Rico Deutschendorf ▪ Rechtsanwalt | Fachanwalt für Steuerrecht | Steuerstrafverteidiger | Dozent ▪ Leipzig | Sachsen | bundesweit

Tag: Voranmeldung

  • Umsatzsteuer: Steuerhinterziehung bei Sollversteuerung

    Die Unterscheidung zwischen Sollversteuerung und Istversteuerung bei der Umsatzsteuer ist vor allem für die Liquiditätsplanung von Unternehmen von zentraler Bedeutung. Bei der Sollversteuerung bestehen manchmal Fehlvorstellungen über den Zeitpunkt, zu dem die Umsatzsteuer erklärt und an das Finanzamt abgeführt werden muss.

    Manchmal wird auch versucht, die Entstehung der Umsatzsteuer vorbei am Gesetz zu „gestalten“ – mit gravierenden steuerstrafrechtlichen Konsequenzen.

    Beispiel

    G ist Geschäftsführer einer Garten- und Landschaftsbau GmbH (Sollversteuerung, Pflicht zur monatlichen Abgabe der Umsatzsteuer-Voranmeldungen, keine Dauerfristverlängerung). Im Oktober 2024 (Fertigstellung) plastert er den Hof eines Kunden. Die Rechnung erstellt er im Januar 2025 und der Kunde bezahlt im Februar 2025.

    G erklärt die Umsatzsteuer aus diesem Projekt in der Umsatzsteuer-Voranmeldung der GmbH für

    a) Oktober 2024,
    b) Januar 2025 oder
    c) Februar 2025.

    Was ist richtig?

    Unterschied zwischen Soll- und Istversteuerung

    Sollversteuerung (Versteuerung nach vereinbarten Entgelten, § 16 Abs. 1 S. 1 UStG) ist der Regelfall im Umsatzsteuerrecht. Hier entsteht die Umsatzsteuer mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums, in dem die Leistung ausgeführt wurde (§ 13 Abs. 1 Nr. 1 a UStG). Maßgeblich ist also allein die (vollständige) Erbringung der Leistung. Unabhängig davon, wann eine Rechnung darüber erstellt wird und wann der Leistungsempfänger tatsächlich zahlt. Die Umsatzsteuer muss daher regelmäßig aus eigenen Mitteln des Unternehmers vorfinanziert werden.

    Bei der Istversteuerung (Versteuerung nach vereinnahmten Entgelten, § 20 UStG) entsteht die Umsatzsteuer dagegen (erst) mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums, in dem die Entgelte vereinnahmt worden sind (§ 13 Abs. 1 Nr. 1 b UStG), wenn das Geld also tatsächlich beim Unternehmer eingeht.

    Richtigerweise gehört der Umsatz im Beispielsfall in die Umsatzsteuer-Voranmeldung für Oktober 2024 (Variante a). Bis zum 11.11.2024 (der 10.11.2024 war ein Sonntag, so dass der nächstfolgende Werktag maßgeblich ist, § 108 Abs. 3 AO) hätte der Umsatz gegenüber dem Finanzamt erklärt und die Umsatzsteuer abgeführt werden müssen. Fehlt in der Umsatzsteuer-Voranmeldung für Oktober 2024 dieser Umsatz, dann ist die Voranmeldung unrichtig bzw. unvollständig.

    Steuerstrafrechtliche Relevanz

    Wer als Sollversteuerer die Umsatzsteuer erst bei Zahlungseingang erklärt, riskiert – neben steuerrechtlichen Problemen wie Verspätungs- und Säumniszuschlägen – erhebliche steuerstrafrechtliche Konsequenzen.

    Konkretisierung des Beispiels

    Die GmbH ist im November 2024 finanziell „klamm.“ Daher beschließt G, die Rechnung bewusst erst im Januar 2025 zu stellen, damit seine Umsatzsteuer-Zahllast für Oktober 2024 nicht so hoch ist. Nachdem der Kunde im Februar 2025 gezahlt hat, erklärt G den Umsatz in der Umsatzsteuervoranmeldung für Februar 2025 und führt die Umsatzsteuer an das Finanzamt ab.

    Die Abgabe einer unrichtigen bzw. unvollständigen – auch einer verspäteten – Umsatzsteuer-Voranmeldung erfüllt den objektiven Tatbestand einer Steuerhinterziehung (§ 370 Abs. 1 Nr. 1 AO).

    Steuerhinterziehung setzt weiterhin voraus, dass im Zeitpunkt der Tat vorsätzlich gehandelt wurde. Vorsatz erfordert, dass der Handelnde den (höheren) Steueranspruch dem Grunde und der Höhe nach kennt oder zumindest für möglich hält und ihn – den Steueranspruch – auch verkürzen will bzw. sich mit der Verkürzung abfindet (so genannte Steueranspruchstheorie). Das erfordert auch lediglich eine „Parallelwertung in der Laiensphäre.“

    G hat nach diesem Maßstab vorsätzlich gehandelt. Vorsicht: Wenn sich G damit verteidigt, er habe die Rechnung bewusst „verschoben“, weil ein Liquiditätsproblem bestand, dokumentiert er damit noch seinen Vorsatz. Allerdings könnte ihm dann das Liquiditätsproblem strafmildernd angerechnet werden. Unter Umständen kann die „Nacherklärung“ auch als strafbefreiende Selbstanzeige (§ 371 Abs. 2a AO) gewertet werden.
    Fazit und Praxis-Tipp

    Bei der Sollversteuerung ist die Umsatzsteuer zu erklären und fällig, wenn die Leistung erbracht wurde. Die Umsatzsteuer darf nicht erst bei Zahlungseingang erklärt werden. Wer dies dennoch bewusst tut, riskiert steuerstrafrechliche Ermittlungen und Sanktionen.

    In der Praxis wird Vorsatz von den Strafverfolgungsbehörden regelmäßig unterstellt. Dann ist es Aufgabe der Verteidigung, dagegen anzukämpfen, wenn das ein realistisches Ziel ist. Die Grenzen zur leichtfertigen Steuerverkürzung (§ 378 AO) sind fließend. Oft werden Vorsatzprobleme in der Praxis durch Einstellung des Ermittlungsverfahrens gegen Zahlung einer Geldauflage (§ 153a StPO) gelöst. Das ist nicht immer die „saubere“ Lösung, aber wirtschaftlich meistens sinnvoll.

  • Steuerhinterziehung: Zunächst Strafbefehl gegen Bauträger, dann Einstellung gegen Geldauflage

    Mein Mandant erbrachte und erbringt als Bauträger umsatzsteuerfreie Leistungen. Im Anschluss an eine Umsatzsteuersonderprüfung warf die Bußgeld- und Strafsachenstelle (BuStra) meinem Mandanten vor, im Jahr 2014 keine Umsatzsteuervoranmeldungen beim Finanzamt eingereicht zu haben. Nach Auffassung der BuStra hätte er aber Umsätze erklären müssen, für die er gemäß § 13b Abs. 1, Abs. 5 UStG die Umsatzsteuer geschuldet habe (Bezug von Bauleistungen von einem im Ausland ansässigen Unternehmer und Ort der Leistung im Inland, § 3a Abs. 2 UStG). Dadurch habe mein Mandant ca. 62.000 € Umsatzsteuer verkürzt.

    Die Sache wurde von der Staatsanwaltschaft übernommen und auf deren Antrag erließ das Amtsgericht einen Strafbefehl mit einer Geldstrafe i. H. v. 13.000 €. Dagegen wurde Einspruch eingelegt und es wurde ein Termin zur Hauptverhandlung bestimmt. Im Vorfeld hatte ich den Hörer in die Hand genommen und die Sache mit dem Vorsitzenden kurz erörtert. So kam es, dass der Vorsitzende in der Hauptverhandlung gleich nach Verlesung des Strafbefehls selbst anregte, ein Rechtsgespräch zu führen (eigentlich wollte ich eine solche Erörterung anregen, aber er kam mir erfreulicherweise zuvor).

    Im Rahmen des Rechtsgesprächs führte der Vorsitzende einige Punkte auf, die für meinen Mandanten sprächen (Steuern nachgezahlt, Mitwirkung bei der Aufklärung des Sachverhalts, keine Vorstrafen), so dass hier auch eine Einstellung des Verfahrens gegen Zahlunge einer Geldauflage in Betracht komme.

    Ich ergänzte, dass man durchaus auch hinterfragen könne, ob der Strafbefehl der so genannten Umgrenzungsfunktion (§ 409 Abs. 1 StPO) genüge. Nach dieser Vorschrift müssen die angeklagten Taten hinreichend bestimmt sein. Die BuStra hatte nach meiner Auffassung verschiedene Umsätze in den falschen Voranmeldungszeitraum eingeordnet, so dass die Umgrenzungsfunktion nicht erfüllt sei.

    Zudem sei fraglich, ob überhaupt ein Fall des § 13b UStG vorliege. Das setze einen im (EU-)Ausland ansässigen Unternehmer voraus. Wenn dieser ausländische Unternehmer aber im Inland (Deutschland) eine Betriebsstätte oder seine Geschäftsleitung habe, dann sei § 13b Abs. 1 UStG gar nicht anwendbar und mein Mandant hätte keine Steuererklärungspflicht gehabt (vgl. § 13b Abs. 7 UStG). Folglich könne man ihm auch kein pflichtwidriges Unterlassen (§ 370 Abs. 1 Nr. 2 AO) vorwerfen. Aus den Ermittlungsakten ergaben sich deutliche Hinweise auf eine Betriebsstätte bzw. eine Geschäftsleitung des ausländischen Unternehmers in Deutschland. Das hatten aber die Umsatzsteuersonderprüferin, die BuStra und auch die Staatsanwaltschaft bisher übersehen. Wie so oft im Steuerstrafrecht spielt die Musik im Steuerrecht, hier im Umsatzsteuerrecht.

    Dies hätte nun alles in einer umfangreichen Beweisaufnahme geklärt werden müssen. Am Ende einigten sich aber alle Beteiligten – auch aus wirtschaftlichen Gründen – darauf, dass das Strafverfahren gemäß § 153a StPO gegen Zahlung einer Geldauflage i. H. v. 6.500 € an eine gemeinnützige Einrichtung eingestellt wird. Mein Mandant hat somit die Hälfte der ursprünglich im Strafbefehl festgesetzten Geldstrafe gespart und ist weiterhin nicht vorbestraft.

    Praxis-Tipp

    Im vorliegenden Fall hatte sich der Mandant im Ermittlungsverfahren gegenüber der BuStra selbst (ohne Steuerstrafverteidiger) vertreten. Eine frühere Einschaltung eines Steuerstrafverteidigers wäre aber besser gewesen, denn man hätte dieses Ergebnis – Einstellung des Verfahrens gegen Geldauflage – wahrscheinlich schon im Ermittlungsverfahren erreichen können. Dann hätte man Zeit, Kosten und Nerven für den Hauptverhandlungstermin gespart. Aber hinterher ist man immer schlauer.