die Gegenerklärung sowie die Privatklage und die Anschlusserklärung bei der Nebenklage müssen sie als elektronisches Dokument übermitteln.

    Der Angeklagte – zugelassener Rechtsanwalt – hatte selbst eine Gegenerklärung abgegeben. Diese Gegenerklärung wurde durch einen allein „in der Strafvollstreckung“ mandatierten Verteidiger über dessen (des Verteidigers) besonderes elektronisches Anwaltspostfach (beA) an den BGH „zur weiteren Bearbeitung“ übersandt.

    Der BGH ließ offen, ob das den Wirksamkeitserfordernissen des § 32d StPO genügt, weil dies nicht entscheidungserheblich war.

    Praxis-Tipp

    Die elektronische Übermittlung insb. der Revisionsschrift, der Begründungsschrift und der Gegenerklärung (§ 32d S. 2 StPO) ist Wirksamkeitsvoraussetzung. Der Verteidiger muss erkennbar selbst die volle Verantwortung für den Inhalt dieser Schriftsätze übernehmen. Das bloße Weiterleiten von Erklärungen des Angeklagten genügt nicht. Auch an der Mandatierung des Verteidigers für die Revision bestehen Zweifel, weil sich die Mandatierung – warum auch immer – nur auf die Strafvollstreckung bezog.

    Unzulässige Vorbefassung nicht hinreichend dargelegt

    Mit der vom Angeklagten vorgebrachten Rüge einer unzulässigen Vorbefassung des Landgerichts (Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK) hat sich der BGH inhaltlich nicht befasst. Eine Verfahrensrüge dieser Stoßrichtung sei nicht innerhalb der Revisionsbegründungsfrist des § 345 Abs. 1 StPO erhoben worden.

    Entgegen der Ansicht des Angeklagten resultiere allein aus einer die Besorgnis der Befangenheit begründenden Vorbefassung eines Richters auch kein von Amts wegen zu prüfendes Verfahrenshindernis. Nicht jede (behauptete) Verletzung einer der Garantien des Art. 6 EMRK begründe einen derart schwerwiegenden Verfahrensfehler, der es rechtfertigen würde, das Strafverfahren ohne abschließende Sachentscheidung einzustellen.

    Im Übrigen seien bei Besorgnis der Befangenheit eines Berufsrichters die hierfür eröffneten Ablehnungs- und Rügemöglichkeiten gemäß §§ 24 ff., 338 Nr. 3 StPO auch vorrangig auszuschöpfen.

    Schuld- und Strafausspruch bestätigt – Einzelfragen zu „Cum-Ex“

    Der Schuld- und der Strafausspruch wurde vom BGH bestätigt. Der BGH weist darauf hin, dass im Veranlagungszeitraum 2006 Dividendenkompensationszahlungen nicht der Kapitalertragsteuer unterlagen. Beim Erwerb von Aktien im Wege eines Cum-Ex-Geschäfts wäre Kapitalertragsteuer beim Erwerber daher nur dann anzurechnen, wenn ihm die Abführung der Kapitalertragsteuer auf die originäre Dividende zuzurechnen wäre, weil er schon durch den Abschluss des schuldrechtlichen Vertrags wirtschaftlicher Eigentümer der Aktie wurde. Dies war
    aber beim Erwerb vom Leerverkäufer im Veranlagungszeitraum 2006 ebenso wenig der Fall wie in späteren Veranlagungszeiträumen.

    Die Finanzbehörden hätten auch nicht schon aufgrund einer schlichten Bezugnahme auf § 20 Abs. 1
    Nr. 1 Satz 4 EStG bei Abgabe der Körperschaftsteuererklärung erkennen müssen, dass keine Kapitalertragsteuer hätte angerechnet oder erstattet werden dürfen. Hierbei handele es sich aber auch um urteilsfremdes Vorbringen, denn hierzu habe das Landgericht nichts festgestellt.

    Praxis-Tipp

    Das Revisionsverfahren dient allein der rechtlichen Überprüfung. Dabei ist das Revisionsgericht an den von der Tatsacheninstanz festgestellten Sachverhalt gebunden. Mit neuen Sachverhalt („urteilsfremdes Vorbringen“) wird man nicht gehört.

    Revisionsverfahren gegen Einziehungsentscheidung abgetrennt

    Darüber hinaus hatte das Landgericht die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 1.084.500 € angeordnet. Die Entscheidung über die auch dagegen gerichtete Revision stellte der BGH jedoch zurück, weil sich anderenfalls die Entscheidung über die anderen Rechtsfolgen der Tat (Strafausspruch) unangemessen verzögern würde. In diesem Fall ist eine Abtrennung des Verfahrens über die Einziehung möglich (§ 422 StPO).

  • Hinterziehungszinsen: Finanzamt berechnet Zinslauf falsch

    Wenn Steuern hinterzogen wurden, sind diese zu verzinsen (§ 235 Abs. 1 S. 1 AO). Immer wieder habe ich Bescheide über Hinterziehungszinsen auf dem Tisch, in denen der Zinslauf vom Finanzamt falsch berechnet wurde.

    Anhand des folgenden Beispiels möchte ich die Problematik veranschaulichen:

    Beispiel

    Unternehmer U, der keinen Steuerberater hat, gab pflichtwidrig seine Umsatzsteuer-Jahreserklärung für 2017 nicht ab. Nach Einleitung eines Steuerstrafverfahrens und Erlass eines Nachforderungsbescheides zahlt U die hinterzogene Umsatzsteuer 2017 am 15.12.2024 nach.

    Beginn des Zinslaufs: Eintritt der Steuerverkürzung

    Der Zinslauf beginnt gemäß § 235 Abs. 2 S. 1, 1. HS AO grundsätzlich „mit dem Eintritt der Verkürzung“ (Steuerverkürzung). Bei Anmeldungssteuern (wie hier die Umsatzsteuer) ist die Steuer im Fall des pflichtwidrigen Unterlassens (§ 370 Abs. 1 Nr. 2 AO) mit Ablauf der Anmeldungsfrist verkürzt.

    Anmeldungsfrist für die Umsatzsteuer 2017 war bei steuerlich nicht vertretenen Steuerpflichtigen der Ablauf des 31.05.2018.

    Häufig liest man dann im Zinsbescheid des Finanzamtes:

    „Beginn des Zinslaufes: 31.05.2018“

    Ausnahme: Spätere Fälligkeit

    Das ist jedoch falsch, denn dabei wurde die (Be-)Rechnung ohne § 235 Abs. 2 S. 2, 2. HS und S. 2 AO gemacht („… es sei denn, dass die hinterzogenen Beträge ohne die Steuerhinterziehung erst später fällig geworden wären. In diesem Fall ist der spätere Zeitpunkt maßgebend.“).

    Hier greift die Ausnahme: Gemäß § 18 Abs. 4 S. 1 UStG wird nach Abgabe einer Umsatzsteuer-Jahreserklärung (Jahresanmeldung) ein Unterschiedsbetrag zugunsten des Finanzamtes erst einen Monat nach Eingang der Jahresanmeldung fällig.

    Unterstellt man, dass die Umsatzsteuer-Jahreserklärung für 2017 am letzten Tag der Anmeldungsfrist (31.05.2018) abgegeben worden wäre – was zulässig ist -, dann wäre die USt-Nachzahlung (erst) mit Ablauf des 30.06.2018 fällig gewesen. Der Zinslauf beginnt daher erst mit Ablauf des 30.06.2018.

    Da der 30.06.2018 ein Sonnabend war, verschiebt sich die Fälligkeit gemäß § 108 Abs. 3 AO auf den nächstfolgenden Werktag (hier: 02.07.2018).
    Praxis-Tipp

    Es lohnt sich, den Beginn des Zinslaufs nachzuprüfen. Je nachdem, wie hoch der zu verzinsende Betrag bzw. die verkürzten Steuern sind, kann der Fehler des Finanzamtes dem Mandanten sonst hunderte bis tausende Euro zusätzlich kosten. Ist der Zinslauf falsch berechnet, sollte Einspruch eingelegt und Aussetzung der Vollziehung beantrag werden. – Bei der Einkommensteuer enthält § 36 Abs. 4 EStG eine Regelung zur Fälligkeit.

  • Strafbefehl wegen Steuerhinterziehung in Einstellung gegen Geldauflage „umgewandelt“

    Ich verteidigte einen Mandanten in einem steuerstrafrechtlichen Ermittlungsverfahren, dem von der Bußgeld- und Strafsachenstelle (BuStra) des Finanzamtes Hinterziehung von Einkommensteuer vorgeworfen wurde. Er habe den Zufluss einer betrieblichen Altersversorgung nicht in seiner Steuererklärung angegeben, wodurch ca. 19.000 € Einkommensteuer verkürzt worden sei.

    Die BuStra bot an, das Ermittlungsverfahren gegen eine Geldauflage i. H. v. 8.500 € einzustellen. Das schien mir zu hoch und daher bot ich für meinen Mandanten zunächst 4.750,00 €, später 6.000 € an. Die BuStra ließ nicht mit sich reden, sondern beantragte einen Strafbefehl, der auch erlassen wurde. Nach Einspruch gegen den Strafbefehl wurde ein Hauptverhandlungstermin vor dem Amtsgericht Chemnitz angesetzt.

    Nach Kontaktaufnahme zur Staatsanwaltschaft gelang es, nochmals über eine Einstellung gegen Geldauflage ins Gespräch zu kommen. Letztendlich einigte man sich auf Zahlung von 7.000 €. Der Hauptverhandlungstermin wurde wieder aufgehoben und nach Zahlung der Geldauflage wurde das Verfahren endgültig eingestellt.

    Praxis-Tipp

    Die BuStra darf zwar selbst einen Strafbefehl beantragen. Wird jedoch Einspruch dagegen eingelegt, dann wird die Staatsanwaltschaft zuständig und die BuStra hat „nichts mehr zu sagen“ (§§ 406, 407 der Abgabenordnung). Das wird in der Praxis hin und wieder übersehen.

    Wenn man sich also mit der BuStra im Ermittlungsverfahren nicht auf eine Geldauflage einigen konnte, dann gelingt es vielleicht im weiteren Verfahren mit der Staatsanwaltschaft.

  • Steuerhinterziehung durch Steuerberater: Verurteilung in der Revision teilweise aufgehoben

    Ich verteidige einen Mandanten, dem vorgeworfen wird, als Steuerberater habe er Beihilfe und Anstiftung zur Steuerhinterziehung zugunsten seiner Mandanten sowie Steuerhinterziehung in eigener Sache begangen.

    Verurteilung vor Amts- und Landgericht

    Das Amtsgericht Leipzig verurteilte meinen Mandanten zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten (ausgesetzt zur Bewährung), teilweise sprach es frei.

    In der Berufung vor dem Landgericht Leipzig (Az. 11 Ns 221 Js 34298/21 (2)) – sowohl die Staatsanwaltschaft als auch ich hatten Berufung eingelegt – kam eine Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und zwei Monaten heraus, ebenfalls ausgesetzt zur Bewährung. Zudem sollte mein Mandant 30.000,00 € Geldauflage zahlen.

    Revision teilweise erfolgreich

    Meine Revision vor dem OLG Dresden hatte teilweise Erfolg (Beschluss vom 08.02.2024, Az. 1 ORs 13 Ss 501/22). Zwar konnte ich nicht mit meinen Argumenten gegen den Schuldspruch durchdringen. Die Verurteilung dem Grunde nach hat das OLG „gehalten.“ Allerdings bemängelte es den Strafausspruch.

    Insbesondere vermisste das OLG eine Entscheidung über die Kompensation einer rechtssstaatswidrigen Verfahrensverzögerung. Das steuerstrafrechtliche Ermittlungsverfahren gegen meinen Mandanten wurde (bereits) im Jahr 2015 eingeleitet, Anklage wurde aber erst in 2020 erhoben. Zudem begann erst im September 2021 die Hauptverhandlung. Das Landgericht hätte diese Umstände näher darlegen und würdigen müssen.

    Zudem stellte das Landgericht in seinem Urteil die Berechnung der verkürzten Steuern teilweise nur unzureichend dar. Die aufgeführten Steuerverkürzungen waren für das OLG (teilweise) nicht nachvollziehbar.

    Und schließlich habe das Landgericht die lange Verfahrensdauer als wesentlichen Strafzumessungskriterium nicht hinreichend gewürdigt.

    Die Sache wurde zur neuen Verhandlung und Entscheidung an eine andere Kammer des Landgerichts Leipzig zurückverwiesen.

    Praxis-Tipp

    Die Urteilsfeststellungen müssen insbesondere enthalten, welche Steuern zu welchem Zeitpunkt tatsächlich (nicht, zu niedrig oder zu spät) festgesetzt wurden („Ist-Steuer“), die Besteuerungsgrundlagen für die gesetzlich geschuldete Steuer („Soll-Steuer“), eine im Einzelnen nachvollziehbare Berechnung der „Soll-Steuern“, gesondert für jede Steuerart und für jeden Steuerabschnitt sowie eine Gegenüberstellung von „Soll-“ und „Ist-Steuer“, deren Differenz die Steuerverkürzung ergibt (BGH, 08.08.2017, 1 StR 519/16).

    Kommt es in einem (Steuer-)Strafverfahren zu einem großen zeitlichen Abstand zwischen Tat und Urteil, kann dies bei der Bestimmung der Rechtsfolgen unter drei verschiedenen Aspekten von Bedeutung sein:

    Zunächst kann der betreffende Zeitraum bereits für sich genommen ins Gewicht fallen. Unabhängig hiervon kann einer überdurchschnittlich langen Verfahrensdauer eine eigenständige Bedeutung zukommen, bei der insbesondere die mit dem Verfahren selbst verbundenen Belastungen des Angeklagten zu berücksichtigen sind. Und schließlich kann sich eine darüber hinaus gehende rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung zu Gunsten des Angeklagten auswirken. Diese Umstände sind als jeweils eigenständige und auch bestimmende Strafzumessungsgründe (§ 267 Abs. 3 S. 1 StPO) bei der Strafzumessung zu berücksichtigen (BGH, 26.10.2017, 1 StR 359/17).

    Update (23.08.2024)

    Zwischenzeitlich fand die zweite Berufungshauptverhandlung nach Zurückverweisung statt. Heraus kam (nur noch) eine Gesamtgeldstrafe von 250 Tagessätzen zu je 50 €, also 12.500,00 €. Mein Mandant hat diese akzeptiert.

  • BGH bestätigt: Keine Einziehung bei nur versuchter Steuerhinterziehung

    Der BGH hat seine Entscheidung vom 08.03.2022, 1 StR 360/21, bestätigt, wonach die Einziehung gemäß §§ 73ff. StGB die Vollendung der Tat (also eine vollendete Steuerhinterziehung) voraussetzt. Der bloße Versuch der Steuerhinterziehung genügt nicht.

    „Hinsichtlich der Einkommensteuer für das Veranlagungsjahr 2014 hat der Angeklagte die Steuerhinterziehung jedoch lediglich versucht …, mit der Folge, dass die Einziehung des Wertes von Taterträgen (§ 73 Abs. 1, § 73c Satz 1 StGB) insoweit ausscheidet.“

    BGH, 06.04.2023, 1 StR 412/22, ebenso BGH, 06.04.2023, 1 StR 36/23

    Praxis-Tipp

    Das gilt auch für den Vermögensarrest (§ 111e StPO), der angeordnet werden kann, um die spätere Wertersatzeinziehung zu sichern: Bei lediglich versuchter Steuerhinterziehung scheidet ein Vermögensarrest aus, die Steuerhinterziehung muss vollendet sein.

    Da in Steuerstrafverfahren oft mehrere Taten vorgeworfen werden (Bsp.: Einkommen-, Gewerbesteuer- und Umsatzsteuerhinterziehung für mehrere Jahre), wird hin und wieder für alle vorgeworfenen Taten der Vermögensarrest angeordnet, obwohl einzelne Taten – erkannt oder unerkannt – noch im Versuchsstadium „stecken geblieben“ sind. Dann sollte Beschwerde gegen den Vermögensarrest eingelegt werden.
  • E-Zigaretten-Verkauf nicht versteuert: Strafverfahren endet mit abgesprochenem Strafbefehl

    Ein Mandant verdiente jahrelang ganz gut mit dem Verkauf von E-Zigaretten und Liquids. Nur beteiligte er das Finanzamt nicht an seinen Gewinnen. Das gegen ihn eingeleitete Steuerstrafverfahren endete jetzt mit einem abgesprochenen Strafbefehl.

    Strafanzeige vom Finanzamt

    2016 wurde gegen meinen Mandanten ein steuerstrafrechtliches Ermittlungsverfahren für die Jahre ab 2011 eingeleitet. Die Strafanzeige kam von dem für meinen Mandanten zuständigen Finanzamt. Mein Mandant hatte u. a. zwei GmbHs mit einem Stammkapital von jeweils 25.000 € gegründet (Bargründung) und daneben noch eine Eigentumswohnung gekauft. Daneben gab es weitere Anhaltspunkte (Kontrollmitteilungen) für unversteuerte gewerbliche Einnahmen.

    Das schien dem Finanzbeamten überprüfungswürdig, denn der Mandant gab keine Steuererklärungen ab, sondern ließ Schätzungsbescheide über sich ergehen, die er auch bezahlte – schließlich waren die Schätzungen deutlich zu niedrig.

    Vorher Selbstanzeigeberatung

    Besondere Tragik an der Sache: Zuvor ließ sich der Mandant zur Abgabe einer Selbstanzeige bei mir beraten. Er wollte jedoch keine Selbstanzeige – zu kompliziert, zu teuer und „es wird schon gut gehen.“ Hinterher ist man schlauer.

    Ermittlungen der Steuerfahndung und Schadensbegrenzung

    Die weiteren Ermittlungen bestätigten den Tatverdacht. Nach einer Kontenabfrage bei der BaFin forderte die Steuerfahndung bei allen Banken meines Mandanten Kontoauszüge an und wertete diese aus. Erst in 2019 wurden meinem Mandanten die Einleitung des Steuerstrafverfahrens und die von der Steuerfahndung aufaddierten Einnahmen und Umsätze bekannt gegeben.

    Die Beweislage war „erdrückend“, so dass die Strategie war, bei der Aufklärung des Sachverhalts mitzuwirken und zu kooperieren, um den Schaden für meinen Mandanten möglichst zu begrenzen. Der Steuerberater meines Mandanten wertete das Zahlenwerk aus und gab in enger Abstimmung mit mir Steuererklärungen für den Mandanten ab, die die Steuerfahndung auch akzeptierte.

    Abgabe an Staatsanwaltschaft und Strafbefehl

    Am Ende standen ca. 430.000 € hinterzogene Steuern (Einkommensteuer, Umsatz- und Gewerbesteuer für mehrere Jahre) im Raum. Mein Mandant zahlte alle Steuern und Zinsen nach.

    Aufgrund der Höhe der Steuerverkürzung wurde die Sache an die Staatsanwaltschaft abgegeben. Im Normalfall wäre die Sache vor dem Amtsgericht angeklagt worden. Aufgrund der besonderen Umstände (u. a. zeitnahe und vollständige Steuernachzahlung, Mitwirkung bei der Aufklärung des Sachverhalts) war die Staatsanwaltschaft jedoch mit einem Strafbefehl einverstanden, dessen Inhalt (ein Jahr Freiheitsstrafe, ausgesetzt zur Bewährung) vorher abgesprochen wurde.

    Mein Mandant akzeptierte den Strafbefehl. Damit kassierte er zwar eine echte Strafe (der rechtskräftige Strafbefehl hat die gleiche Wirkung wie ein Strafurteil), aber ohne Hauptverhandlung vor Gericht. Vor Gericht hätte es bei der Höhe der verkürzten Steuern für den Mandanten auch weitaus schlimmer (und vor allem teurer) kommen können.

    Praxis-Tipp

    Eine möglichst frühzeitige und vollständige Steuernachzahlung ist ein erheblicher Strafmilderungsgrund. Man sollte nicht warten, bis das Finanzamt (Änderungs-)Bescheide erlässt. Besser ist es, schon vorab Zahlungen auf die zu erwartenden Steuernachforderungen leisten. Das verhindert auch eine Einziehung bzw. einen Vermögensarrest.

  • Nichtabgabe der Umsatzsteuer-Jahreserklärung 2019: Steuerstrafverfahren teilweise mangels Tatverdacht eingestellt

    Meinem Mandanten wurde von der Bußgeld- und Strafsachenstelle (BuStra) unter anderem vorgeworfen, durch Nichtabgabe der Umsatzsteuer-Jahreserklärung 2019 eine Steuerhinterziehung begangen zu haben. Jetzt wurde das steuerstrafrechtliche Ermittlungsverfahren in diesem Punkt mangels Tatverdacht eingestellt.

    Pflichtwidrigkeit bei Steuerhinterziehung durch Unterlassen

    Steuerhinterziehung durch Unterlassen einer Steuererklärung (§ 370 Abs. 1 Nr. 2 AO) setzt voraus, dass der Beschuldigte pflichtwidrig gehandelt hat. Das ist der Fall, wenn gegen Steuererklärungspflichten verstoßen wurde. Für die Abgabe von Steuererklärungen bestehen jedoch Fristen. Erst wenn die Steuererklärungsfrist vollständig abgelaufen ist, kann überhaupt eine Pflichtwidrigkeit vorliegen.

    Steuererklärungsfristen 2019 – „Corona“-Besonderheiten

    Das führt zu der Frage, welche Steuererklärungsfrist für 2019 bei meinem Mandanten galt. Dabei ist zu unterscheiden, ob der Mandant seine Steuererklärungen selbst erstellt oder ob es sich hierbei eines steuerlichen Beraters bedient. Im Grundsatz war die Umsatzsteuer-Jahreserklärung 2019 bis zum 31.07.2020 abzugeben („Jedermann-Frist“). Mein Mandant war jedoch steuerlich beraten, so dass er dafür bis zum 28.02.2021 Zeit hatte („Beraterprivileg“).

    Allerdings ist die „Corona“-bedingte Sonderregelung des Art. 97 § 36 Abs. 1 EGAO zu beachten. Für die Jahressteuererklärungen 2019 lief bei beratenen Steuerpflichtigen die Abgabefrist erst am 31.08.2021 ab. Das bedeutet, mein Mandant hatte bis zum 31.08.2021 Zeit, seine USt-Jahreserklärung für 2019 einzureichen.

    Teilweise verfrühte Einleitung des Ermittlungsverfahrens

    Am 17.05.2021 reichte mein Mandant seine Umsatzsteuer-Jahreserklärung 2019 durch seinen Steuerberater beim Finanzamt ein. Daraufhin wurde am 31.05.2021 gegen den Mandanten ein steuerstrafrechtliches Ermittlungsverfahren eingeleitet. Der Vorwurf lautete, die Umsatzsteuer-Jahreserklärungen 2017, 2018 und 2019 nicht bzw. nicht rechtzeitig eingereicht zu haben.

    Die BuStra ging davon aus, dass mein Mandant bei Ablauf der Steuererklärungsfrist 2019 (nach Auffassung der BuStra: am 31.05.2020) steuerlich noch nicht vertreten war. Somit gelte für ihn das „Beraterprivileg“ nicht. Dabei übersah die Bußgeld- und Strafsachenstelle sogar die ab Veranlagungszeitraum 2018 geltende Verlängerung der „Jedermann-Frist“ auf den 31.07. des Folgejahres.

    Verteidigungsaktivitäten

    Im Ermittlungsverfahren konnte ich nachweisen, dass mein Mandant bereits vor dem 31.05.2020 steuerlich vertreten war. Dazu genügt die Beauftragung des Steuerberaters. Eine Anzeige der Beauftragung beim Finanzamt ist nach dem Gesetz nicht erforderlich. Somit galt für meinen Mandanten das „Beraterprivileg“ und zugleich die „Corona“-bedingt verlängerte Abgabefrist (31.08.2021). Da die Umsatzsteuer-Jahreserklärung 2019 am 17.05.2021 eingereicht wurde – also vor Fristablauf (31.08.2021) –, könne meinem Mandanten insoweit keine Pflichtwidrigkeit vorgeworfen werden.

    Nach einigem Hin und Her hielt die BuStra an ihrem Vorwurf nicht mehr fest und stellte das steuerstrafrechtliche Ermittlungsverfahren betreffend die Nichtabgabe der Umsatzsteuer-Jahreserklärung 2019 mangels Tatverdacht ein.

    Praxis-Tipp

    Aufgrund der verschiedenen Steuererklärungsfristen – vor VZ 2018, ab VZ 2018, „Corona-Sonderregelungen“ in den VZ 2019 und 2020 – wird die Bestimmung der einschlägigen Abgabefrist zukünftig fehleranfälliger werden. Hier sollte die Verteidigung also genauer hinschauen.

  • Jede Steuerhinterziehung als Geldwäsche-Vortat?

    Nach dem neuen § 261 StGB (m. W. v. 18.03.2021) kann Vortat einer Geldwäsche jede rechtswidrige Tat sein, daher auch jede „einfache“ Steuerhinterziehung. § 261 Abs. 1 StGB alte Fassung setzte noch voraus, dass die Steuerhinterziehung gewerbs- oder bandenmäßig begangen wurde.

    Allerdings sind nach der Neufassung von § 261 Abs. 1 StGB „die durch die Steuerhinterziehung ersparten Aufwendungen“ (vgl. § 261 Abs. 1 S. 3 StGB a. F.) kein taugliches Tatobjekt der Geldwäsche mehr, weil die Neufassung die ersparten Aufwendungen nicht mehr ausdrücklich erwähnt (OLG Saarbrücken, 26.05.2021, 4 Ws 53/21).

    Gemäß § 31b Abs. 2 AO sind Finanzbehörden verpflichtet, Geldwäsche-Sachverhalte an die sog. Financial Intelligence Unit (FIU) zu melden, „unabhängig von deren Höhe.“

  • Ausweitung der TKÜ bei Steuerhinterziehung

    Gemäß § 100a Abs. 1 S. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 2 a) StPO a. F. war die Telekommunikationsüberwachung im Fall einer Steuerhinterziehung nur zulässig, wenn die Steuerhinterziehung „unter den in § 370 Abs. 2 Satz 2 Nr. 5 genannten Voraussetzungen“ begangen wurde (also bandenmäßige Hinterziehung von Umsatz- oder Verbrauchssteuern bzw. bandenmäßige Erlangung von Umsatz- oder Verbrauchssteuervorteilen).

    Mit Wirkung vom 01.07.2021 erfasst § 100a Abs. 2 Nr. 2 a) StPO nunmehr auch bandenmäßige Steuerhinterziehungen zu sonstigen Steuerarten (z. B. Einkommensteuer), wenn ein Fall des § 370 Abs. 3 S. 2 Nr. 1 AO (= Steuerverkürzung oder Steuervorteil in großem Ausmaß) vorliegt.

  • Verjährungsbeginn bei Steuerhinterziehung: Erstbescheid oder Änderungsbescheid maßgeblich?

    Ausgangspunkt

    Kürzlich kam es in einem Steuerstrafverfahren vor dem Amtsgericht Leipzig u. a. zu einer Kontroverse über den Beginn der Verfolgungsverjährungsfrist.

    Meinem Mandanten, ein Steuerberater, warf man in mehreren Anklagepunkten Steuerhinterziehung zugunsten seiner Mandanten, aber auch in eigener Sache vor, jeweils durch Abgabe unrichtiger Einkommensteuererklärungen (§ 370 Abs. 1 Nr. 1 AO). Schon vor Eröffnung des Hauptverfahrens waren drei vorgeworfene Taten verjährt. Jetzt ging es um die Frage, ob seitdem ein weiterer Anklagepunkt verjährt ist. Je nachdem, wann man den Beginn der Verjährungsfrist ansetzt, war die angeklagte Tat bereits verjährt oder eben nicht.

    Sachverhalt (vereinfacht)

     

    Am 25.05.2011 wurde die Einkommensteuererklärung 2010 beim Finanzamt eingereicht. Darin wurden – so der Vorwurf – zu Unrecht Verluste aus Vermietung und Verpachtung erklärt. Daraufhin wurde am 04.10.2011 der Einkommensteuerbescheid 2010 bekannt gegeben, in dem das Finanzamt die erklärten Verluste aus Vermietung und Verpachtung berücksichtigte. Am 06.06.2013 erging ein Änderungsbescheid, der sich allerdings auf andere Einkünfte (Beteiligungseinkünfte) bezog.

    Am 11.10.2021 fand der (letzte) Hauptverhandlungstermin vor dem Amtsgericht statt. Zu Beginn gab ich zu Protokoll, dass die vorgeworfene Tat bereits verjährt sei. Gleichwohl wurde der Mandant am Ende des Tages auch in diesem Anklagepunkt verurteilt. Staatsanwaltschaft und Gericht gingen davon aus, dass die Tat nicht verjährt sei.

    Verjährungsfrist und „absolute“ Verjährung

    Bei Steuerhinterziehung gilt entweder eine 5jährige (§ 78 Abs. 3 Nr. 4 StGB) oder – falls ein gesetzlich genannter Fall einer besonders schweren Steuerhinterziehung vorliegt (z. B. Steuerverkürzung in großem Ausmaß) – die 15jährige Verjährungsfrist (376 Abs. 1 AO). Im vorliegenden Fall gilt die 5jährige Verjährungsfrist. Die Verfolgungsverjährung kann unterbrochen werden, z. B. durch Bekanntgabe der Einleitung eines steuerstrafrechtlichen Ermittlungsverfahrens. Dann beginnt die Verjährungsfrist neu. Zu beachten ist dabei aber die so genannte absolute Verjährungsfrist. Diese beträgt – in Fällen wie hier – maximal das Doppelte der gesetzlichen Verjährungsfrist (§ 78c Abs. 3 S. 2 StGB), also 10 Jahre.

    Die Verfolgungsverjährungsfrist beginnt, wenn die Tat beendet ist. Nach der Rechtsprechung des BGH ist die Tat bei Veranlagungssteuern (hier: Einkommensteuer) und aktivem Tun (hier: Abgabe unrichtiger Steuererklärungen) mit Bekanntgabe des unrichtigen Steuerbescheides beendet. Maßgeblich für die Tatbeendigung ist die Bekanntgabe des (ersten) auf die unrichtige Erklärung ergehenden Steuerbescheides. Etwaige spätere Änderungsbescheide spielen für die Frage der Tatbeendigung keine Rolle (BGH, 25.04.2001, 5 StR 613/00; Jäger in Klein, AO, § 376 Rn. 21).

    Lösung

     

    Staatsanwaltschaft und Gericht gingen – ohne nähere Begründung – davon aus, dass es für den Beginn der Verjährungsfrist auf den Änderungsbescheid (06.06.2013) ankomme. Rechne man 10 Jahre (absolute Verjährungsfrist) hinzu, würde die Tat erst im Juni 2023 verjähren.

    Das ist jedoch falsch. Richtigerweise kommt es nach der BGH-Rechtsprechung auf den Erstbescheid (Bekanntgabe am 04.10.2011) an. Absolute Verjährung trat folglich mit Ablauf des 03.10.2021, also vor der erstinstanzlichen Verurteilung (11.10.2021) ein.

    Insoweit wurde mein Mandant trotz Verjährung und damit zu Unrecht verurteilt. Ich bin gespannt, was das Landgericht in der Berufung davon hält.

  • Einziehung von Bestechungsgeldern: Keine Doppelbelastung

    Einnahmen bzw. Umsätze in Form von Bestechungsgeldern unterliegen der Einziehung (§ 73ff. StGB). Da Bestechungsgelder steuerpflichtig sind (vgl. § 40 AO: „Für die Besteuerung ist es unerheblich, ob ein Verhalten, das den Tatbestand eines Steuergesetzes ganz oder zum Teil erfüllt, gegen ein gesetzliches … Verbot … verstößt.“), fallen darauf ggf. Einkommensteuer / Körperschaftsteuer, Umsatz- und Gewerbesteuer an. Auch die hinsichtlich der entstandenen Steuern ersparten Aufwendungen unterliegen der Einziehung.

    In solchen Fällen ist zu beachten, dass – neben den erhaltenen Bestechungsgeldern – nicht noch zusätzlich (kumulativ) die ersparten Aufwendungen für die auf die Bestechungsgelder entfallenden Steuern eingezogen werden.

    BGH, 10.08.2021, 1 StR 399/20 m. w. N.

    „Würde nebeneinander sowohl das aus den Bestechungstaten Erlangte als auch der Wert der ersparten Aufwendungen für die wegen des Zuflusses entstandenen Steuern eingezogen, unterläge ein höherer als der insgesamt zugeflossene Betrag der Einziehung. Solches wäre mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht zu vereinbaren, wonach es durch Besteuerung und Vermögensabschöpfung nicht zu einer doppelten Belastung des Täters kommen darf …“

    Beispiel (vereinfacht)

    Der Beschuldigte erhält 10.000 € Bestechungsgelder, die er in seiner Einkommensteuererklärung verschweigt. Sein individueller Einkommensteuersatz soll 30 % betragen.

    Es wäre unzulässig, 10.000 € (Bestechungsgelder) und zusätzlich noch 3.000 € (ersparte Aufwendungen für die verkürzte Einkommensteuer) einzuziehen.

  • „Update Steuerstrafrecht“ – neues Skript

    Begleitend zu meinen Vorträgen zum Steuerstrafrecht und zur Haftung im Steuerrecht habe ich Skripten erstellt, die ich regelmäßig aktualisiere.

    Das Skript Update Steuerstrafrecht hat jetzt den Stand Oktober 2021. Eine kostenfreie Leseprobe mit Inhaltsverzeichnis ist hier abrufbar.

    Wenn Sie das gesamte Skript erwerben möchten (als PDF-Datei, 30,00 € inkl. USt), senden Sie mir bitte eine E-Mail an info@steueranwalt-leipzig.de.

    Siehe auch: Skripten