In Heft 5/2022 der Zeitschrift PStR erscheint mein Fachbeitrag zum Thema „Verkürzung von Kirchensteuer: Keine Haftung gem. § 71 AO.“ Hintergrund ist eine aktuelle BGH-Entscheidung, wonach die Verkürzung von Kirchensteuer keine Steuerhinterziehung darstellt. Das hat auch Auswirkungen auf das steuerliche Haftungsrecht.
Category: Lesetipps
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Kurzrezension: Rolletschke, Steuerstrafrecht, 5. Aufl. 2021
Das wurde aber auch Zeit: Im November 2021 erschien die Neuauflage des Klassikers „Steuerstrafrecht“ von Stefan Rolletschke (5. Auflage 2021).
Zielgruppe: Studierende, aber auch Praktiker
Das Werk richtet sich – in der Reihe „Schwerpunktstudium“ des Verlags Vahlen erschienen – an Studierende der Wahlfächer Steuerrecht und Wirtschaftsstrafrecht, Referendare sowie Berufsanfänger und soll ihnen einen Einstieg in das Steuerstrafrecht ermöglichen. Aber auch gestandene Praktiker werden ihren Nutzen aus dem Buch ziehen.
Gliederung
Das Buch ist wie folgt gegliedert:
- 1. Teil. Materielles Steuerstrafrecht
- 2. Teil. Materielles Steuerordnungswidrigkeitenrecht
- 3. Teil. Verjährung
- 4. Teil. Selbstanzeige
- 5. Teil. Steuerstrafverfahrensrecht
- 6. Teil. Strafverfahren/Besteuerungsverfahren
Inhalt und Aktualität
Im materiellen Steuerstrafrecht (1. Teil) stellt Rolletschke verständlich und ausführlich Tatbestand, Täterschaft und Teilnahme, Konkurrenzverhältnisse und die Rechtsfolgen (insbesondere Strafzumessung) der Steuerhinterziehung (§ 370 AO) als Zentraldelikt des Steuerstrafrechts dar. Speziell für den Praktiker interessant sind die dort beschriebenen Einzelfälle der Steuerhinterziehung, beispielsweise Steuerhinterziehung im Zusammenhang mit Erbschaft-/Schenkungsteuer, Umsatzsteuerkarussellen und die Hinterziehung von Grunderwerbsteuer.
Das materielle Steuerordnungswidrigkeitenrecht (2. Teil) nimmt viel Raum ein. Allerdings spielen Steuerordnungswidrigkeiten in der Praxis kaum eine Rolle (Arbeitshypothese der BuStra: „Der objektive Tatbestand indiziert den Vorsatz, also Steuerhinterziehung.“). Aber das wird sich in Zukunft ggf. ändern.
Sehr zu begrüßen ist, dass der Verjährung im Steuerstrafrecht ein separater (3.) Teil des Buches eingeräumt wird. Das wird auch der enormen Bedeutung der Verfolgungsverjährung in der Praxis gerecht. Nicht selten wird die Verfolgungsverjährung übersehen oder falsch berechnet, sowohl von Seiten der Strafverfolger als auch beraterseitig.
Zudem: Hat man auf Verfolgerseite nicht genug personelle Kapazitäten oder ist der Verfolgungswille aus sonstigen Gründen schwach, dann wird – wenn der gesellschaftliche und politische Druck steigt – schnell mal eben an der Verfolgungsverjährung herumgedoktert (Stichwort: „Cum-Ex“). Rolletschke vollzieht diese Entwicklungen nach und ist hier auf dem neuesten Stand.
Aufgrund der tiefgreifenden Änderungen bei der Selbstanzeige (§ 371 AO) zum 01.01.2015 war das Selbstanzeige-Kapitel der Vorauflage (Stand: 2012) nicht mehr brauchbar. Nunmehr ist es wieder „up to date“ (4. Teil des Buches).
Dass Steuerstrafrecht ohne Steuerrecht nicht funktionieren kann (Stichwort: „Blankettstrafrecht“) – ebensowenig wie Steuerstrafverteidigung ohne steuerrechtliche Kenntnisse – ist sicherlich eine Binsenweisheit. Sehr gut ist aber, dass Rolletschke den komplexen Wechselwirkungen zwischen (Steuer-)Strafverfahren und Besteuerungsverfahren einen eigenen Teil des Buches widmet (6. Teil). Im Strafverfahren darf der Beschuldigte schweigen und unter Umständen sogar lügen. Im Besteuerungsverfahren muss er als Steuerpflichtiger dagegen mitwirken – wahrheitsgemäß und nach bestem Wissen und Gewissen. Dieses Spannungsverhältnis stellt Rolletschke anschaulich und präzise dar.
Das Buch hat den Stand August 2021. Auch die Zinsentscheidung des BVerfG vom 08.07.2021 ist schon berücksichtigt und in ihren Auswirkungen auf das Steuerstrafrecht gewürdigt. An vergleichbarer Literatur findet man derzeit nichts Aktuelleres.
Verbesserungswürdiges
Verbessern ließe sich die Zitierweise von Entscheidungen (z. B. „BGH wistra 2008, 310“ oder „BGH BeckRS 2021, 9415“). Die Zeiten, in denen man Mandanten mit Zeitschriften- und Bücherwänden beeindrucken konnte und deshalb ein Arsenal an papiernen Abonnements vorhalten musste, gehen – gerade in Zeiten zunehmender Akzeptanz von Home-Office und Videokonferenzen – dahin. Vielfach wird in der Praxis (nur noch) mit Datenbanken gearbeitet, so dass es sehr hilfreich wäre, die jeweilige Entscheidung (auch) mit Datum und Aktenzeichen zu zitieren. Mir ist bewusst, dass die Verlage hier Vorgaben machen, die aber zu überdenken sind.
Auch die Struktur der Randnummern sollte bei der nächsten Auflage überdacht werden. In der (4.) Vorauflage waren die Randnummern noch durchgehend von der ersten bis zur letzten Seite des Buches gesetzt, was die Zitierung erleichterte. Nunmehr beginnen die Randnummern in jedem der sechs Teile des Buches wieder neu. Man kann jetzt beispielsweise nicht mehr einfach zitieren: „Rolletschke, Steuerstrafrecht, Rn. 139“, weil man dann entweder beim Thema Kirchensteuer (1. Teil), beim entgeltlichen Inverkehrbringen (2. Teil) oder bei der Bekanntgabe der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens (3. Teil) usw. landet. Insoweit ist eine Rückkehr zur Vorauflage wünschenswert.
Fazit
Schon anhand des Umfangs (ca. 450 Seiten) wird klar, dass der neue Rolletschke mehr als einen bloßen Einstieg in das Steuerstrafrecht zu bieten hat. Das Buch ist auch für erfahrene Praktiker und Berater eine unentbehrliche und vor allem aktuelle Arbeitshilfe, um das bisher angehäufte Wissen aufzufrischen, zu vertiefen und auch die eine oder andere Idee für die Verteidigungspraxis mitzunehmen, auch wenn man als Berater sicherlich nicht immer der gleichen Auffassung wie Rolletschke sein wird. Aber das tut dem Buch keinen Abbruch. Im Gegenteil – es schärft die eigene Wahrnehmung und Argumentation.
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Cum-Ex-Geschäfte und Steuerhinterziehung in der „Süddeutschen“
Auf der Website der Süddeutschen Zeitung ist eine informative Seite zum Thema „Cum-Ex“ abrufbar.
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„Steuerhinterziehung durch Vortäuschen eines Auslandswohnsitzes“
Natürliche Personen, die im Inland (= Deutschland) einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, sind unbeschränkt einkommensteuerpflichtig (§ 1 Abs. 1 S. 1 EStG). Nun kommt es vor, dass Steuerpflichtige ihren Wohnsitz zum Schein ins Ausland verlegen, um Steuern „zu sparen.“ Tatsächlich wohnen sie aber nach wie vor in Deutschland.
In einem Beitrag zur Steufa-Praxis (PStR 2018, 127) wird ein Fall geschildert, in dem Eheleute in den Jahren 2003-2010 ihren Wohnsitz (angeblich) ins Ausland verlegt hatten. Ihr Wohngrundstück hatten Sie 2003 auf die Tochter übertragen, die aber dort offensichtlich nicht wohnte und das Grundstück auch nicht vermietete.
In dem Beitrag kann man dann nachlesen, welche Ermittlungen die Steuerfahndung unternimmt, um einen inländischen Wohnsitz nachzuweisen, insb.:
- Befragung der Nachbarn
- Abfrage beim zuständigen Entsorgungsbetrieb über die Bereitstellung der Mülltonnen für das Grundstück (und deren Entleerung) im fraglichen Zeitraum
- Abfrage beim Trink-/Abwasserversorger zum Wasserverbrauch im fraglichen Zeitraum
- Abfrage beim Stromversorger zum Stromverbrauch
Danach bestand der Verdacht, dass die Eheleute ihren Wohnsitz tatsächlich beibehalten hatten. Es folgte die Einleitung eines steuerstrafrechtlichen Ermittlungsverfahrens und die Durchsuchung des Hauses der Ehegatten und auch der Wohnung der Tochter.
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Steuerstreit, Steuerstrafrecht und Selbstanzeige: Literaturübersichten aktualisiert
Meine Literaturübersichten zum Steuerstreit, zum Steuerstrafrecht und zur Selbstanzeige sind wieder auf einem aktuellen Stand.
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Keine Drittwirkung der Steuerfestsetzung bei Vorbehalt der Nachprüfung
Lesetipp: Rose, Dirk, Haftung im Steuerrecht – Keine Drittwirkung der Steuerfestsetzung nach § 166 AO im Haftungsverfahren, wenn ein Vorbehalt der Nachprüfung besteht? – Anmerkung zu BFH, Urt. v. 22.04.2015 – XI R 43/11, BStBl. II 2015, 755 = DStRE 2015,941, in: DStR 2016, 1152
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Schlüsselqualifikationen für die Selbstanzeigeberatung bei Steuerhinterziehung
„Eine Durchdringung des Selbstanzeigerechts sowohl in der rechtlichen als auch in der praktischen Behandlung“ ist „nur bei grundlegendem Verständnis des Steuerstrafrechts möglich … Konkret bedeutet dies, dass der Berater nicht nur die materiell-rechtlichen Vorschriften der jeweiligen in Betracht kommenden Einzelsteuergesetze beherrschen muss. Darüber hinaus sollte er auf der Klaviatur des steuerlichen Verfahrensrechts der Abgabenordnung spielen und auch mit der Praxis von Besteuerungs- und Strafverfahren vertraut sein.“
(Quedenfeld/Füllsack, Verteidigung in Steuerstrafsachen, 5. Aufl. 2016, Rn. 416)
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Risiken und Folgen einer Selbstanzeige
In einem kurzen Aufsatz mit dem Titel „Risiken und Folgen neben der Steuerhinterziehung – was Berater wissen sollten“ (DStV-Verbandsnachrichten 2/2015, S. 31) fasst Bosbach prägnant zusammen, welche strafrechtlichen und anderen Sanktionen im Rahmen einer Selbstanzeige- oder Verteidigungsberatung zu beachten sind. (mehr …)
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Amtshaftung bei Nichtanwendungserlassen der Finanzverwaltung?
In einem aktuellen Aufsatz befasst sich Schlenk (Anspruch aus Amtshaftung bei Nichtanwendungserlassen der Finanzverwaltung?, in: DStR 2015, 2135) mit der umstrittenen Frage, ob ein Finanzbeamter amtspflichtwidrig handelt, wenn er sich an einen Nichtanwendungserlass hält. Darüber hinaus erörtert er die ebenfalls umstrittene Frage, ob das BMF schon durch Veröffentlichung des Nichtanwendungserlasses gegen Amtspflichten verstößt. Beide Fragen verneint Schlenk. Damit komme auch kein Amtshaftungsanspruch des vom Nichtanwendungserlass betroffenen Steuerbürgers in Betracht.
Nach anderer Auffassung komme zumindest dann ein Verstoß gegen die Amtspflichten in Betracht, wenn sich keine konkreten Hinweise auf eine Änderung der Rechtsprechung oder der Gesetze ergeben (Bruschke, Schadensersatz wegen Amtspflichtverletzungen, in: AO-StB 2015, 45 mit Verweis auf BGH v. 30.9.1993, IX ZR 211/92). In diesen Fällen entstünden regelmäßig Ansprüche des Steuerpflichtigen aus Amtspflichtverletzung.
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Sanierungsgewinne und Gewerbesteuer
Wiese und Lukas vertreten in einem aktuellen Aufsatz mit dem Titel „Sanierungsgewinne und Gewerbesteuer – Zuständigkeit der Finanzämter für Billigkeitsmaßnahmen nach § 184 AO idF ZKAnpG – Zugleich Anmerkungen zur Kurzinformation der OFD NRW v. 6.2.2015“ (DStR 2015, 1222), die Auffassung, dass auch im Bereich der Gewerbesteuer die Finanzämter – und nicht die Gemeinden – für Billigkeitsmaßnahmen auf Basis des sog. Sanierungserlasses zuständig sind.
Derzeit ist aber ohnehin fraglich, ob der sog. Sanierungserlass „hält“.
Rico Deutschendorf | Rechtsanwalt und Fachanwalt für Steuerrecht
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Steuerberaterhaftung bei insolvenznahen Jahresabschlussmandaten
Lesetipp: Pollanz, Jahresabschlussbezogene Praxisfragen und Verhaltensweisen im Lichte der jüngsten BGH-Rechtsprechung zur Steuerberaterhaftung – Entwarnung oder Verwarnung?, in: DStR 2014, 818
Rico Deutschendorf | Rechtsanwalt und Fachanwalt für Steuerrecht
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Negatives Kapitalkonto des Kommanditisten
Wer sich mit § 15a EStG befasst, gerät möglicherweise nahe an den Rand des Wahnsinns. Balsam für die Beraterseele und eine anschauliche Darstellung der Problematik vermitteln Kapitel 25.2 (Kapital in Buchführung und Jahresabschluss) und 26 (Verluste bei beschränkter Haftung) in Falterbaum/Bolk/Reiß/Kirchner, Buchführung und Bilanz, 21. Auflage 2010.
Rico Deutschendorf | Rechtsanwalt und Fachanwalt für Steuerrecht