Rico Deutschendorf ▪ Rechtsanwalt | Fachanwalt für Steuerrecht | Steuerstrafverteidiger | Dozent ▪ Leipzig | Sachsen | bundesweit

Tag: Anzeige

  • Kein Anspruch auf Einsicht in anonyme Anzeige

    Der Bundesfinanzhof (BFH, 15.07.2025, IX R 25/24) entschied, dass Steuerpflichtige grundsätzlich keinen Anspruch auf Offenlegung des Inhalts einer anonymen Anzeige haben.

    Hintergrund

    Im Streitfall wollte eine Gesellschaft aus der Gastronomie den Inhalt einer anonymen Anzeige erfahren, die Anlass für eine Kassennachschau bei ihr war. Das Finanzamt verweigerte die Auskunft. Auch ein Antrag auf Auskunft nach Art. 15 DSGVO blieb erfolglos. Der BFH bestätigte die Entscheidung der Vorinstanz: Weder aus der Abgabenordnung noch aus der DSGVO ergibt sich ein Anspruch auf Mitteilung der Anzeige.

    Kernaussagen

    • Ein Auskunfts- oder Einsichtsrecht besteht nur in Ausnahmefällen und unterliegt einer Interessenabwägung.
    • Das Geheimhaltungsinteresse der Finanzverwaltung und des Anzeigeerstatters überwiegt in der Regel.
    • Der Auskunftsanspruch nach Art. 15 DSGVO kann durch § 32c AO eingeschränkt werden.
    • Eine Pflicht zur Übersendung des vollständigen Dokuments (Anzeige) besteht nicht.

    Bedeutung für die Praxis

    Für Betroffene einer anonymen Anzeige heißt das: Wer Ziel einer anonymen Anzeige wird, erhält grundsätzlich keine Informationen über deren Inhalt oder Verfasser. Nur in seltenen Ausnahmefällen – etwa wenn die Behörde ohne Offenlegung die Rechte des Betroffenen schwer beeinträchtigt – kann Auskunft verlangt werden.

  • Betriebsprüfung: Mehrzahl oder Einzahl, das ist hier die Frage

    Aktuell vertrete ich einen Autohändler in einer Betriebsprüfung und verteidige ihn parallel im Steuerstrafverfahren. Im Exposé der Betriebprüfung (Entwurf des Betriebsprüfungsberichts) heißt es u. a. , dass dem Finanzamt Anzeigen (Mehrzahl!) von Kunden meines Mandanten vorliegen würden. Darin werde detailliert geschildert, dass mein Mandant durch „geschönte Kaufverträge“ die tatsächlichen Verkaufpreise „für die Steuer“ künstlich mindern wollte.

    Im Rahmen der Akteneinsicht im Steuerstrafverfahren fand ich die (angeblichen) Kundenanzeigen jedoch nicht in der Ermittlungsakte. Auf meine Anforderung bei der Bußgeld- und Strafsachenstelle (BuStra) erhielt ich eine einzige (!) anonymisierte Anzeige, die zudem gespickt ist mit Vermutungen. Weitere Anzeigen lägen der Betriebsprüfung nicht vor, so die BuStra.

    Praxis-Tipp

    Man sollte als Berater nicht alles hinterfragen, aber jedenfalls die „Feststellungen“ in einem Betriebsprüfungsbericht oder Exposé.