Rico Deutschendorf ▪ Rechtsanwalt | Fachanwalt für Steuerrecht | Steuerstrafverteidiger | Dozent ▪ Leipzig | Sachsen | bundesweit

Category: Geschäftsführer-Haftung

  • Finanzamt hebt Haftungsbescheid zu Säumniszuschlägen einer GmbH ersatzlos auf

    Das Finanzamt erließ gegen meinen Mandanten – ein ehemaliger Geschäftsführer einer GmbH – einen Haftungsbescheid gestützt auf §§ 69, 34 der Abgabenordnung für ca. 35.000 € Säumniszuschläge, die seine GmbH (angeblich) schuldete.

    Säumniszuschläge zahlungsverjährt

    Gegen den Haftungsbescheid legte ich für meinen Mandanten Einspruch ein. Darin machte ich geltend, dass die Säumniszuschläge bereits zahlungsverjährt seien. Darüber hinaus sei für den Haftungsbescheid schon Festsetzungsverjährung eingetreten. Daher dürfe das Finanzamt keinen Haftungsbescheid mehr erlassen.

    Nachdem das Finanzamt auf meinen Antrag hin zunächst die Aussetzung der Vollziehung des Haftungsbescheides verfügte, wurde der Haftungsbescheid einige Monate später ersatzlos aufgehoben.

    Abrechnungsbescheid nicht mehr erforderlich

    Flankierend beantragte ich einen Abrechnungsbescheid (§ 218 Abs. 2 AO) und begehrte die Feststellung, dass die Säumniszuschläge zahlungsverjährt seien. Das Finanzamt teilte jedoch schriftlich mit, dass unstreitig Zahlungsverjährung eingetreten sei.

    Praxis-Tipp

    Säumniszuschläge entstehen kraft Gesetzes und werden nicht durch einen Bescheid festgesetzt. Sie unterliegen einer eigenen Zahlungsverjährung (§§ 228ff. AO; grundsätzlich 5 Jahre), unabhängig von der Verjährung der Hauptforderung. Wenn das Finanzamt – wie im geschilderten Fall – die Säumniszuschläge nicht rechtzeitig einfordert (z. B. durch Übersendung einer Rückstandsaufstellung mit Zahlungsaufforderung, vgl. § 231 Abs. 1 S. 1 Nr. 8 AO), sind diese zahlungsverjährt, obwohl die Hauptforderung noch nicht verjährt ist. – Die Zahlungsverjährung ist durch einen Antrag auf Erlass eines Abrechnungsbescheides (§ 218 Abs. 2 AO) geltend zu machen. Voraussetzung ist, dass „Streitigkeiten, die die Verwirklichung der Ansprüche“ aus dem Steuerschuldverhältnis „betreffen“, vorliegen. Wenn das Finanzamt schriftlich bestätigt, dass unstreitig Zahlungsverjährung eingetreten ist, dann besteht kein Rechtsschutzbedürfnis mehr auf Erlass des Abrechnungsbescheides.
  • GmbH-Geschäftsführerin: Finanzamt sieht nach Anhörung von Haftungsinanspruchnahme ab

    Bevor das Finanzamt einen Haftungsbescheid erlässt, wird es den (potenziellen) Haftungsschuldner normalerweise anhören. Im Anhörungsschreiben legt das Finanzamt dar, dass ein bestimmter Haftungstatbestand erfüllt sei. Hierzu können dann Einwendungen vorgetragen werden.

    Wenn man als Berater nach Prüfung erkennt, dass der Haftungstatbestand nicht vorliegt oder beispielsweise Festsetzungsverjährung eingetreten ist, bietet es sich an, das vorzutragen.

    Beabsichtigte Haftungsinanspruchnahme als KG- bzw. GmbH-Geschäftsführerin

    In einem aktuellen Fall erhielt meine Mandantin Ende 2022 ein Anhörungsschreiben des Finanzamtes, wonach beabsichtigt sei, sie als ehemalige Geschäftsführerin einer GmbH für die Steuerschulden einer GmbH & Co. KG, deren Komplementärin die GmbH war, in Haftung zu nehmen.

    Bei den Steuerschulden handelte es sich um Umsatzsteuer 2013 und 2014 zzgl. Säumniszuschläge (insgesamt ca. 42.000,00 €). Dabei ging das Finanzamt von einem Haftungszeitraum vom 22.08.2019 bis 02.11.2022 aus.

    Einwendung 1: Erlöschen der Vertretungsbefugnis

    Nach Prüfung des Sachverhalts wurde festgestellt, dass die Vertretungsbefugnis schon vor Beginn des Haftungszeitraums erloschen war, denn meine Mandantin wurde bereits Ende 2018 als Geschäftsführerin abberufen. Das trug ich dem Finanzamt vor.

    Daraufhin entschuldigte sich das Finanzamt – man sei von einem falschen Haftungszeitraum ausgegangen. „Der Beginn des Haftungszeitraums“ sei vielmehr „auf den 31.01.2015 zu datieren.“ An einer Haftungsinanspruchnahme hielt das Finanzamt fest.

    Einwendung 2: Festsetzungsverjährung

    Ich erwiderte gegenüber dem Finanzamt, wenn nunmehr auf (angebliche) Pflichtverletzungen in den Jahren 2014, 2015 oder 2016 abgestellt werde, dann sei jedenfalls Festsetzungsverjährung eingetreten (§ 191 Abs. 3 S. 2 und S. 4 i. V. m. § 171 Abs. 10 AO). Die zweijährige Umsetzungsfrist aus § 171 Abs. 10 AO sei schon abgelaufen. Ich bat daher nochmals um schriftliche Bestätigung, dass von einer Haftungsinanspruchnahme meiner Mandantin abgesehen werde.

    Finanzamt lenkt ein – Haftungsbescheid verhindert

    Dem kam das Finanzamt jetzt nach. Es teilte schriftlich mit, dass

    „von einer Haftungsinanspruchnahme bzgl. der Steuerschulden der o. g. Gesellschaft … abgesehen“

    wird.

    Praxis-Tipp

    Wermutstropfen: Leider muss das Finanzamt die Beraterkosten für das Haftungsprüfungsverfahren nicht erstatten. Die Beraterkosten sind aber grundsätzlich (nachträgliche) Werbungskosten bei den Einkünften als Geschäftsführerin. Maßgeblich ist das Abflussprinzip.