Rico Deutschendorf ▪ Rechtsanwalt | Fachanwalt für Steuerrecht | Steuerstrafverteidiger | Dozent ▪ Leipzig | Sachsen | bundesweit

Tag: Steuerhinterziehung

  • Steuerhinterziehung durch Steuerberater: Verurteilung in der Revision teilweise aufgehoben

    Ich verteidige einen Mandanten, dem vorgeworfen wird, als Steuerberater habe er Beihilfe und Anstiftung zur Steuerhinterziehung zugunsten seiner Mandanten sowie Steuerhinterziehung in eigener Sache begangen.

    Verurteilung vor Amts- und Landgericht

    Das Amtsgericht Leipzig verurteilte meinen Mandanten zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten (ausgesetzt zur Bewährung), teilweise sprach es frei.

    In der Berufung vor dem Landgericht Leipzig (Az. 11 Ns 221 Js 34298/21 (2)) – sowohl die Staatsanwaltschaft als auch ich hatten Berufung eingelegt – kam eine Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und zwei Monaten heraus, ebenfalls ausgesetzt zur Bewährung. Zudem sollte mein Mandant 30.000,00 € Geldauflage zahlen.

    Revision teilweise erfolgreich

    Meine Revision vor dem OLG Dresden hatte teilweise Erfolg (Beschluss vom 08.02.2024, Az. 1 ORs 13 Ss 501/22). Zwar konnte ich nicht mit meinen Argumenten gegen den Schuldspruch durchdringen. Die Verurteilung dem Grunde nach hat das OLG „gehalten.“ Allerdings bemängelte es den Strafausspruch.

    Insbesondere vermisste das OLG eine Entscheidung über die Kompensation einer rechtssstaatswidrigen Verfahrensverzögerung. Das steuerstrafrechtliche Ermittlungsverfahren gegen meinen Mandanten wurde (bereits) im Jahr 2015 eingeleitet, Anklage wurde aber erst in 2020 erhoben. Zudem begann erst im September 2021 die Hauptverhandlung. Das Landgericht hätte diese Umstände näher darlegen und würdigen müssen.

    Zudem stellte das Landgericht in seinem Urteil die Berechnung der verkürzten Steuern teilweise nur unzureichend dar. Die aufgeführten Steuerverkürzungen waren für das OLG (teilweise) nicht nachvollziehbar.

    Und schließlich habe das Landgericht die lange Verfahrensdauer als wesentlichen Strafzumessungskriterium nicht hinreichend gewürdigt.

    Die Sache wurde zur neuen Verhandlung und Entscheidung an eine andere Kammer des Landgerichts Leipzig zurückverwiesen.

    Praxis-Tipp

    Die Urteilsfeststellungen müssen insbesondere enthalten, welche Steuern zu welchem Zeitpunkt tatsächlich (nicht, zu niedrig oder zu spät) festgesetzt wurden („Ist-Steuer“), die Besteuerungsgrundlagen für die gesetzlich geschuldete Steuer („Soll-Steuer“), eine im Einzelnen nachvollziehbare Berechnung der „Soll-Steuern“, gesondert für jede Steuerart und für jeden Steuerabschnitt sowie eine Gegenüberstellung von „Soll-“ und „Ist-Steuer“, deren Differenz die Steuerverkürzung ergibt (BGH, 08.08.2017, 1 StR 519/16).

    Kommt es in einem (Steuer-)Strafverfahren zu einem großen zeitlichen Abstand zwischen Tat und Urteil, kann dies bei der Bestimmung der Rechtsfolgen unter drei verschiedenen Aspekten von Bedeutung sein:

    Zunächst kann der betreffende Zeitraum bereits für sich genommen ins Gewicht fallen. Unabhängig hiervon kann einer überdurchschnittlich langen Verfahrensdauer eine eigenständige Bedeutung zukommen, bei der insbesondere die mit dem Verfahren selbst verbundenen Belastungen des Angeklagten zu berücksichtigen sind. Und schließlich kann sich eine darüber hinaus gehende rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung zu Gunsten des Angeklagten auswirken. Diese Umstände sind als jeweils eigenständige und auch bestimmende Strafzumessungsgründe (§ 267 Abs. 3 S. 1 StPO) bei der Strafzumessung zu berücksichtigen (BGH, 26.10.2017, 1 StR 359/17).

    Update (23.08.2024)

    Zwischenzeitlich fand die zweite Berufungshauptverhandlung nach Zurückverweisung statt. Heraus kam (nur noch) eine Gesamtgeldstrafe von 250 Tagessätzen zu je 50 €, also 12.500,00 €. Mein Mandant hat diese akzeptiert.

  • Beihilfe zur Steuerhinterziehung durch „Gefälligkeitsgutachen“ zu „Cum-Ex“-Geschäften?

    Im Steuerstrafverfahren wird hin und wieder mit dem Argument verteidigt, der Mandat habe nicht vorsätzlich oder jedenfalls nicht schuldhaft gehandelt, weil er auf den Rat eines steuerlichen oder anwaltlichen Beraters vertraut habe.

    Grundsätzlich darf ein Steuerpflichtiger dem Rat seines (Steuer-)Beraters vertrauen, jedenfalls dann, wenn der Sachverhalt vom Berater umfassend geprüft wurde. Bei komplexeren Sachverhalten und erkennbar schwierigen Rechtsfragen ist regelmäßig ein detailliertes, schriftliches Gutachten erforderlich, wobei es sich nicht um ein bloßes „Gefälligkeitsgutachten“ handeln darf.

    Hin und wieder geraten auch Berater in den Sog der Strafverfolgung. In einem „Cum-Ex“-Fall vor dem Landgericht Frankfurt/Main ist kürzlich ein ehemaliger Anwalt einer Großkanzlei zu dreieinhalb Jahren Haft verurteilt worden. Der Vorwurf lautete auf Beihilfe zur Steuerhinterziehung im besonders schweren Fall. Er habe eine Bank zu „Cum-Ex“-Deals beraten und mit „Gefälligkeitsgutachten“ die Täuschung des Fiskus mit ermöglicht.

    Wahrscheinlich wird die Sache vor dem Bundesgerichtshof (Revision) landen.

    Praxis-Tipp

    Wird einem Berater (insb. Steuerberater, Rechtsanwalt, Wirtschaftsprüfer) eine Beihilfe zur Steuerhinterziehung seines Mandanten vorgeworfen, ist die BGH-Rechtsprechung zum „berufstypischen Verhalten“ zu beachten.
  • Selbstanzeige: Mieteinkünfte nacherklärt – steuerstrafrechtliches Ermittlungsverfahren eingestellt

    Mein Mandant erzielte in den Jahren 2014 bis 2021 unversteuerte Einnahmen aus der Vermietung einer Eigentumswohnung in Höhe von ca. 7.000 bis 9.000 € pro Jahr. Nach Abgabe einer Selbstanzeige wurde gegen ihn ein steuerstrafrechtliches Ermittlungsverfahren eingeleitet.

    Nachdem der Mandant die verkürzten Steuern und Zinsen bezahlte, wurde das Ermittlungsverfahren von der Bußgeld- und Strafsachenstelle gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt, da

    „… eine endgültig wirksame Selbstanzeige …“

    vorliege.

    Praxis-Tipp

    Durch Einreichung einer Selbstanzeige kann im Ergebnis Straffreiheit bei Steuerhinterziehung erlangt werden. Die Selbstanzeige schützt aber nicht vor der Einleitung eines steuerstrafrechtlichen Ermittlungsverfahrens an sich. Im Gegenteil: Häufig ist die Selbstanzeige erst der konkrete Anlass für strafrechtliche Ermittlungen.

    In dem Ermittlungsverfahren wird dann durch die Bußgeld- und Strafsachenstelle oder die Staatsanwaltschaft die Richtigkeit und Vollständigkeit der Selbstanzeige geprüft. Ist alles „im grünen Bereich“ – wie im aktuellen Fall – wird das Ermittlungsverfahren eingestellt.

  • „Strafbarkeitslücken“ im Steuerstrafrecht?

    Nicht nur in strafrechtlichen Anfänger-Klausuren, auch in höchst(straf)richterlichen Entscheidungen taucht hin und wieder die Argumentation mit (angeblichen) „Strafbarkeitslücken“ auf. Ein bestimmtes Verhalten fällt zwar nicht so richtig unter einen Straftatbestand, es wird aber (trotzdem) als strafwürdig empfunden. Dann wird behauptet: Wenn das kein Diebstahl oder kein Betrug sei, dann bestünden aber „bedenkliche Strafbarkeitslücken“ – was ja nicht sein dürfe. Also fällt das Verhalten dann doch unter den Straftatbestand.

    Nun ist die Argumentationsfigur – wenn auch nur im Konjunktiv – auch im 1. Strafsenat des BGH angekommen, der für Revisionen im Steuer- und Zollstrafrecht zuständig ist.

    Steuererklärungspflicht bei widerrechtlicher Benutzung eines KFZ

    In einer Entscheidung des BGH vom 15.12.2022, Az. 1 StR 295/22, ging es um die widerrechtliche Benutzung eines Kraftfahrzeugs unter Verwendung von „Dublettenkennzeichen.“ Der Angeklagte ließ Fahrzeugkennzeichen nacherstellen, die schon für das Fahrzeug eines anderen ausgegeben wurden. Diese „Dublettenkennzeichen“ brachte er an seinem Fahrzeug an, um den Anschein amtlicher Zulassung zu erwecken. Dafür entsteht KFZ-Steuer und seit 2017 ergibt sich aus § 15 Abs. 1 KraftStDV (= eine Verordnung) in solchen Fällen auch eine Steuererklärungspflicht: Die Person, die das Fahrzeug im Inland benutzt, hat unverzüglich eine Steuererklärung beim zuständigen Hauptzollamt abzugeben.

    Ein Autodieb müsste also zeitnah einen Zwischenstopp beim nächsten Hauptzollamt einlegen, dann macht er zumindest steuerstrafrechtlich alles richtig (Achtung: Ironie!).

    Strafbarkeitslücke?

    Der BGH entschied, dass es nicht ausreicht, dass eine solche strafbewehrte Steuererklärungspflicht nur in einer Verordnung (KraftStDV) geregelt ist. Die wesentlichen Voraussetzungen der Strafbarkeit müssten sich schon aus dem Gesetz (KraftStG) selbst ergeben.

    „Die Erklärungspflicht als Voraussetzung der Strafbarkeit gemäß § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO ist für den Bürger nicht schon aufgrund des Kraftfahrzeugsteuergesetzes vorhersehbar; sie wird vielmehr erst aus § 15 KraftStDV deutlich.“

    Und dann führt der BGH aus:

    Sollte sich daraus eine nicht gewollte Strafbarkeitslücke ergeben, wäre deren Schließung allein Aufgabe des Gesetzgebers …“

    Nach Vormbaum, JZ 1999, 613, gibt es aber allenfalls Straflosigkeits- und keine Strafbarkeitslücken.

  • BGH bestätigt: Keine Einziehung bei nur versuchter Steuerhinterziehung

    Der BGH hat seine Entscheidung vom 08.03.2022, 1 StR 360/21, bestätigt, wonach die Einziehung gemäß §§ 73ff. StGB die Vollendung der Tat (also eine vollendete Steuerhinterziehung) voraussetzt. Der bloße Versuch der Steuerhinterziehung genügt nicht.

    „Hinsichtlich der Einkommensteuer für das Veranlagungsjahr 2014 hat der Angeklagte die Steuerhinterziehung jedoch lediglich versucht …, mit der Folge, dass die Einziehung des Wertes von Taterträgen (§ 73 Abs. 1, § 73c Satz 1 StGB) insoweit ausscheidet.“

    BGH, 06.04.2023, 1 StR 412/22, ebenso BGH, 06.04.2023, 1 StR 36/23

    Praxis-Tipp

    Das gilt auch für den Vermögensarrest (§ 111e StPO), der angeordnet werden kann, um die spätere Wertersatzeinziehung zu sichern: Bei lediglich versuchter Steuerhinterziehung scheidet ein Vermögensarrest aus, die Steuerhinterziehung muss vollendet sein.

    Da in Steuerstrafverfahren oft mehrere Taten vorgeworfen werden (Bsp.: Einkommen-, Gewerbesteuer- und Umsatzsteuerhinterziehung für mehrere Jahre), wird hin und wieder für alle vorgeworfenen Taten der Vermögensarrest angeordnet, obwohl einzelne Taten – erkannt oder unerkannt – noch im Versuchsstadium „stecken geblieben“ sind. Dann sollte Beschwerde gegen den Vermögensarrest eingelegt werden.
  • „Update Steuerstrafrecht“ – Hybrid-Vortrag am 15.12.2023 in Berlin

    Am 15.12.2023 hielt ich in Berlin einen 5stündigen Hybrid-Vortrag (Präsenz und Online) zum Thema „Update Steuerstrafrecht“ für das Deutsche Anwaltsinstitut.

    Hier können Sie eine Übersicht zu meinen Vorträgen abrufen.

  • „Update Steuerstrafrecht“ – Online-Vortrag am 03.11.2023

    Am 03.11.2023 hielt ich einen 5stündigen Online-Vortrag zum Thema „Update Steuerstrafrecht“ für das Deutsche Anwaltsinstitut.

    Hier können Sie eine Übersicht zu meinen Vorträgen abrufen.

  • Tatvollendung bereits mit Feststellungsbescheid – „Fall Schubeck“

    Der BGH hat die Verurteilung von Alfons Schuhbeck wegen Steuerhinterziehung bestätigt (BGH, 13.06.2023, 1 StR 53/23).

    In diesem Zusammenhang führte der BGH – im Einklang mit seiner bisherigen Rechtsprechung – aus, dass im Bereich der Ertragsteuern Tatvollendung schon mit Bekanntgabe des unrichtigen Feststellungsbescheides (Grundlagenbescheid) und nicht erst mit Bekanntgabe des unrichtigen Einkommensteuerbescheides (Folgebescheid) eintritt. Schon durch den unrichtigen Feststellungsbescheid werde ein nicht gerechtfertigter Steuervorteil i. S. v. § 370 Abs. 1 AO erlangt.

  • „Update Steuerstrafrecht“ – Online-Vortrag am 26.05.2023

    Am 26.05.2023 hielt ich einen 2,5stündigen Online-Vortrag „Update Steuerstrafrecht“ für das Deutsche Anwaltsinstitut.

    Hier können Sie eine Übersicht zu meinen Vorträgen abrufen.

  • „Steuerstrafrecht“ – Vortrag am 20.03.2023 in Köln

    Am 20.03.2023 hielt ich in Köln einen 8stündigen Vortrag zum Steuerstrafrecht. Der Vortrag war Teil des Fachanwaltslehrgangs Strafrecht bei ARBER|seminare.

    Hier können Sie eine Übersicht zu meinen Vorträgen abrufen.

  • „Aktuelle Entwicklungen im Steuerstrafrecht“ – Vortrag am 09.12.2022 in Berlin

    Am 09.12.2022 hielt ich in Berlin einen 5stündigen Online-Vortrag zum Thema „Aktuelle Entwicklungen im Steuerstrafrecht“ für das Deutsche Anwaltsinstitut.

    Hier können Sie eine Übersicht zu meinen Vorträgen abrufen.

  • „Aktuelle Entwicklungen im Steuerstrafrecht“ – Vortrag am 11.11.2022 in Berlin

    Am 11.11.2022 hielt ich in Berlin einen 5stündigen Online-Vortrag zum Thema „Aktuelle Entwicklungen im Steuerstrafrecht“ für das Deutsche Anwaltsinstitut.

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