Rico Deutschendorf ▪ Rechtsanwalt | Fachanwalt für Steuerrecht | Steuerstrafverteidiger | Dozent ▪ Leipzig | Sachsen | bundesweit

Tag: DSGVO

  • Kein Akteneinsichtsrecht aus der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO)

    „Ich möchte mal meine Akte beim Finanzamt einsehen“ – ein berechtigter Wunsch vieler Mandanten, der in der Praxis aber meist nicht umsetzbar ist.

    Kein Recht auf Akteneinsicht aus der Abgabenordnung

    Leider ergibt sich aus der Abgabenordnung (AO) kein Recht auf Akteneinsicht in die Akten des Finanzamtes. Weder aus § 91 Abs. 1 AO (Anhörung Beteiligter) noch aus § 364 AO (Offenlegung der Besteuerungsunterlagen) oder dem Anwendungserlass zur Abgabenordnung (AEAO).

    Es besteht nur ein Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über ein Akteneinsichtsgesuch. Dem Finanzamt ist es nämlich nicht verboten, Akteneinsicht zu gewähren. Bei einer Ablehnung der Akteneinsicht muss es jedoch seine Ermessenserwägungen begründen.

    Keine Akteneinsicht über Datenschutz-Grundverordnung

    Es war lange streitig, ob ein Recht auf Akteneinsicht aus Art. 15 der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) abzuleiten ist. Mit Urteil vom 20.09.2024, Aktenzeichen: IX R 24/23, entschied der Bundesfinanzhof (BFH) jedoch, dass sich auch aus Art. 15 DSGVO kein Anspruch auf Akteneinsicht ergibt.

    Die DSGVO gewähre (nur) ein Auskunftsrecht über personenbezogene Daten, jedoch kein umfassendes Akteneinsichtsrecht. Dieses Auskunftsrecht beziehe sich auf die Bereitstellung von Kopien personenbezogener Daten, nicht auf die Einsichtnahme in Originalakten.

  • Akteneinsicht beim Finanzamt aufgrund DSGVO und EU-Grundrechte-Charta

    Kein Akteneinsichtsrecht aus der AO

    Aus der Abgabenordnung (AO) ergibt sich kein Anspruch auf Akteneinsicht im Besteuerungsverfahren. In allen anderen Verfahrensordnungen ist ein Akteneinsichsrecht selbstverständlich, nur im Besteuerungsverfahren nicht. Grundsätzlich hat der Steuerpflichtige nur einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über seinen Akteneinsichtsantrag. Immerhin besteht im Einspruchsverfahren gemäß § 364 AO ein Anspruch auf Offenlegung der Besteuerungsunterlagen.

    DSGVO

    Spätestens seit 2019 kommt Bewegung in die Sache. Das Finanzgericht des Saarlandes (03.04.2019, 2 K 1002/16) und das Sächsische Finanzgericht (08.05.2019, 5 K 337/19) entschieden, dass sich aus Art. 15 der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) ein gebundener Anspruch auf Akteneinsicht im Besteuerungsverfahren ergebe. Beide Entscheidungen betrafen zwar Betriebsprüfungs-Fälle, sie lassen sich jedoch allgemein auf das Besteuerungsverfahren übertragen.

    Dem gegenüber meint das Niedersächsische Finanzgericht (28.01.2020, 12 K 213/19), die DSGVO sei im Bereich des Steuerrechts nur auf die sog. harmonisierten Steuern – insbesondere die Umsatzsteuer – anwendbar, nicht dagegen beispielsweise bei der Einkommensteuer.

    EU-Grundrechte-Charta

    Zudem entschied der EuGH (16.10.2019, C-189/18), dass sich aus dem in Art. 47 der EU-Grundrechte-Charta geregelten Grundsatz des fairen Verfahrens ein Akteneinsichtsrecht gegenüber dem Finanzamt ergebe. Im Streitfall wurde einem Unternehmer der Vorsteuerabzug versagt, weil sein Lieferant in ein „Mehrwertsteuer-Betrugssystem“ eingebunden gewesen sei. Der Unternehmer begehrte Akteneinsicht in die Steuerakten des Lieferanten, um sich hiergegen verteidigen zu können. Die Akteneinsicht wurde ihm zu Unrecht versagt, so der EuGH. Diese Entscheidung wird man über die harmonisierten Steuern (z. B. Umsatzsteuer) hinaus aber nicht anwenden können.

    Update

    Zwischenzeitlich entschied der BFH (20.09.2024, IX R 24/23), dass sich aus Art. 15 DSGVO kein Recht auf Akteneinsicht ergibt.