Rico Deutschendorf ▪ Rechtsanwalt | Fachanwalt für Steuerrecht | Steuerstrafverteidiger | Dozent ▪ Leipzig | Sachsen | bundesweit

Tag: Revision

  • Einziehungsentscheidung: Vorheriger gerichtlicher Hinweis erforderlich

    In einem früheren Beitrag berichtete ich über eine Entscheidung des Großen Strafsenats des Bundesgerichtshofs (BGH) aus dem Jahr 2020, wonach vor Erlass einer Einziehungsentscheidung ein ausdrücklicher gerichtlicher Hinweis gemäß § 265 Abs. 1 Nr. 1 der Strafpozessordnung (StPO) erteilt werden muss, wenn die (mögliche) Einziehung weder in der Anklageschrift noch im Eröffnungsbeschluss erwähnt wird. Wird der erforderliche Hinweis nicht erteilt, ist die Einziehungsentscheidung in der Revision aufzuheben.

    Auch der 3. Strafsenat des BGH schließt sich dem an (Beschluss vom 16.10.2024, 3 StR 312/24). Das Gericht muss ausdrücklich auf die Möglichkeit der Einziehung des Wertes von Taterträgen hinweisen, selbst wenn die der Einziehung zugrunde liegenden Tatsachen bereits in der Anklage enthalten sind, die Einziehung aber nicht ausdrücklich erwähnt wird. Es reiche aus, dass sich der Angeklagte bei einem korrekten Hinweis auf die Einziehung möglicherweise erfolgreicher hätte verteidigen können.

  • „Cum-Ex“-Schlüsselfigur: BGH bestätigt Verurteilung von Hanno Berger

    Der Bundesgerichtshof (BGH) verwarf mit Beschluss vom 29.10.2024 (Aktenzeichen: 1 StR 58/24) die Revision gegen das zugrundeliegende Urteil des Landgerichts Wiesbaden vom 30.05.2023 (Aktenzeichen: 6 KLs – 1111 Js 18753/21) als unbegründet. Dieses hatte den Angeklagten, bei dem es sich um einen „zugelassenen, derzeit inhaftierten Rechtsanwalt“ handelt, wegen Steuerhinterziehung in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren und drei Monaten verurteilt.

    Formmangel im Zusammenhang mit beA-Übermittlung problematisiert

    Der BGH problematisierte zunächst einen möglichen Verstoß gegen § 32d StPO. Nach dieser Vorschrift sollen Verteidiger und Rechtsanwälte den Strafverfolgungsbehörden und Gerichten Schriftsätze und deren Anlagen sowie schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen als elektronisches Dokument übermitteln. Die Berufung und ihre Begründung, die Revision, ihre Begründung und die Gegenerklärung sowie die Privatklage und die Anschlusserklärung bei der Nebenklage müssen sie als elektronisches Dokument übermitteln.

    Der Angeklagte – zugelassener Rechtsanwalt – hatte selbst eine Gegenerklärung abgegeben. Diese Gegenerklärung wurde durch einen allein „in der Strafvollstreckung“ mandatierten Verteidiger über dessen (des Verteidigers) besonderes elektronisches Anwaltspostfach (beA) an den BGH „zur weiteren Bearbeitung“ übersandt.

    Der BGH ließ offen, ob das den Wirksamkeitserfordernissen des § 32d StPO genügt, weil dies nicht entscheidungserheblich war.

    Praxis-Tipp

    Die elektronische Übermittlung insb. der Revisionsschrift, der Begründungsschrift und der Gegenerklärung (§ 32d S. 2 StPO) ist Wirksamkeitsvoraussetzung. Der Verteidiger muss erkennbar selbst die volle Verantwortung für den Inhalt dieser Schriftsätze übernehmen. Das bloße Weiterleiten von Erklärungen des Angeklagten genügt nicht. Auch an der Mandatierung des Verteidigers für die Revision bestehen Zweifel, weil sich die Mandatierung – warum auch immer – nur auf die Strafvollstreckung bezog.

    Unzulässige Vorbefassung nicht hinreichend dargelegt

    Mit der vom Angeklagten vorgebrachten Rüge einer unzulässigen Vorbefassung des Landgerichts (Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK) hat sich der BGH inhaltlich nicht befasst. Eine Verfahrensrüge dieser Stoßrichtung sei nicht innerhalb der Revisionsbegründungsfrist des § 345 Abs. 1 StPO erhoben worden.

    Entgegen der Ansicht des Angeklagten resultiere allein aus einer die Besorgnis der Befangenheit begründenden Vorbefassung eines Richters auch kein von Amts wegen zu prüfendes Verfahrenshindernis. Nicht jede (behauptete) Verletzung einer der Garantien des Art. 6 EMRK begründe einen derart schwerwiegenden Verfahrensfehler, der es rechtfertigen würde, das Strafverfahren ohne abschließende Sachentscheidung einzustellen.

    Im Übrigen seien bei Besorgnis der Befangenheit eines Berufsrichters die hierfür eröffneten Ablehnungs- und Rügemöglichkeiten gemäß §§ 24 ff., 338 Nr. 3 StPO auch vorrangig auszuschöpfen.

    Schuld- und Strafausspruch bestätigt – Einzelfragen zu „Cum-Ex“

    Der Schuld- und der Strafausspruch wurde vom BGH bestätigt. Der BGH weist darauf hin, dass im Veranlagungszeitraum 2006 Dividendenkompensationszahlungen nicht der Kapitalertragsteuer unterlagen. Beim Erwerb von Aktien im Wege eines Cum-Ex-Geschäfts wäre Kapitalertragsteuer beim Erwerber daher nur dann anzurechnen, wenn ihm die Abführung der Kapitalertragsteuer auf die originäre Dividende zuzurechnen wäre, weil er schon durch den Abschluss des schuldrechtlichen Vertrags wirtschaftlicher Eigentümer der Aktie wurde. Dies war
    aber beim Erwerb vom Leerverkäufer im Veranlagungszeitraum 2006 ebenso wenig der Fall wie in späteren Veranlagungszeiträumen.

    Die Finanzbehörden hätten auch nicht schon aufgrund einer schlichten Bezugnahme auf § 20 Abs. 1
    Nr. 1 Satz 4 EStG bei Abgabe der Körperschaftsteuererklärung erkennen müssen, dass keine Kapitalertragsteuer hätte angerechnet oder erstattet werden dürfen. Hierbei handele es sich aber auch um urteilsfremdes Vorbringen, denn hierzu habe das Landgericht nichts festgestellt.

    Praxis-Tipp

    Das Revisionsverfahren dient allein der rechtlichen Überprüfung. Dabei ist das Revisionsgericht an den von der Tatsacheninstanz festgestellten Sachverhalt gebunden. Mit neuen Sachverhalt („urteilsfremdes Vorbringen“) wird man nicht gehört.

    Revisionsverfahren gegen Einziehungsentscheidung abgetrennt

    Darüber hinaus hatte das Landgericht die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 1.084.500 € angeordnet. Die Entscheidung über die auch dagegen gerichtete Revision stellte der BGH jedoch zurück, weil sich anderenfalls die Entscheidung über die anderen Rechtsfolgen der Tat (Strafausspruch) unangemessen verzögern würde. In diesem Fall ist eine Abtrennung des Verfahrens über die Einziehung möglich (§ 422 StPO).

  • Revision unzulässig, wenn Einziehungsbeteiligte die Revisionsbegründung selbst unterzeichnen

    Wer durch eine Straftat – z. B. durch eine Steuerhinterziehung – einen Vermögensvorteil erlangt, bei dem kann dieser Vermögensvorteil abgeschöpft werden (Einziehung). Wer damit nicht einverstanden ist, kann dagegen Rechtsmittel einlegen. Allerdings müssen die jeweiligen Formvorschriften peinlich genau beachtet werden, wie eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 27.11.2024, 1 StR 48/24, deutlich macht.

    Revision gegen Einziehung von Taterträgen

    Die sog. Einziehungsbeteiligte hatte gegen ein Urteil des Landgerichts Darmstadt Revision eingelegt. Das Urteil ordnete die Einziehung eines Betrags von ca. 300.000 Euro an, der aus mutmaßlichen Taterträgen stammte. Die Revisionsbegründung wurde von der Einziehungsbeteiligten persönlich unterzeichnet.

    Formfehler bei der Revisionsbegründung

    Ein schwerer Fehler: Die Revisionsbegründung entsprach nicht den Vorgaben des § 345 Abs. 2 i. V. m. § 427 Abs. 1 S. 1StPO. Demnach muss sie entweder von einem Rechtsanwalt unterschrieben oder zu Protokoll der Geschäftsstelle des Landgerichts erklärt werden. Beides war hier nicht geschehen, somit war die Revision unzulässig. Inhaltlich musste sich der Bundesgerichtshof mit der Revision daher gar nicht mehr befassen.

    Praxis-Tipp

    Auch für Einziehungsbeteiligte gelten die gleichen Formvorschriften wie für Angeklagte. Fehler führen unweigerlich zur Unzulässigkeit von Rechtsmitteln.
  • Vorfreude, schönste Freude …

    Am kommenden Donnerstag geht es in die zweite Runde in einer Steuerstrafsache vor dem Landgericht. Die erste Hauptverhandlung wurde Ende 2023 ausgesetzt, jetzt beginnt sie von neuem.

    Befangenheitsanträge während ausgesetzter Hauptverhandlung

    Während der ersten – ausgesetzten – Hauptverhandlung hatte ich drei Befangenheitsanträge gegen den Vorsitzenden gestellt, die alle abgelehnt wurden.

    Problem: Hiergegen gibt es kein separates Rechtsmittel. Dass die Befangenheitsanträge zu Unrecht abgelehnt wurden, kann erst später in der Revision gerügt werden. Bis dahin muss der angeklagte Mandant mit dem abgelehnten Vorsitzenden leben.

    Wiederholung in der neuen Hauptverhandlung

    Der 4. Strafsenat (31.01.2023, 4 StR 67/22) und der 5. Strafsenat des BGH (26.01.2006, 5 StR 500/05) sind uneins darüber, ob die während der ausgesetzten Hauptverhandlung gestellten Befangenheitsanträge in der neuen Hauptverhandlung wiederholt bzw. die Ablehnungsgründe erneut geltend gemacht werden müssen (5. Strafsenat: ja; 4. Strafsenat: nein).

    Davon kann die Zulässigkeit einer Verfahrensrüge abhängen: Wiederholt man die Ablehnungsgründe nicht und folgt man der Auffassung des 5. Strafsenats, kann man die Befangenheitsanträge mit der Revision nicht mehr angreifen.

    Wohl oder übel werde ich mich also auf die Pfade des 5. Strafsenats begeben müssen (Stichwort: „sicherster Weg“). Die Befangenheitsanträge habe ich auf 7 Seiten komprimiert, die ich nach Aufruf der Sache vortragen werde.

    Den Vorsitzenden habe ich vorab darüber informiert. Die Stimmung wird also gleich zu Beginn wieder versaut sein. Aber das Leben ist kein Ponyhof.

  • Zitat der Woche: Revisionssichere Strafurteile schaffen

    Diese Woche stolperte ich über einen interessanten Aufsatz von Schnürer, Das revisionssichere Urteil in Strafsachen, NStZ 2024, 523.

    Der Aufsatz richtet sich zwar primär an Richterinnen und Richtern der Strafkammern an den Landgerichten. Aber auch für die Verteidigung lässt sich daraus viel über die „Denke“ einer Strafkammer und eines Revisionsgerichts lernen. Für gestandene Verteidigerinnen und Verteidiger steckt sicherlich nicht viel Neues darin, aber die klaren, knackigen Formulierungen sind trotzdem lesenswert.

    Verfahrensziel: Rechtskraft

    Eingangs stellt Schnürer – selbst Richter an einem Landgericht und einige Jahre als wissenschaftlicher Mitarbeiter am BGH – fest, dass „die Bearbeitung von Strafverfahren mit dem Ziel, zu einem rechtskräftigen Urteil zu gelangen, … die alltägliche Arbeit der Strafkammern der Landgerichte“ präge.

    Daher gibt Schnürer seinen Berufskolleginnen und -kollegen „einige allgemeine Anregungen für die praktische Arbeitsweise“ mit auf den Weg, „die auf eine Erhöhung der Revisionssicherheit der eigenen Entscheidungen abzielen.“

    Insbesondere

    „soll es um die Frage gehen, wie man zu einem Urteilstext gelangt, der einer Überprüfung im Revisionsverfahren standhält. Die Überlegungen sind dabei auf die in der Praxis am häufigsten vorkommende Konstellation einer Verurteilung bezogen, lassen sich aber weitgehend auch auf freisprechende Urteile übertragen.“

    Arbeitshypothese: (Vor-)Verurteilung

    Die wichtigste – und für die zu verteidigende Mandantschaft gravierendste – Anregung scheint mir diese zu sein:

    „Es bietet sich etwa für den Berichterstatter an, bereits nach der ersten Lektüre von Anklageschrift und wesentlichen Aktenbestandteile [sic] stichpunktartig das am wahrscheinlichsten erscheinende Ergebnis in der Struktur des späteren Urteils niederzulegen.“

    Wahrscheinlichstes Ergebnis heißt hier: Verurteilung. Das Grundgerüst für eine Verurteilung, einen Schuldspruch, steht also schon, noch bevor der erste Hauptverhandlungstag anbricht und die erste Beweisaufnahme stattfindet. Damit ist auch klar, dass die Anklage zugelassen wird. Anker- und Inertia-Effekt lassen zusätzlich grüßen.

    Ein Kollege, der eine Fortbildung zu „Verteidigungskonzepten für die Hauptverhandlung“ hielt, sagte einmal treffend:

    „Wenn nichts passiert, was nicht in der Akte steht, dann wird der Angeklagte verurteilt.“

    Hauptverhandlung: Bestätigung der Arbeitshypothese

    Danach braucht sich der Tatrichter in der Hauptverhandlung nur noch die passenden „Puzzleteile“ zusammensuchen, die es für die spätere Begründung der Verurteilung braucht:

    „Ist beim Tatgericht an den entscheidenden Stellen Problembewusstsein geweckt, ist ihm die Möglichkeit eröffnet, durch gezielte Sachaufklärung in der Hauptverhandlung alle relevanten Argumente ‚zu sammeln‘, die es zu einer überzeugenderen Begründung des Urteils benötigt. So können die beteiligten Richter frühzeitig abschätzen, welche Beweismittel sie für überzeugende Ausführungen in den schriftlichen Urteilsgründen benötigen und welche in der Akte niedergelegten Umstände sie durch spezifische Nachfragen bzw. durch Vorhalte bei Zeugen oder Sachverständigen einführen müssen. Mögliche Lücken können unter Umständen durch ergänzende Fragen geschlossen werden.“

    Fazit

    Der Aufsatz ist jeder angehenden Strafverteidigerin und jedem angehenden Strafverteidiger wärmstens zu empfehlen. Er zeigt in aller Klarheit auf, warum eine engagierte Verteidigung zwingend erforderlich ist: Damit etwas passiert, was nicht in den Akten steht.
  • BFH: Bloße Bezugnahme auf Steuerfahndungsbericht genügt nicht

    Einige steuerrechtliche Normen setzen voraus, dass eine Steuerhinterziehung begangen wurde.

    Beispielsweise beträgt die Festsetzungsverjährung im Grundsatz vier Jahre, jedoch zehn Jahre, soweit Steuern hinterzogen wurden (§ 169 Abs. 2 S. 1 und 2 AO). Wer eine Steuerhinterziehung begangen oder daran teilgenommen hat (Anstifter oder Gehilfe), haftet nach § 71 AO neben dem Steuerschuldner für die verkürzten Steuern. Und gemäß § 235 AO sind Zinsen auf hinterzogene Steuern zu entrichten.

    In der Praxis nimmt das Finanzamt (Veranlagung, Rechtsbehelfsstelle) zur „Arbeitserleichterung“ gern auf Berichte der Steuerfahndung Bezug und „spart“ sich eigene Ermittlungen dazu, ob tatsächlich eine Steuerhinterziehung vorliegt. Wenn sich dann auch noch das Finanzgericht in seinem Urteil ohne weitere Beweisaufnahme lediglich auf „die nachvollziehbaren Feststellungen und schlüssigen Beweiswürdigungen im Rahmen der strafrechtlichen Ermittlungen“ stützt, dann enthält das Urteil keine Entscheidungsgründe i. S. v. § 105 Abs. 2 Nr. 5 FGO. Folge: Das Urteil leidet an einem Verfahrensmangel (§§ 115 Abs. 2 Nr. 3, 119 Nr. 6 FGO), so dass es in der Revision aufzuheben ist.

    BFH, 17.08.2020, II B 32/20

  • Steuerstrafverfahren gegen Rechtsanwalt: Erst Freiheitsstrafe, dann Geldstrafe und schließlich Aufhebung in der Revision

    Mein Mandant, ein Rechtsanwalt, wurde wegen Steuerhinterziehung in sechs Fällen vom Amtsgericht Chemnitz zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Monaten verurteilt. Die Vollstreckung der Strafe wurde zur Bewährung ausgesetzt. Das Amtsgericht stützte sich dabei im Wesentlichen auf Zeugenaussagen eines Beamten der Steuerfahndung.

    Auf meine Berufung hielt das Landgericht Chemnitz den Schuldspruch aufrecht, „wandelte“ die Freiheitsstrafe aber in eine Geldstrafe von 300 Tagessätzen um. Wiederum waren Zeugenaussagen des (gleichen) Steuerfahndungsbeamten wesentlich für die Verurteilung.

    Nunmehr hob das OLG Dresden mit Beschluss vom 05.03.2019 (Az. 2 OLG 13 Ss 819/18) auf meine Revision das Urteil des Landgerichts Chemnitz auf und verwies die Sache an eine andere Kammer zurück. Meine Sachrüge hatte Erfolg. Darin hatte ich u. a. fehlerhafte bzw. unvollständige Urteilsfeststellungen gerügt. Das OLG sah das auch so. Es fehle insbesondere „an einer erschöpfenden Würdigung der erhobenen Beweise“, so das OLG.

  • Steuerhinterziehung: Berufungsgericht wandelt Freiheitsstrafe in Geldstrafe um

    Gestern verteidigte ich in einer Berufungshauptverhandlung vor dem Landgericht Chemnitz. Meinem Mandanten, ein Rechtsanwalt, wurde u. a. vorgeworfen, er habe vereinnahmte Gelder zu Unrecht als erfolgs- bzw. umsatzneutrale Fremdgelder behandelt, statt diese als Betriebseinnahmen und Umsätze zu buchen und zu erklären. Daher habe er für zwei Jahre unrichtige Einkommensteuer- und Umsatzsteuerjahreserklärungen abgegeben. Darüber hinaus warf man meinem Mandanten vor, in zwei anderen Jahren die Steuererklärungen zu spät abgegeben zu haben.

    Die erste Instanz (Amtsgericht Chemnitz/Strafrichter) verurteilte meinen Mandanten wegen Steuerhinterziehung in 6 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 7 Monaten. Die Freiheitsstrafe wurde zur Bewährung ausgesetzt. Als Bewährungsauflage sollte mein Mandant zusätzlich 40.000 € an eine gemeinnützige Einrichtung zahlen.

    Das Landgericht bestätigte in der Berufung den Schuldspruch wegen Steuerhinterziehung, „wandelte“ die Freiheitsstrafe (einschließlich Geldauflage) aber um in eine Geldstrafe von 300 Tagessätzen um (im Ergebnis 30.000 €; die Staatsanwaltschaft hatte stattdessen 1 Jahr Freiheitsstrafe beantragt).

    Freuen kann man sich dennoch nicht, da ich Freispruch für meinen Mandanten beantragt hatte. Es besteht nun die Möglichkeit, Revision zum OLG Dresden einzulegen.

    Update (08.03.2019): Das OLG Dresden hat auf meine Revision hin das Urteil des Landgerichts Chemnitz aufgehoben.

  • Hinzuziehung eines Bevollmächtigten – Antrag in der Revision unzulässig

    Wenn das Finanzamt vor dem Finanzgericht unterliegt, muss es die Kosten des Verfahrens tragen. Dazu gehören auch die Beraterkosten für das Einspruchsverfahren, wenn das Gericht die Hinzuziehung des Beraters für notwendig erklärt.

    Dieser Antrag muss vor dem Finanzgericht gestellt werden, da er sachlich zum Kostenfestsetzungsverfahren gehört. Im Revisionsverfahren ist er unzulässig. Das hat der Bundesfinanzhof mit Urteil vom 19.02.2013, Az. IX R 7/10, klargestellt und damit seine ständige Rechtsprechung bestätigt.

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  • Bloßer Verweis auf CD-ROM mit Videoaufzeichnungen im Strafurteil

    Wenn ein Angeklagter in einem Strafverfahren verurteilt wird, muss das Urteil verschiedenen gesetzlichen Vorgaben genügen. Insbesondere müssen gemäß § 267 Abs. 1 StPO

    die Urteilsgründe die für erwiesen erachteten Tatsachen angeben, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden. Soweit der Beweis aus anderen Tatsachen gefolgert wird, sollen auch diese Tatsachen angegeben werden. Auf Abbildungen, die sich bei den Akten befinden, kann hierbei wegen der Einzelheiten verwiesen werden.

    Der Bundesgerichtshof musste sich in einer aktuellen Entscheidung (Urteil vom 02.11.2011, Az. 2 StR 332/11) damit auseinanderzusetzen, ob in einem Strafurteil zu den Einzelheiten einer Videoaufzeichnung lapidar auf die bei den Gerichtsakten befindliche CD-ROM verwiesen werden durfte, auf der die Videoaufzeichnung gespeichert war. Dies hat der Bundesgerichtshof verneint.

    In der Verweisung auf ein elektronisches Speichermedium als solches liegt keine wirksame Bezugnahme im Sinne von § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO … Selbst wenn man von dem Begriff [gemeint sind „Abbildungen“, Anm. d. Verf.] … grundsätzlich auch Filme umfasst sieht …, setzt eine Bezugnahme nach § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO aber voraus, dass diese selbst Aktenbestandteil geworden sind. Dies ist jedenfalls bei auf elektronischen Medien gespeicherten Bilddateien nicht der Fall. Bei diesen wird nicht der Film als solcher und damit das durch das menschliche Auge unmittelbar wahrnehmbare Geschehen, Bestandteil der Akten, sondern es bedarf für die Wahrnehmung der Vermittlung durch das Speichermedium sowie weiterer technischer Hilfsmittel, die das Abspielen ermöglichen.

    Somit war die Videoaufzeichnung nicht Bestandteil der Urteilsgründe geworden, was grundsätzlich einen Revisionsgrund darstellt.

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  • Mangelnde Sachaufklärung muss in der mündlichen Verhandlung gerügt werden

    Will man mittels Nichtzulassungsbeschwerde bzw. in der Revision erfolgreich eine mangelnde Sachaufklärung durch das Finanzgericht (Übergehung von Beweisanträgen) rügen, so muss man grundsätzlich vortragen, dass die Nichterhebung der angebotenen Beweise in der mündlichen Verhandlung gerügt worden oder weshalb die Rüge nicht möglich gewesen ist. Das hat (wiederholt) der Bundesfinanzhof entschieden.

    Im Streitfall hatte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin zwar in einem Schriftsatz Beweisanträge gestellt, diese jedoch in der mündlichen Verhandlung nicht wiederholt. Es war weder aus dem Sitzungsprotokoll noch aus dem Urteil selbst ersichtlich, dass der in der mündlichen Verhandlung anwesende Bevollmächtigte das Übergehen der Beweisanträge gerügt hat. Auch bis zum Ablauf der Beschwerdebegründungsfrist hatte die Klägerin nicht vorgetragen, weshalb die Rüge unterblieben bzw. nicht möglich gewesen ist.

    Fazit: Beweisanträge aus Schriftsätzen sind in der mündlichen Verhandlung vor dem Finanzgericht (mündlich) zu wiederholen. Falls das Finanzgericht Beweisanträge übergeht, ist dies in der mündlichen Verhandlung zu Protokoll zu rügen. Unterlässt man dies, wird man in der Revision mit dem Einwand mangelnder Sachaufklärung nicht (mehr) gehört. Entsteht dem Mandanten hieraus ein Schaden, stellt sich zudem die Frage der Beraterhaftung.

    @ BFH, Beschluss vom 20.09.2010, II B 7/10

    Fundstelle(n): folgt

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